Die Diagnosestellung einer Migräne sollte prinzipiell anhand einer ausführlichen Anamneseerhebung möglich sein.
Obwohl der Kopfschmerz vom Spannungstyp und die Migräne ein jeweils sehr charakteristisches Erscheinungsbild haben, kann es im klinischen Alltag gelegentlich schwierig sein, beide voneinander zu differenzieren. Dies kann mitunter der insuffizienten Beschreibung der Patient:innen geschuldet sein, oft aber auch dem Umstand, dass beide ein zeitliches Kontinuum darstellen können. Hier ist das Führen eines Kopfschmerztagebuches hilfreich.
Den meist pochend-pulsierenden, halbseitigen, eher temporal-frontal lokalisierten Kopfschmerzen mittlerer und starker Intensität, begleitet von Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit, bei der Migräne stehen eher leichtere, drückend-ziehende, meist holokrane bzw. hauben-/reifenförmige Kopfschmerzen ohne wesentliche Begleitsymptome (bis auf diskrete Lärm- oder Lichtempfindlichkeit) beim Kopfschmerz vom Spannungstyp gegenüber. Ein meist sehr verlässliches Unterscheidungskriterium ist die Verstärkung durch körperliche Routinetätigkeiten wie Gehen oder Treppensteigen bei der Migräne. Die Dauer und Frequenz sind ebenfalls recht unterschiedlich. In der Tabelle sind die jeweils charakteristischen Phänotypen dieser zwei primären Kopfschmerzformen gegenübergestellt.
Etwas einfacher von einer Migräne abzugrenzen ist der Clusterkopfschmerz, einerseits anhand seines typischen episodenhaften Verlaufes mit über Wochen und Monate „geclusterten“, oft auch nächtlich auftretenden, deutlich kürzeren (15–180 Minuten) Attacken, andererseits durch die motorische Unruhe (Pacing Around) der Clusterpatient:innen, die in deutlichem Gegensatz zum Ruhebedürfnis bei Migränebetroffenen steht.
Differenzialdiagnostisch erschwerend ist die Beobachtung, dass die für den Clusterkopfschmerz typischen Symptome wie ipsilaterale Lakrimation, konjunktivale Rötung, nasale Kongestion und Rhinorrhö auch bei der Migräne auftreten können, und umgekehrt der Clusterkopfschmerz von migränetypischen vegetativen Symptomen wie Übelkeit und Erbrechen begleitet sein kann.
Die Symptomatik der Migräneaura ist durch die langsame Entwicklung und räumliche Ausbreitung von der plötzlich und meist voll ausgeprägten Symptomatik im Rahmen einer zerebrovaskulären Durchblutungsstörung/TIA abzugrenzen. Im Zweifelsfall sollte eine rasche zerebrale Bildgebung erfolgen.
Bei der chronischen Migräne (> 15 KS-Tage pro Monat, wovon 8 Tage die klassischen Migränekriterien erfüllen müssen) ist es wichtig, einen oft zusätzlich vorliegenden Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch (Medication Overuse Headache, MOH) zu detektieren. Dies ist durch die alleinige Frage nach den monatlichen Tagen mit Schmerzmittel- bzw. Triptaneinnahme möglich (seit > 3 Monaten jeweils ≥ 15 Tage/Monat bei Analgetika; jeweils ≥ 10 Tage/Monat bei Triptanen, Opioiden, Ergotaminen, Kombinationspräparaten bzw. verschiedenen Substanzklassen).
Andere primäre Kopfschmerzformen könnten gelegentlich mit einer Migräne verwechselt werden: Beim primär stechenden Kopfschmerz kommt es zu rezidivierenden, an unterschiedlichen Stellen auftretenden einzelnen Stichen, beim Kopfschmerz bei sexueller Aktivität oder beim primären Anstrengungskopfschmerz ist der klare Zusammenhang zum jeweiligen Auslöser das hauptsächliche Unterscheidungskriterium. Auch der schlafgebundene Kopfschmerz ist durch die obligate Assoziation zum Schlaf und das deutlich ältere Erkrankungsalter von der Migräne abzugrenzen. Positionsabhängigkeit der Kopfschmerzen kann auf ein Liquorunterdrucksyndrom (Entstehung oder Verstärkung in aufrechter Position) oder auf eine intrakranielle Drucksteigerung (Verstärkung im Liegen) hinweisen. Beim posttraumatischen Kopfschmerz wird ein Migräne-Phänotyp beschrieben, hier besteht aber ein klarer Zusammenhang zu einem Trauma des Schädels und/oder der HWS.