„Der Internethändler kann auch ums Eck sitzen“

Apotheker Krone: Sie haben das Kaufverhalten im Internet in den vergangenen Jahren genau analysiert und beraten nun auch Apotheken in Hinblick auf die Öffnung des Versandhandels. Wie sieht Ihre Botschaft aus, und wie schätzen Sie die Entwicklungen ein?

Peter Voithofer: Wir haben für das Wirtschaftsministerium und die Wirtschaftskammer eine Studie zu den Auswirkungen des Versandhandels gemacht. Die Ergebnisse zeigen, dass das Internet auch weiblich und älter wird. Es kaufen nicht nur junge Männer ein. Das Zweite ist, dass in den verschiedensten Bereichen eingekauft wird und mehr als 57 Prozent der Menschen schon im Internet eingekauft haben. Die Zahl jener, die sich aber im Internet über Kaufmöglichkeiten und Produkte informieren, ist weit höher.

Welche Ergebnisse zeigen Ihre Untersuchungen genau? Wie entwickelt sich der Markt?

Voithofer: Etwa 90 Prozent aller Einzelhandelsunternehmen haben heute einen Internetzugang, und 70 Prozent betreiben eine eigene Website. Im Jahr 2013 waren 7.900 Onlineshops in Österreich aktiv. 2006 waren es noch 3.200. Rund 19 Prozent der Einzelhändler verkaufen Waren im Internet. Die Umsätze in Österreich lagen zuletzt bei rund 2,9 Milliarden im Internet. Allerdings gaben die heimischen Konsumenten mehr als 5,9 Milliarden für Interneteinkäufe aus. Ein großer Teil kauft also bei ausländischen Unternehmen, könnte man sagen. Oder man sagt, dass bereits viel vom Internethandel in Österreich selbst passiert.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus für die Apotheken?

Voithofer: Das hat Auswirkungen vor allem auf die Preistransparenz, aber auch auf die Beratungsmöglichkeiten. Wenn heute jemand etwa in ein Fachgeschäft geht, hat er sich schon im Internet informiert. Es kommen also keine Basisfragen mehr, sondern Detailfragen, die im Web nicht geklärt werden konnten – ausgefallene Fragen. Das ist für den Handel eine Herausforderung, aber auch eine Chance.

Wo genau liegen Ihrer Meinung nach die Chancen?

Voithofer: Die Anzahl der Unternehmen, die im Internet Waren anbieten, steigt stetig. Bei den Kunden wiederum sprechen wir von einer ganzen Generation der „Digital na­tives“, bei denen das Internet auch das Konsumverhalten verändert. Wer geht etwa heute noch für die Buchung eines Fluges oder einer Reise in ein Reisebüro? Das Internet verändert ganze Branchen; natürlich nicht schlagartig, aber durchaus kontinuierlich. Die Frage ist, wie man als Händler – und damit im Grunde auch als Apotheker – damit umgeht.

Welchen Rat geben Sie da nun jenen Unternehmen, die in den Versandhandel einsteigen wollen beziehungsweise auch jenen, die das nicht tun möchten?

Voithofer: Man muss sich fragen, warum ein Kunde zu einem direkt ins Geschäft kommen soll. Man muss sich fragen, was der eigene „added value“ ist. Bei den Apothekern sind das sicherlich der Standort und die rasche Liefermöglichkeit sowie eben die qualifizierte Beratung. Man muss sich die Frage stellen, was einen selbst und die eigene Leistung einzigartig macht. Warum soll ein Kunde in die Apotheke kommen und nicht Arzneimittel im Internet bestellen? Wenn man diese Frage gut und klar beantworten kann, dann ist man ganz einfach gesprochen auch wettbewerbsfähig.

Wie wird sich der Markt entwickeln?

Voithofer: Es werden sicherlich viele Apotheken versuchen, sich hier zu positionieren. Aber nur wenige werden wirklich Erfolg haben. Man kann entweder sagen, dass das eben eine zusätzliche Verkaufsebene ist, die man mitnimmt und ab und zu ein Kunde kauft. Oder man kann sich voll darauf konzentrieren und den Onlinebereich mit aller Kraft ausrollen.

Kann man die Erfahrungen aus dem Internethandel in anderen Bereichen so leicht auf den Arzneimittelsektor umlegen?

Voithofer: Natürlich gibt es im Arzneimittelbereich Unterschiede. Die Apothekenverkaufsordnung schreibt etwa auch eine Beratung verpflichtend vor. Die Sichtweise, was das genau ist, ist aber zwischen Anbieter und Konsument unterschiedlich.

Nämlich?

Voithofer: Auch die Kaufabsichten sind andere als in anderen Bereichen. Man kauft ja nicht wie beim Winterschlussverkauf Arzneimittel auf Vorrat, weil sie gerade billig sind. Aber die Apotheken dürfen sich auch nicht darauf verlassen, dass sie schneller sind als das Internet mit der Lieferung. Wenn ich heute eine Pizza im Internet bestelle, kommt die auch sehr rasch. Der Versand muss ja nicht mit der Post passieren.

Was bedeutet das genau?

Voithofer: Das ist es eben: Das Internet und der Anbieter von Leistungen müssen nicht immer in Asien sitzen. Er kann auch ums Eck sein. Und er kann – und hier liegt auch eine Chance – eben auch eine Apotheke sein, die zustellt. Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Internetkunden dennoch gerne bei jenen Webseiten kaufen, denen sie vertrauen oder die sie auch kennen. Der Greißler oder die Apotheke ums Eck kann also auch im Internet sein.