In den USA spricht man bereits vom „Office-Eye-Syndrome“. Menschen, die viele Stunden täglich vor dem Bildschirm und in klimatisierten Räumen verbringen, produzieren weniger Tränenflüssigkeit oder leiden unter einer veränderten Zusammensetzung ihres Tränenfilms. Gerade jetzt, da wieder die Heizsaison richtig begonnen hat, wird die Luft in den Innenräumen richtig trocken.
Die Tränenflüssigkeit wird durch den Lidschlag gleichmäßig über die Augenoberfläche verteilt. Ihre Aufgaben umfassen das Feuchthalten von Hornhaut und Bindehaut, die Sauerstoffversorgung der äußeren Hornhautschicht, das Glätten von Unebenheiten auf der Hornhaut, die Abwehr von Bakterien und Viren und das Ausschwemmen von Fremdkörpern. Früher ging man von einem Lidschlag alle 5–10 Sekunden aus. Bei all jenen, die im Büro arbeiten und viel Bildschirmarbeit leisten, aber auch bei privaten Beschäftigungen vor dem PC, blinzelt man Schätzungen zufolge nur noch 1–2 mal pro Minute. Kein Wunder also, dass der Tränenfilm seine Aufgaben dadurch nicht in einem angemessenen Umfang erfüllen kann. Zusammengesetzt ist die Tränenflüssigkeit aus Eiweißstoffen, Enzymen und Antikörpern. Außerdem weist sie eine schleimhaltige, wässrige und fetthaltige Komponente auf. Die schleimhaltige Schicht gleicht Unebenheiten auf der Augenoberfläche aus und sorgt auch dafür, dass andere Komponenten des Tränenfilms besser am Auge haften. Den größten Teil der Tränenflüssigkeit macht die wässrige Schicht aus, in der Enzyme und Antikörper gelöst sind. Produziert wird die Flüssigkeit in der Tränendrüse, die unterhalb der äußeren Augenbraue lokalisiert ist. Auch kleine Drüsen der Bindehaut und des Lidrandes geben Bestandteile der Tränenflüssigkeit ab.1
Die Tränenflüssigkeit wird hauptsächlich in der Tränendrüse, die sich unterhalb der äußeren Augenbraue befindet, produziert. Daneben geben auch zahlreiche kleine Drüsen der Bindehaut und des Lidrandes Bestandteile der Tränenflüssigkeit ab. Beim trockenen Auge kommt es zu drei Problemen: Die Menge der Flüssigkeit ist reduziert, die Zusammensetzung hat sich verändert, und es kommt zu Benetzungsstörungen der Augenoberfläche. Bezüglich Zusammensetzung ist zu sagen, dass meist eine der drei oben genannten Komponenten in geringerer Menge als zuvor hergestellt wird. Zu den wichtigsten Symptomen zählen ein leichtes Fremdkörpergefühl, Brennen der Augen, Juckreiz, Druckgefühl, verklebte Augen am Morgen und eine Rötung der Bindehaut. Im schweren Fällen kann es zu einer chronischen Hornhautentzündung mit Eintrübung der oberen Schicht kommen.1
Neben den bereits erwähnten Ursachen – Bildschirmarbeit und trockene Luft in der Heizperiode – kommen auch Umweltfaktoren wie Feinstaub- und Ozonbelastung als Gründe für das trockene Auge infrage. Auch Medikamente können ein Dry-Eye-Syndrom auslösen. Das betrifft vor allem Menschen, die orale Kontrazeptiva, Antiandrogene, Beta-Blocker, Antiarrhythmika, Antihistaminika, Benzodiazepine, Antidepressiva, Neuroleptika und Parkinson-Medikamente einnehmen. Krankheiten wie Diabetes mellitus, Neurodermitis und Allergien erhöhen das Risiko für trockene Augen.2 Sehr spät als Auslöser wird das Sjögren-Syndrom (SS) identifiziert. Es handelt sich um eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die vor allem die Tränen- und Speicheldrüsen betrifft und oft zu rheumatischen Beschwerden führt.3
Es gibt allerdings noch einen weiteren Aspekt, der erst vor einigen Jahren genauer erforscht wurde. Nahm man früher an, eine verminderte Produktion von Tränenflüssigkeit oder eine zu schnelle Verdunstung seien die alleinige Ursache, so weiß man heute, dass inflammatorische Prozesse eine zentrale Rolle spielen. Veränderungen des Tränenfilms lösen diese Prozesse aus. Dies führt zu einer Verminderung der Berührungsempfindlichkeit der Augenoberfläche, was wiederum eine geringere Anregung der Tränendrüsensekretion und damit einen Teufelskreis zur Folge hat: Ein Tränenmangel schädigt auf Dauer die Augenoberfläche und unterhält somit die Entzündung, die damit Folge und auch wieder Ursache des Dry-Eye ist.2
Auch das Lebensalter ist entscheidend. Die Produktion von Tränenflüssigkeit nimmt mit den Jahren ab. Bereits ab 40 steigt die Inzidenz für ein trockenes Auge. Außerdem sind Frauen häufiger betroffen als Männer, weil die Produktion des Tränenfilms durch das Hormon Östrogen gestört wird. Ein zusätzliches Risiko ergibt sich, wenn Kontaktlinsen getragen werden. Kontaktlinsen müssen im Tränenfilm „schwimmen“. Die Sauerstoffzufuhr, die Versorgung mit Nährstoffen und das Abführen von Stoffwechselprodukten sollten möglichst wenig behindert werden. Rote Augen oder festsitzende Kontaktlinsen sind ein ernstes Warnzeichen, dass das Auge austrocknet und in weiterer Folge beim Tragen der Linsen auch die Versorgung und der Abtransport nicht mehr funktionieren. Die Zahlen dazu sind alarmierend: rund 50 % der Kontaktlinsenträger entwickeln langfristig ein trockenes Auge. Das gilt besonders für Träger von weichen Linsen.2
Was können Betroffene neben einer augenärztlichen Abklärung nun tun, um trockene Augen zu lindern? Zu aller erst sollte die Luft in Innenräumen immer feucht gehalten werden. Wer viel heizt, sollte regelmäßig lüften. Im Schlafzimmer wird am besten gar nicht geheizt. Aufenthalte im Freien sind ratsam, sofern man in einer Gegend wohnt, die nicht allzu stark mit Feinstaub belastet ist. Damit entgeht man der trockenen Raumluft und fördert die Durchblutung des Auges. Filter von Autoklimaanlagen werden idealerweise oft gewechselt. Raucher sollten sich bewusst sein, dass sie das Risiko für trockene Augen durch Ihr Laster erhöhen. Für Bildschirmarbeit gilt: Wenn möglich, sollte man im Alltag ab und zu ganz bewusst blinzeln, damit die Produktion von Tränenflüssigkeit angeregt wird.
Für die Selbstmedikation stehen einige Optionen zur Verfügung. Als Substanzen zur Tränensubstitution kommen Hyaluronsäure, Polyvinylalkohol, Polyvidon, Carbomere und Dexpanthenol sowie Malvenextrakt zum Einsatz. Weiters vermag der Stoff Perfluorhexyloctan den Lipidfilm der Träne zu stabilisieren. Hier kann zu Präparaten geraten werden, die für eine gleichmäßige Verteilung der Flüssigkeit auf dem Tränenfilm durch eine extrem niedrige Oberflächenspannung sorgen. Auch homöopathische Augentropfen stehen zur Verfügung. Belladonna bewährt sich bei trockenen und entzündeten Augen, Euphrasia bei Reizungen, Lidrandentzündungen und müden Augen. Silbergreiskraut wird bei Bindehautentzündungen verwendet. Bei Brennen und Schmerzen in den Augen gibt es gute Erfahrungen mit Apis mellifica. Bei roten, juckenden Augen kann zu Sabadillsamen geraten werden. Druckgefühl, Brennen und Rötung werden auch durch die Weinraute gelindert. Apropos Rötung der Augen: Diese kann auch bei einem Hallenbadbesuch auftreten, ausgelöst durch Chlor im Wasser in Kombination mit Schweiß und Schmutzpartikeln. Auch hier bewähren sich homöopathische Wirkstoffe, um Reizungen zu lindern.
Literatur:
1 Jaksche A, Universitäts-Augenklinik Bonn
2 Deutscher Berufsverband der Augenärzte
3 Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie