Dass eine funktionierende – oder eben gestörte – Verdauung eine zentrale Rolle im Leben der meisten Menschen spielt, findet sich auch in unserer Sprache wieder. So sind Redewendungen wie „Das schlägt mir auf den Magen“, „Alles in sich hineinfressen“ und „Das liegt mir im Magen“ sehr häufig in unserem Alltag zu finden. Erkennen lässt sich jedenfalls, dass Verdauungsstörungen und die Psyche offensichtlich zusammenhängen. An der Tara sind es die Kunden die „etwas gegen Bauchweh“ verlangen, die uns manchmal am längsten beschäftigen. Denn hinter „Bauchweh“ können vielfältige Ursachen stehen, wodurch das Beratungsgespräch zusätzlich an Bedeutung gewinnt.
Schmerzen im Oberbauch können sich auf unterschiedliche Art und Weise äußern und reichen von Völlegefühl nach dem Essen, Blähungen, frühzeitigem Sättigungsgefühl, Aufstoßen, bis hin zu Übelkeit, Schmerzen in der Magengegend und Sodbrennen. Anhand dieser Aufzählung lässt sich rasch erkennen, dass es sich um keine einheitliche, klar definierte Symptomatik handelt. Zusammengefasst werden diese Symptome unter dem Begriff funktionelle Dyspepsie, sofern keine organischen Ursachen festgestellt werden können. Als organische Ursachen für Dyspepsie hingegen gelten unter anderem GERD (gastroösophageale Refluxkrankheit), Gastritis, Ulzera, Tumoren und Zwerchfellbruch. Im Fall der funktionellen Dyspepsie, auch als Reizmagen bzw. Reizdarm bezeichnet, geht man von Motilitätsstörungen des Magens und des Darms aus. Die Ursachen sind weitgehend unbekannt; schnelles, hastiges Essen, üppige, schwere Mahlzeiten, Alkoholkonsum und Stress gelten unter anderem als Auslöser bzw. verschlechtern die Symptomatik.
Wiederkehrende und länger anhaltende Beschwerden, besonders bei zunehmender Intensität, müssen unbedingt ärztlich abgeklärt werden um etwaige organische Ursachen und andere Erkrankungen auszuschließen.
Ein weiterer Auslöser der oben genannten Beschwerden kann eine Infektion mit dem Bakterium Helicobacter pylori sein. Der gramnegative Bakterienstamm kommt in der Hälfte aller Menschen vor, wobei hier Menschen in Entwicklungsländern weitaus stärker betroffen sind als jene der westlichen Länder. Helicobacter pylori wandelt Harnstoff in Ammoniak um und ist somit im sauren Magenmilieu überlebensfähig. Eine Infektion mit Helicobacter pylori gilt als Auslöser für Gastritis, Ulzera und Magenkarzinome. Nur mithilfe einer antibiotischen Therapie* kann der Erreger dauerhaft entfernt werden. Problematisch sind hier allerdings zunehmende Resistenzen, vor allem gegen Metronidazol und Clarithromycin, weshalb die vollständige Eradikation nach erfolgter Antibiotikatherapie unbedingt überprüft werden sollte! Besonders wichtig ist neben der Therapieerfolgskontrolle natürlich die Adhärenz des Patienten, denn vor allem Clarithromycin, als CYP3A4-Hemmer, ist für zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln verantwortlich und auch die Nebenwirkungen bei einer mehrfachen antibiotischen Therapie sind vielfältig (Kopfschmerzen, Durchfälle, Pilzinfektionen, gastrointestinale Störungen, Hautausschläge …).
Geschichtliches
Geht man nach der mittelalterlichen Physiologie, agiert der Magen wie ein Kochtopf in dem, durch die Hitze von Leber und Herzen, die Nahrung zu einem bierähnlichen Saft verdaut wurde. Diese Theorie und die Lehre der Körpersäfte, und damit auch der Verdauungssäfte, gehen auf die antike Humoralpathologie zurück.
Durch die recht uneinheitliche Symptomatik der funktionellen Dyspepsie ist die Auswahl des passenden Wirkstoffs nicht immer einfach. Neben der nichtmedikamentösen Therapie, die aus Ernährungsberatung, Stressmanagement und Entspannungstechniken besteht, kommen auch zahlreiche Arzneimittel zum Einsatz. Prokinetika, wie Metoclopramid und Domperidon, beschleunigen die Magenpassage und verbessern die Peristaltik, wodurch sich Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen bessern. Bei saurem Aufstoßen und Brennen im Magen werden mitunter Protonenpumpenhemmer und H2-Blocker verordnet. PPI wie Pantoprazol hemmen die H+/K+-ATPase in den Belegzellen der Magenschleimhaut. Die Wirkung tritt allerdings erst nach mehrtägiger Einnahme ein, wodurch PPI keine sofortige Linderung der Beschwerden nach der ersten Einnahme bringen! H2-Blocker hemmen die Ausschüttung der Magensäure und Pepsin. Die Wirkung tritt hier wesentlich rascher ein als bei den vergleichbaren PPI, nämlich circa eine Stunde nach Einnahme. Ebenfalls eingesetzt werden Antazida wie Sucralfat, Carbonate, Hydrotalcit, Alginat etc. Diese wirken sofort, dafür allerdings vergleichsweise kurz, indem sie die überschüssige Magensäure binden und damit neutralisieren. Bei der gleichzeitigen Einnahme von Antazida und anderen Arzneimitteln sollte unbedingt ein Abstand von mindestens zwei Stunden eingehalten werden, um etwaige Wechselwirkungen zu vermeiden. Gegen krampfartige Beschwerden wird das Spasmolytikum Hyoscin-N-Butylbromid (Scopolaminbutylbromid) eingesetzt, welches u. a. auf die glatte Muskulatur im Verdauungstrakt wirkt. Aufgrund seiner Struktur ist es jedoch nicht ZNS-gängig, wodurch systemische und zentrale anticholinerge Nebenwirkungen selten sind.
Neben den synthetischen Wirkstoffen gibt es natürlich auch einige Phytopharmaka, deren Wirkung sich bereits über Jahrhunderte hinweg und ebenso in aktuellerer Forschung bewährt hat. Allen voran natürlich das prokinetisch wirkende Pfefferminzöl, das zusätzlich entblähend, krampflösend, schmerzstillend und verdauungsfördernd wirkt. Als wirksame Komponenten gelten v. a. das enthaltende Menthol, Menthon, Menthofuran und Menthylacetat. Pfefferminzöl ist auch über einen längeren Zeitraum hindurch angewendet gut verträglich. Gerne wird dieses auch mit Kümmelöl kombiniert, da sich die Wirkung optimal ergänzt. Die Bittere Schleifenblume (Iberis amara) enthält u. a. Triterpene, Flavonoide und Glucosinolate, welche für die spasmolytische sowie verdauungsfördernde und cholekinetische Wirkung verantwortlich sind. Neben Pfefferminze, Kümmel und Bitterer Schleifenblume gehören natürlich auch Kamillenblüten, Süßholzwurzel, Mariendistelfrüchte, Melissenblätter und Angelikawurzel zu den Pflanzen erster Wahl bei der Behandlung von dyspeptischen Beschwerden. Bei der Anwendung von Schöllkraut, das entzündungshemmende, beruhigende, choleretische und schmerzlindernde Wirkungen aufweist, sollten bei längerfristiger Anwendung (mehr als einen Monat) die Leberwerte sicherheitshalber überprüft werden.