Apotheker Krone: Sie sind Mitglied des Health-For-Future-Netzwerks Österreich. Welche Anliegen vertritt diese Gruppierung?
Dr. in Johanna Schauer-Berg: Wir wollen eine fixe Verankerung der Thematik Planetary Health (d. h. wie menschlich verursachte Veränderungen der Umweltbedingungen die Gesundheit beeinflussen) in der Ausbildung von Gesundheitsberufen. Das Gesundheitssystem soll klimaneutral werden. Weiters ist es wichtig, dass wir das System anpassen, beispielsweise an Hitzewellen. Klimaschutzmaßnahmen sind auch Gesundheitsschutzmaßnahmen, das muss noch mehr ins Bewusstsein rücken.
Findet die Thematik bereits in Leitlinien Berücksichtigung?
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) hat eine Handlungsempfehlung zur klimabewussten Verordnung von inhalativen Arzneimitteln verfasst. Die Auswirkungen von Dosieraerosolen (DA) sind nämlich gut erforscht. Früher wurden dafür Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) als Treibmittel eingesetzt. Nach dem weitgehenden Verbot dieser Stoffe aufgrund der schädigenden Auswirkungen auf die Ozonschicht wurden sie in Dosieraerosolen ab 1989 durch Hydrofluoroalkane ersetzt. Diese sind aber starke Treibhausgase. Als Alternative könnten klimaschonendere Trockenpulverinhalatoren (DPI) verschrieben werden.
Sie sprachen zuvor von Anpassungen an Hitzewellen. Um welche Punkte geht es hier konkret?
Manche Medikamente beeinflussen beispielsweise die Thermoregulation. In Phasen großer Hitze ist es daher wichtig, dass abgesprochen wird, welche Medikamente man weiterhin und in welcher Dosierung nehmen soll. Berücksichtigen muss man auch, dass bei manchen Arzneimitteln als Teil des Wirkmechanismus das Schwitzen beeinflusst wird. Das kann sich in einer Hitzewelle kritisch auswirken. Und es geht auch um die Lagerung von Medikamenten. Nicht jeder Wirkstoff bleibt bei steigenden Temperaturen und erhöhter Luftfeuchtigkeit stabil, teilweise nimmt die Wirkkapazität ab.
Welche Rolle spielen psychische Belastungen? Im angloamerikanischen Raum wurde ja bereits das Phänomen der „Climate Anxiety“ definiert.
Die Auswirkungen der Klimakrise sorgen vermehrt für große psychische Belastungen, denken wir etwa an die letzten Flutkatastrophen. Beim Begriff „Climate Anxiety“ ist es wichtig, dazuzusagen, dass diese nicht als pathologisch eingestuft werden darf, da ja reale Veränderungen auf uns zukommen und wir uns anpassen müssen.
Welche Möglichkeiten gibt es, beim Lebensstil anzusetzen?
Krankheiten wie Adipositas und Diabetes Typ 2 sind in vielen Fällenlebensstilbedingt. Wenn es gelingt, Überkonsum zu reduzieren, helfen wir dem Klima und gleichzeitig auch der Gesundheit. Oder betrachten wir das Thema Fleischverzehr: Eine Reduktion könnte wesentlich zum Einsparen von CO2 beitragen. Daten zeigen, dass eine Umstellung von nur 3 % der täglichen Kalorien aus rotem Fleisch auf pflanzliches Protein die Gesamtmortalität um 12 % reduzieren könnte. Bei verarbeitetem roten Fleisch (beispielsweise Wurst) ist der Effekt mit 34 % noch größer. Man sieht also, dass sich kleine Veränderungen nicht nur für die Klimabilanz, sondern besonders für die Gesundheit positiv auswirken.
Und was sagt man all jenen, die das Wort „Verzicht“ nicht gerne hören?
Die Botschaft muss lauten: Eine Zunahme an gesunden Lebensjahren ist kein Verzicht. Im Gegenteil, man gewinnt etwas durch klimagerechtes Verhalten!
Haben Sie noch eine abschließende Botschaft?
Wir Menschen sind Teil eines komplexen Systems. Wenn der Klimawandel so voranschreitet, kommt es beispielsweise auch zu einem enormen Verlust an Biodiversität. Das wiederum führt zu einer größeren Wahrscheinlichkeit für weitere Pandemien. Gesundheit braucht also Klimaschutz.