Der Spardruck steigt

Gesundheit bewegt die Menschen. Das nahmen auch die wahlwerbenden Parteien wahr und richteten ihre Programme entsprechend aus. Sie alle versprechen, die Gesundheitsversorgung ausbauen zu wollen. Etwas anderes käme wohl auch kaum gut an, denn die Zufriedenheit mit dem heimischen System ist nach wie vor hoch – wenn auch deutlich im Sinken begriffen. In Österreich sind 72 % (2023: 75 %, 2022: 89 %) mit dem Gesundheitssystem zufrieden. Das zeigte jetzt der STADA Health Report 2024, der kürzlich präsentiert wurde. In 23 Ländern Europas standen 46.000 Menschen zu Gesundheitsfragen Rede und Antwort. Kritisiert werden Schwierigkeiten, einen Termin zu bekommen (56 %), Unleistbarkeit von Medikamenten (50 %), fehlendes Vertrauen gegenüber staatlichen Gesundheitsstellen (45 %), Lieferengpässe (38 %), Probleme, ein Bett im Krankenhaus zu bekommen (33 %), oder spürbare Personalengpässe im Krankenhaus (29 %).

Kassen tief im Minus

Wirtschaftsexpert:innen sehen allerdings einen generellen Spardruck auf die kommende Regierung zukommen. Dazu kommt, dass auch die Krankenversicherungen düstere Prognosen aufstellen. Die soziale Krankenversicherung erwartet nach einem Minus von rund 650 Millionen Euro im Vorjahr bis 2028 durchgehend Verluste. „Die aktuelle Gebarungsvorschaurechnung der Krankenversicherungsträger geht für das heurige Jahr von einem Bilanzverlust von 264,7 Mio. Euro aus. In den Jahren bis 2028 ist unter unveränderten Rahmenbedingungen mit einem jeweils ähnlichen Ergebnis zu rechnen“, teilt der Dachverband der Sozialversicherung mit. Konkret bedeutet das: 2024 – Minus 264,7 Mio. Euro, 2025 – Minus 220,6 Mio. Euro, 2026 –Minus 204,3 Mio. Euro, 2027 – Minus 232,6 Mio. Euro, 2028 – Minus 266,2 Mio. Euro. „Der kumulierte Abgang der KV-Träger beträgt in der Periode 2024 bis 2028 rund 1,19 Milliarden Euro.“ Aus dem neuen Finanzausgleich erhalte die Krankenversicherung zwar netto 248 Mio. Euro jährlich, mit diesen Mitteln seien jedoch zusätzliche Leistungen zu bedecken, „sodass kein nennenswerter finanzieller Konsolidierungseffekt zu erwarten ist.“

ÖGK fordert Mittel aus Steuertopf

Rund die Hälfte der Abgänge entfällt auf die Österreichische Gesundheitskasse. ÖGK-Obmann Andreas Huss dazu: „Die offizielle Vorschaurechnung zeigt, dass die ÖGK auch in den nächsten Jahren strukturell im Minus steckt. Das beweist, dass das Krankenkassensystem in einer Zeit mit Bevölkerungswachstum, älter werdender Bevölkerung und größerem Aufgabenspektrum auch durch die nötige Spitalsentlastung zusätzliches Geld braucht.“ Mit den Zusatzmitteln aus dem Finanzausgleich können die zusätzlichen Aufgaben bei weitem nicht finanziert werden, sagt Huss. Für den „dringend nötigen“ Ausbau zur Stärkung der solidarischen Versorgung, „die wir Arbeitnehmervertreter:innen vorgelegt haben“, benötige man rund eine Milliarde Euro jährlich. „Die nächste Regierung muss sich klar zur öffentlichen und solidarischen Versorgung bekennen und diese auch ausreichend finanzieren. Andernfalls wird der Weg zu noch mehr Privatmedizin und noch mehr Zusatzkosten für die Menschen verstärkt. Darunter würden unsere Patient:innen noch mehr leiden als bisher.“

Tab.: Zahl der Heilmittelverordnungen und Heilmittelaufwand, 2019–2023

Apotheken kämpfen mit sinkenden Margen

Und auch aus Apotheken kommen besorgte Nachrichten. Ein aktuelles Stimmungsbild unter den 112 Apotheken der ApoLife-Gruppe (Rat und Tat) fällt unerwartet düster aus. Nicht zuletzt die Aussichten für die eigene Apotheke werden von der überwiegenden Mehrheit weitestgehend negativ eingeschätzt. 86 % der Apotheken geben an, von stagnierenden beziehungsweise eigentlich – wenn um die Inflation bereinigt – sinkenden Erträgen betroffen zu sein. 75 % der Befragten sehen den Grund darin, dass die Menschen einfach über weniger finanzielle Mittel als früher verfügen, 85% orten eine steigende Konkurrenz etwa durch Online- und Hausapotheken (Mehrfachnennungen waren möglich). Zumindest geringfügige Umsatzzuwächse beobachten 50% der Apotheker:innen am ehesten bei OTC-Produkten. Im Wellness- und Beautybereich gibt es dagegen wenig Hoffnung auf Wachstum (jeweils unter 10% Zustimmung). Folgerichtig werden aus Sicht der Apotheken die „generell steigenden Kosten“ das dominierende Thema der nächsten Monate sein (77% Zustimmung), gefolgt von den Lieferengpässen bei Medikamenten (65%, Mehrfachnennungen möglich). Mehr als die Hälfte der Befragten stimmt zu, dass die kommende neue Regierung „endlich überfällige Reformschritte in der Gesundheitspolitik setzen muss“ (55%). Mag. Martin R. Geisler, Generalsekretär der ApoLife-Apothekengruppe, erklärt dazu: „Wir sehen eine ganze systemrelevante Branche in einer deutlichen Lähmung – nicht aus sich heraus, sondern aufgrund einer Fülle von Umständen, auf welche die einzelne Apotheke keinen Einfluss hat.“

Apothekerkammer macht Druck

Auch die Präsidentin der Apothekerkammer, Mag.a pharm. Dr.in Ulrike Mursch-Edlmayr, erwartet im Gespräch mit der Apo Krone einen steigenden Spardruck im Gesundheitswesen: „Man wird verkrampft nach Lösungen suchen. Bei den Apotheken gibt es aber nichts mehr zu sparen – es wurde im Erstattungsbereich bereits alles optimiert. Wirtschaftlich stehen die Apotheken mit dem Rücken zur Wand.“ Der Sektor habe Kostensteigerungen wie auch andere Bereiche der Wirtschaft, nur könnten die Apotheken nichts an Endverbraucher:innen weitergeben. „Alle Entwicklungen im Arzneimittelbereich schlagen schon bei uns auf: Wir haben Margenverluste im Kerngeschäft zu schultern und gleichzeitig eine Explosion der unbezahlten Dienstleistungen und des Mehraufwandes. Das würde sich kein Unternehmen umhängen lassen“, kritisiert Mursch-Edlmayr.