Apotheker Krone: Die Pharmaindustrie und der Großhandel arbeiten derzeit an der Umsetzung der Fälschungsrichtlinie der EU. Was enthält diese genau, und wie betrifft sie auch die Apotheken?
Christa Wirthumer-Hoche: Die Arzneimittelfälschungsrichtlinie soll verhindern, dass gefälschte Arzneimittel in die legale Lieferkette eindringen können. Mit Februar 2019 müssen rezeptpflichtige Humanarzneimittel mit einem Sicherheitsmerkmal und einem zusätzlichen Manipulationsschutz versehen werden, um die Echtheit zu garantieren. Die delegierte Verordnung ist von der EU finalisiert, und es ist nun Aufgabe der Industrie ein geeignetes System zu finden. Es wird ein europäisches System zur Arzneimittelserialisierung geben, mit dem die nationalen Arzneimittel-Verifikationssysteme verbunden werden. Eine Übergangsfrist bis Februar 2019 klingt noch lang, es ist aber auch noch viel zu tun.
Von welchen Sicherheitsmerkmale reden wir hier, und wie soll die Überprüfung in den Apotheken funktionieren?
Wirthumer-Hoche: Wir reden von einem zweidimensionalen Code auf jedem rezeptpflichtigen Arzneimittel, der die Chargennummer und Verfalldatum enthält, und von einem Manipulationsschutz, der garantiert, dass die Packung noch nicht geöffnet wurde. In der Apotheke wird jede Packung überprüft. Wenn ein Apotheker eine Packung über den Scanner zieht, und es sich gegebenenfalls um eine Fälschung handelt, müssen alle Alarmglocken läuten. Das Prinzip funktioniert folgendermaßen: der pharmazeutische Hersteller scannt die Seriennummer ins System und bei der Abgabe des Arzneimittels an den Patienten wird das Produkt überprüft und die Seriennummer deaktiviert. Zusätzlich findet eine risikobasierte Überprüfung beim Großhandel statt.
Welche Produkte sind genau erfasst, und was wird die Umstellung kosten?
Wirthumer-Hoche: Zahlen diesbezüglich kann nur die Industrie geben, da sie diese Aufgabe umsetzen müssen. Es ist im Interesse der Industrie, dass ihre Originalprodukte entsprechend kontrolliert werden und keine Fälschungen in der legalen Vertriebskette auf den Markt kommen. Betroffen davon sind rezeptpflichtige Humanprodukte. Es gibt Ausnahmen von dieser Regel, einerseits die sogenannte White-Liste für rezeptpflichtige Produkte, bei denen eine Fälschung sehr unwahrscheinlich ist. Diese unterliegen nicht der Kontrolle. Das sind zum Beispiel Homöopathika, medizinische Gase und bestimmte Röntgenkontrastmittel. Umgekehrt gibt es auch eine sogenannte Black-List für rezeptfreie Arzneimittel. Dabei handelt es sich um Wirkstoffe, bei denen Fälschungen aufgetreten sind, wie bei Omeprazol. Betonen möchte ich nochmals, dass es sich hier ausschließlich um die legale Vertriebskette handelt. Das Packerl, das im nicht geregelten Bereich des Internets verkauft wird, ist davon nicht erfasst. Bezüglich Internetverkauf gibt es ja die Regelung, dass Arzneimittel nur über registrierte Internetapotheken verkauft werden dürfen.
Sie sind seit März für drei Jahre neue Vorsitzende des Management Board der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Nach der Brexit-Abstimmung in Großbritannien wird spekuliert, wohin der Sitz der EMA bei einem EU-Ausstieg der Briten wandert. Industrie und Wirtschaftskammern hoffen auf Wien. Welche Chancen sehen Sie hier?
Wirthumer-Hoche: Natürlich wird dieses Thema heftig diskutiert, und nahezu alle EU-Mitgliedsländer haben hier bereits Interesse bekundet der EMA neue Heimat zu geben. Am Ende werden diese Frage die Regierungschefs der EU-Staaten entscheiden, ein Zeitpunkt diesbezüglich ist noch nicht bekannt.
Es wäre aber unlogisch, wenn die EMA in London bliebe.
Wirthumer-Hoche: Es kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Sitz der EMA verlegt wird.
Wie groß ist die EMA, und was macht sie eigentlich?
Wirthumer-Hoche: Die EMA soll den Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier in Europa sicherstellen und ist für die Beurteilung und Überwachung von Arzneimitteln zuständig. Sie spielt eine zentrale Rolle in der Arzneimittelzulassung in der Europäischen Union. Auf der Basis ihrer wissenschaftlichen Beurteilung erteilt die Europäische Kommission einen zustimmenden oder abschlägigen Bescheid auf die von Arzneimittelherstellern gestellten Zulassungsanträge. Die EMA ist eine Agentur mit rund 800 Beschäftigten. Ob im Fall einer Absiedlung alle mitgehen, oder einige mit ihren Familien in London bleiben, kann man derzeit nicht sagen. Welche weiteren Veränderungen es in London im Zusammenhang mit Niederlassungen von Pharmaunternehmen in London gibt, weil die EMA dort ist beziehungsweise war, wird man sehen.