Psyche und Darm beeinflussen sich wechselseitig, da Gehirn und Darmmikrobiota bidirektional kommunizieren. Vom Darm zum Gehirn funktioniert dies über das Nervensystem (in erster Linie über den Vagusnerv) und die Blutzirkulation. Letzteres geschieht über Neurotransmitter und Entzündungsparameter. Vom Gehirn zum Darm verläuft die Kommunikation direkt und indirekt. Das autonome Nervensystem spielt dabei ebenso eine Rolle wie das endokrine System. Auch die Auswahl der Nahrung hat einen wesentlichen Einfluss. Insgesamt verfügt der Darm über ein enormes neuronales Netzwerk mit Millionen von Neuronen, was eine ausgeprägte Interkonnektivität ermöglicht.
Stress in Form von Disstress beeinflusst die Zusammensetzung der Darmmikrobiota. Autonome und zirkulatorische Systeme bringen Disstress-Signale gewissermaßen „zum“ Darm. Es kommt daraufhin zu Verschiebungen des bakteriellen Gleichgewichts in verschiedenen Regionen und Habitaten. Profiteure sind vor allem pathogene Keime, während die Zahl der gesundheitsfördernden Bakterien sinkt.2 Dies könnte auch erklären, weshalb Personen mit stressassoziierten Zuständen wie Depression und Angststörung eine veränderte Darmmikrobiota im Vergleich zu gesunden Menschen aufweisen. In Humanstudien konnte etwa gezeigt werden, dass bei depressiven Menschen Keime wie Proteobacterium phylum und Eggerthella genus in erhöhtem Maße auftreten – diese Bakterien werden in der Literatur mit einem schlechten gesundheitlichen Zustand in Verbindung gebracht.3
Stress kann auch die Permeabilität der Darmbarriere erhöhen und ein Leaky-Gut-Syndrom begünstigen. In der Folge gelangen Bakterien in die Zirkulation und lösen eine inflammatorische Antwort aus.2
Rund 90 % des Vagusnervs bestehen aus aufsteigenden Fasern, welche die Signale vom Darm ins Gehirn übermitteln. Dies zeigt die enorme Bedeutung der Darmgesundheit für die geistige Verfassung. Die vom Nervus vagus übertragenen Informationen reichen vom Nahrungsinhalt bis hin zu bakteriellen Produkten. Zielregionen im Gehirn sind Hirnstamm und Hypothalamus. Sie sind Teil der kortikotropen Achse und damit auch der Stressantwort. Abgesehen vom Vagusnerv beeinflussen zahlreiche Hormone, die vom Gastrointestinaltrakt freigesetzt werden, das geistige Wohlbefinden. Die Zusammensetzung der Darmbakterien hat dabei einen wesentlichen Einfluss.4
Die Auswirkungen von Probiotika sind in den vergangenen Jahren auch in der neurowissenschaftlichen Forschung in den Vordergrund gerückt. Beim Reizdarmsyndrom konnte bereits gezeigt werden, dass antiinflammatorische Bakterienstämme den Darm dabei unterstützen, stressbedingte Störungen besser zu regulieren. Auch die Barrierefunktion der Darmschleimhaut konnte gesteigert werden. Aus Tierstudien ist zudem dokumentiert, dass sich symbiotische Darmbakterien positiv auf die bakterielle Translokation und auf kognitive Funktionen auswirken.1
Nicht unterschätzt werden darf auch die Rolle der Ernährung. Eine gesunde ausgewogene Kost unterstützt die reibungslose Funktion der Darm-Hirn-Achse. Die durch reichliche Ballaststoffzufuhr gebildeten kurzkettigen Fettsäuren sind nicht nur ein Substrat für erwünschte Darmbakterien, sie haben in Studien auch Potenzial in der Stärkung der Darmbarriere gezeigt. Damit wurden Prozesse chronischer Inflammation, die sich wiederum auf Vorgänge im Gehirn auswirken, unterbunden. Am Mausmodell konnte gezeigt werden, dass sich damit Angststörungen verringern lassen.5
Die frühe Prägung der Darm-Hirn-Achse
Die Bedeutung der Achse Darm-Hirn für die Stressantwort wurde in den vergangenen Jahren zunehmend in Forschungsarbeiten dokumentiert. Eine wesentliche Rolle dürfte dabei auch die frühe mikrobielle Zusammensetzung der Darmmikrobiota sein, wie präklinische Studien zeigen. Sowohl Kaiserschnittgeburten, frühe Stressexposition, Antibiotikaeinnahme im Babyalter und ein Verzicht oder die Unmöglichkeit des Stillens beeinflussen die Darmflora auf eine Weise, die Langzeitmodulationen von stressbezogenem Verhalten bewirkt. Auch langfristig negative Auswirkungen auf die Physiologie in Stressphasen werden in der Wissenschaft diskutiert.
Quelle: Foster JA, Rinaman L, Cryan JF, Stress & the gut-brain axis: Regulation by the microbiome. Neurobiol Stress. 2017 Mar 19; 7:124–136
Literatur: