Kürzlich war diese Meldung in Medien zu hören: „Neues Medikament ermöglicht Überleben mit Metastasen bei Dickdarmkrebs.“
Diese Entwicklungen sind großartig, aber diese therapeutischen Möglichkeiten bedeuten eingeschränkte Lebensqualität, Nebenwirkungen, Termine zu Therapien im Krankenhaus oder in der Ordination, und die Lebenserwartung sinkt jedenfalls. Auch die psychische Belastung der Erkrankung ist hoch. Stattdessen wäre es besser, die Chance einer Vorsorgekoloskopie zu nutzen. Das Angebot besteht in Österreich seit vielen Jahren und wird derzeit ab dem 50. Lebensjahr empfohlen. Im Gegensatz zum Brustkrebsvorsorgeprogramm gibt es aber kein Einladungssystem, das an diese Untersuchung erinnert.
In Vorarlberg hat es in den letzten 15 Jahren ein Vorsorgekoloskopie-Projekt gegeben, gemeinsam mit der Ärztekammer, der Gebietskrankenkasse und dem Land Vorarlberg, mit dem Ziel, der über 50-jährigen Bevölkerung (ca. 122.000 Personen) eine Koloskopie anzubieten, um die Erkrankungsrate drastisch zu senken, damit Leid bei den Betroffenen zu verhindern und natürlich auch die Kosten der Therapie der Erkrankung möglichst gering zu halten. Diese Möglichkeit der Vorsorgeuntersuchung haben 43 % der Bevölkerung genutzt, bei fast 1.000 Patient:innen konnte damit eine Krebserkrankung verhindert werden. Da sich die meisten Fälle von Darmkrebs aus initial benignen Polypen in der Regel über mehrere Jahre hinweg über die so genannte Adenom-Karzinom-Sequenz oder den serratierten Karzinogeneseweg entwickeln, stellt das Kolorektalkarzinom ein attraktives Ziel für Früherkennung und Prävention im Rahmen eines Vorsorgeprogramms dar. Durch das Entfernen von Polypen kann die Adenom-Karzinom-Sequenz, also die Entwicklung von Dickdarmkrebs aus Adenomen, durchbrochen werden.
Erfreulicherweise ging die altersstandardisierte Neuerkrankungsrate in den letzten 10 Jahren für beide Geschlechter um fast 20 % zurück. Die Mortalität nahm sogar um rund 30 % ab.
In den vergangenen Jahren hat das Gesundheitsministerium gemeinsam mit den Sozialversicherungen an der Entwicklung eines neuen Vorsorgekoloskopie-Programms gearbeitet, die neuen Erkenntnisse der Wissenschaft wurden eingearbeitet. Es ist heute Ziel, den ÖGK-Versicherten ab dem 45. Lebensjahr eine Vorsorgekoloskopie anzubieten. Menschen, die aufgrund der Familiengeschichte bzw. aufgrund anderer Erkrankungen ein erhöhtes Risiko haben, sollen die Untersuchung natürlich auch früher machen können. Insbesondere bei Männern wissen wir heute, dass sie in jüngeren Jahren schon ein erhöhtes Risiko haben – dies fußt oft auf der Lebensweise.
So wie beim Brustkrebsvorsorgeprogramm soll die über 45-jährige Bevölkerung schrittweise eingeladen werden. Natürlich ist es notwendig, die Anzahl der zur Verfügung stehenden Untersuchungsmöglichkeiten nicht zu überfordern, auch hier wird sich die ÖGK bemühen, das Angebot gemeinsam mit der Ärzteschaft weiterzuentwickeln.
Obwohl es in den letzten Jahren zu einer Zunahme der Akzeptanz der Koloskopie gekommen ist, ist diese Untersuchung bei vielen Menschen nach wie vor mit Gefühlen wie Angst, Schmerzen, Unbehagen und Ekel vor der Darmvorbereitung verbunden. Die Präparate, die zur Reinigung und Vorbereitung des Darmes eingenommen werden müssen, sind heutzutage schon gut verträglich. Seit Jahren wird von der ÖGGH die sogenannte „sanfte Koloskopie“ propagiert. Dabei wird die Untersuchung in Sedoanalgesie („Dämmerschlaf“) durchgeführt, daher sind diese Sorgen heute nicht mehr berechtigt.
Eine weitere Möglichkeit der Untersuchung, ob Dickdarmkrebs vorliegt oder nicht, ist der sogenannte FIT-Test, der auf immunologischer Basis untersucht, ob möglicherweise ein Polyp oder Tumor im Darm blutet. Allerdings eignet sich dieser Test besser zur Früherkennung von Dickdarmkrebs als zur wirklichen Vorsorge, also dem Entfernen von Vorstufen des Darmkrebses, den sogenannten Adenomen. Bei einem positiven FIT-Test ist jedenfalls eine zeitnahe endoskopische Abklärung innerhalb von 3 bis 6 Wochen notwendig. Auch das FIT-Angebot soll österreichweit breiter ergänzend angeboten werden. Während bei einer unauffälligen Erstuntersuchung die Vorsorgekoloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden sollte, sollte der FIT-Test nach 2 Jahren erneut durchgeführt werden.
Der ÖGK und der ÖGGH ist es ein vordringliches Anliegen, dass die Vorsorgekoloskopie NEU möglichst rasch der Bevölkerung angeboten wird. Dafür werden derzeit die notwendigen Abstimmungen durchgeführt, dass dieses Programm auf den Weg gebracht werden kann. Besonders wichtig ist, dass seitens der Bevölkerung die Angebote genutzt werden. Diese Angebote werden üblicherweise in Österreich nur mäßig genutzt, und daher sollten diejenigen, welche die Vorteile der Vorsorgeuntersuchung erkannt haben, bei der Familie und im Umfeld „Werbung“ dafür machen. Bei Sorgen über die Untersuchung sollen Menschen das Gespräch mit ihren Hausärzt:innen suchen. Natürlich ist auch der FIT-Test eine mögliche einfache Alternative, die jedoch öfter zur Anwendung kommen muss. Das Vorsorgekoloskopie-Programm sollte mit Pilotprojekten in Österreich gestartet werden.
Die Darmspiegelung hat wie kaum eine andere Untersuchung das Potenzial, nicht nur zu diagnostizieren, sondern auch zu therapieren, also die Läsionen zu entfernen. Eines der wesentlichen Ziele muss es sein, die Untersuchung entsprechend den internationalen Qualitätsstandards durchzuführen, das bedeutet, dass wir eine verpflichtende Qualitätskontrolle benötigen. Vorbereitungsqualität, Vollständigkeit der Untersuchung, Adenom-Entdeckungsraten, Abtragungstechnik der Polypen sind einige der wesentlichen Qualitätsparameter, die im Rahmen des Vorsorgeprogramms NEU lückenlos zu dokumentieren sind. Qualitätsgesicherte Vorsorgekoloskopie kann, wenn sie denn auch durchgeführt wird, sowohl die Inzidenz von Dickdarmkrebs als auch die Sterblichkeit erheblich reduzieren.