Einem mutigen wie ungewöhnlichen Thema haben sich Österreichs Apotheker bei der Sommerakademie gestellt.
Zugegebenermaßen waren die letzten gut hundert Jahre von enormen Erkenntnissen der Biomedizin geprägt, die wiederum unglaubliche Leistungen und Erfolge ermöglicht haben. Und doch stößt das Modell der reinen Biomedizin zunehmend an seine Grenzen und ist überfordert. Oft auch als „Apparate- und Reparaturmedizin“ kritisiert, sind die Grenzen der reinen Biomedizin meist schon erreicht, wenn es um chronische Erkrankungen geht, wo nichts mehr repariert werden kann. Ganz zu schweigen von somatoformen Beschwerden, für die sich keine ausreichende organische Grundlage festmachen lässt. Und nicht zuletzt zeigt das große Interesse und Bedürfnis der Menschen nach ganzheitlichen Ansätzen, das viele auch immer wieder Rat in der Apotheke suchen lässt, dass der Mensch mehr ist als eine komplexe Maschine, bei der man nicht nur den richtigen Knopf drücken oder das richtige „Pulverl“ zuführen muss.
Entsprechend dem biopsychosozialen Modell ist der Mensch in seiner Gesamtheit (bio – psycho – sozial) zu verstehen: neben dem Menschen als biologisches Wesen wie auch als Wesen mit typischen Eigenheiten des Denkens und Fühlens und als Wesen mit individuellen sozialen, kulturellen Lebensumwelten. Körper und Seele können nicht getrennt gesehen werden: Unser Denken und unsere Gefühle beeinflussen auch die physiologischen Prozesse – und umgekehrt. Damit wird die Unterscheidung zwischen psychosomatischen und nichtpsychosomatischen Krankheiten obsolet.
Neue Erkenntnisse liefert das Fachgebiet der Psychoneuroimmunologie, in dem die hochkomplexen Wechselwirkungen zwischen Nerven-, Hormon- und Immunsystem sowie die Mechanismen, wie sich psychosoziale Stimuli in diesen Körpersystemen abbilden, beforscht werden. Wie zunehmend auch experimentell belegt werden kann, greifen auch diese Systeme und Regelkreise ineinander und werden von psychosozialen Faktoren stimuliert.
Im Umgang mit ganzheitlichen Fragestellungen stehen Apotheker als Erstanlaufstelle im Gesundheitssystem in vorderster Reihe – und das nicht nur im wörtlichen Sinn: Dass ein ganzes Fortbildungswochenende diesem spannenden Zukunftsthema gewidmet war, macht sie auch in der Fortbildung zu Vorreitern im neuen Denken.
Susanne Hinger
s.hinger@medmedia.at