Bislang existierten nur wenige Studien zur klinischen Unterscheidung einer Erkältung/eines grippalen Infekts und der Influenza. Noch weniger Forschung gab es zur Wahrnehmung der Unterschiede in der Allgemeinbevölkerung. In einer länderübergreifenden Arbeit mit österreichischer Beteiligung wurde bei Erwachsenen das Verständnis der Pathogenese überprüft, um daraus sowohl Präventionsempfehlungen als auch therapeutische Ratschläge ableiten zu können.
Für die Studie wurden 15- bis 45-minütige Interviews mit 85 Personen aus Österreich, Belgien (Region Flandern) und Kroatien (Stadt Zagreb) durchgeführt. Die Teilnehmer aus Österreich stammten aus urbanen und suburbanen Gebieten im Osten des Landes. Die befragten Personen waren zwischen 18 und 83 Jahre alt.
Als klassische Symptome im Rahmen einer Erkältung wurden Schnupfen, eine verstopfte Nase, Niesen, Husten und Halsschmerzen genannt. Seltener nannten die Befragten auch Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit sowie Schwächegefühle und körperliche Schmerzen. Insgesamt beschrieb die Mehrzahl der Teilnehmer Erkältungssymptome als harmlos oder mild. In Österreich gaben einige Befragte an, kein Fieber, leichtes Fieber oder ein fieberartiges Gefühl bei einer Erkältung zu haben. Hier zeigten sich Unterschiede zu Belgien und Kroatien, wo die Mehrzahl der Teilnehmer Fieber gar nicht mit einer Erkältung in Verbindung brachte.
Die Schwere der Symptome und der individuelle Gesundheitszustand spielen in den Augen der meisten Befragten die Hauptrolle für die Frage, ob die Behandlung eines grippalen Infekts notwendig ist. Gelegentlich gaben die Teilnehmer an, bei einer Erkältung mehr Ruhephasen zu benötigen und sich schwerer konzentrieren zu können als in gesundem Zustand. Viele Teilnehmer berichteten, dass die Beschwerden bei Erkältungen in einer bestimmten Reihenfolge ablaufen. Beispiele dafür sind Halsschmerz als erstes Symptom oder eine verstopfte Nase, die einen grippalen Infekt ankündigt. Bei manchen der interviewten Personen beginnt die Erkältung mit Müdigkeit, erhöhtem Schlafbedarf, Schwindel oder Heiserkeit.
Die Dauer eines grippalen Infekts wurde von „einigen Tagen“ bis hin zu „rund einer Woche“ angegeben. Unterschiedliche Angaben gab es hingegen zur Influenza. Der geschätzte Zeitraum bis zur Genesung wurde teilweise mit „zwei bis drei Wochen“ angegeben. Einige Studienteilnehmer beschrieben den Ablauf allerdings mit einigen (wenigen) Tagen Bettruhe, viel Schwitzen und anschließender Genesung nach Trinken von ausreichend heißem Tee.
Für beide Erkrankungen werden saisonale Aspekte als Hauptgründe beschrieben: niedrigere Temperaturen, windiges Wetter, Jahreszeitenwechsel und feucht-kühles Wetter. Als Auslöser einer Erkältung wurden zudem oft kalte Füße, unpassende Bekleidung und kalte Getränke genannt.
In den durchgeführten Interviews wurden drei in der Bevölkerung wahrgenommene Unterschiede zwischen einer Grippe und einem grippalen Infekt ermittelt:
Insgesamt lässt ein Resultat aus der Studie aufhorchen, wonach nur rund die Hälfte der interviewten Personen Grippe und grippalen Infekt klar separiert. Zum Eintritt der Influenza gibt es hingegen ein klares Bild: Die meisten Befragten nehmen an, dass der Beginn abrupt ist. Aufklärungsbedarf zeigen Aussagen, in denen eine Influenza als eine Form der schweren Erkältung bezeichnet wird. Diesbezüglich wurden öfter Verbindungen zu Krankheiten wie Angina und Rhinosinusitis gemacht, eine Differenzierung unterblieb jedoch.
Eine häufige Einschätzung in den Interviews war ein möglicher Shift von einer Erkältung zu Influenza. Die echte Grippe wird oftmals als Progression einer Erkältung beschrieben. Aus den Interviews ging auch hervor, dass die Gefahr einer Influenza nicht unterschätzt wird. Die meisten Personen gaben an, bei Verdacht auf eine echte Grippe einen Arzt aufsuchen zu wollen. Auch die Möglichkeit einer tödlichen Grippe, vor allem bei älteren Menschen, wird erwähnt. Wenig ausgeprägt ist das Wissen um Zusammenhänge zwischen den beiden Erkrankungen und Viren/Bakterien. Nur wenige Teilnehmer sagten, dass eine Influenza nicht mit Antibiotika behandelt werden kann, weil sie viral bedingt ist. Einige Teilnehmer sehen in Viren und Bakterien zwar die Ursache von grippalen Infekten und Influenza, konnten aber keine Unterscheidung hinsichtlich der Auslöser machen. Ein Bezug zu unterschiedlichen viralen Pathogenen (Rhinovirus, Adenovirus, Parainfluenzavirus et cetera) war kaum möglich.
Nur 6 % der Studienteilnehmer waren gegen Influenza geimpft. Die Studienautoren sehen Wissenslücken, die auch aus dieser Publikation hervorgingen, als wesentliche Ursache. Sie gehen davon aus, dass Aufklärung die Impfraten verbessern könnte. Interventionen zur Verbesserung der Health Literacy könnten durch Vermittlung der Unterschiede zwischen grippalem Infekt und Grippe als wichtigste Maßnahme erfolgen. Auch das korrekte Wording wird von den Autoren als wichtiger Faktor gesehen. Insgesamt wäre es wichtig, vor allem bei den Missverständnissen anzusetzen, die auch im Rahmen dieser Studie offensichtlich geworden sind.
Resultate der Studie auf einen Blick
Literatur:
Mayrhuber EA, Peersman W, van de Kraats N et al., „With fever it’s the real flu I would say“: laypersons’ perception of common cold and influenza and their differences – a qualitative study in Austria, Belgium and Croatia. BMC Infectious Diseases 2018; 18:647