Die Schlafqualität hängt von einer Reihe unterschiedlicher Faktoren ab. Dazu zählen externe Faktoren wie die Temperatur im Schlafraum, Lärm, Licht, die abendliche Nahrungsaufnahme, Alkohol, Arzneimitteleinnahme und der Grad der körperlichen Erschöpfung. Ebenso wichtig sind interne bzw. psychologische Einflüsse wie Schmerzen, depressive Verstimmungen, Ängste und Sorgen sowie soziale Faktoren (z. B. allein nicht gut einzuschlafen). Stress und psychische Störungen sind bei der Entstehung von Schlafstörungen ursächlich beteiligt, wie viele Studien zeigen. Menschen mit hoher Stresswahrnehmung haben demnach eine kürzere Gesamtschlafzeit, eine schlechtere Schlafqualität und eine größere Schläfrigkeit während des Tages. Zudem haben Personen mit schlechter Schlafqualität eine höhere Stress-Sensitivität, und es existieren auch Hinweise, dass sie eine erhöhte Kortisol-Stressreaktivität aufweisen.1 Zwischen Stress und Schlaf bestehen somit Zusammenhänge in beide Richtungen.
Doch was genau geschieht eigentlich bei stressinduzierter Schlafstörung, welche physiologischen Vorgänge laufen ab? Psychologischer Stress hat sich in Experimenten als beeinträchtigend auf die REM-Phasen und auf den Tiefschlaf (Slow Wave Sleep, SWS) erwiesen.2 In die Beziehung zwischen Stress und Schlaf ist die HHN-Achse (Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinde) involviert. Schlafentzug und Schlafstörungen führen zu einer Aktivierung der Achse und zu maladaptiven Veränderungen, die zu neuroendokriner Dysfunktion führen.3 Dauerstress kann in einer chronischen Hyperaktivierung der Achse resultieren. Vor dem Hintergrund, dass die sekretorische Aktivität der HHN-Achse einem 24-Stunden-Zyklus folgt, wird deutlich, wie sehr Stress auf diese Weise den Schlaf-wach-Zyklus beeinflusst.3 Häufig wird eine Verringerung des Kortisol-Morgenwerts und eine Erhöhung des tiefsten Werts am Abend beobachtet. Dies führt insgesamt zu einer Abflachung des tageszyklischen Kortisolprofils.4
Ein häufiger Faktor für Schlafprobleme, die durch Stress bedingt sind, manifestiert sich im sogenannten „Hyperarousal“, einer Übererregung, die kognitiv als Grübelneigung oder nicht abschalten können erlebt wird. Durch Ärger über bereits vorhandene Schlafprobleme kann es zu einem Teufelskreis kommen. Physiologisch ist ein Hyperarousal als erhöhte Aktivität des Gehirns und des gesamten Organismus sowie durch erhöhte Kortisolwerte definiert.4
Dass nicht nur Stress den Schlaf negativ beeinflusst, sondern umgekehrt auch Schlafprobleme der Psyche zu schaffen machen, zeigen zahlreiche wissenschaftliche Publikationen. Abgeschlagenheit, Stimmungsschwankungen, sinkende Motivation untertags, leichte Erregbarkeit und ein subjektives Krankheitsgefühl sind einige der Folgen von Schlafstörungen auf die mentale Verfassung.5
Zu einer veränderten Gehirnaktivität führt die obstruktive Schlafapnoe. Sie resultiert einer Studie der University of Columbia, USA, zufolge in zu niedrigen Spiegeln des Neurotransmitters GABA und in zu hohen Glutamatspiegeln. Damit wird die Entspannung beeinträchtigt (niedriger GABA-Spiegel) und eine Art Dauererregung gefördert (hoher Glutamatspiegel).6
Um mit möglichst niedrigem Stresslevel ins Bett zu gehen, ist die richtige Schlafhygiene wichtig. Dazu zählen ein striktes Schema des Zu-Bett-Gehens und Aufstehens am Folgetag, eine optimale Schlafzimmeratmosphäre (abgedunkelt, angenehme Temperatur, kein Computer oder TV-Gerät) und eine leichte Kost am Abend. Da manche Menschen mit Schlafproblemen gestresst sind, wenn sie nachts in Aufwachphasen auf die Uhr blicken, kann es hilfreich sind, das Display abzudecken oder es einfach zu vermeiden, auf die Uhrzeit zu schauen. Problematische Gespräche vor dem Schlafengehen oder auch aufwühlende TV-Sendungen oder Streaming-Serien sollten die Betroffenen jedenfalls meiden.5
Regelmäßiger Sport hilft dabei, den Stresslevel zu senken und abends angenehm schläfrig zu werden.5 Um den Kortisolspiegel zu senken, sollte jedoch nur moderat Sport betrieben werden. Zuviel oder zu hartes Training können nämlich als Stressoren fungieren, das Kortisol würde wieder steigen. Ideal sind hingegen Radfahren mit mittlerer Intensität, Wandern, Yoga und Schwimmen. Meditationen helfen ebenfalls dabei, Stress abzubauen.
Studie: Chronotyp beeinflusst Gehirnfunktion
Der wichtigste Schlaf-wach-Rhythmus ist der zirkadiane Rhythmus. Dieser unterscheidet sich interindividuell, woraus sich auch die Grundlage von Chronotypen ergibt. Ob und wie sehr der Chronotyp die Gehirnpsychologie beeinflusst, war bislang jedoch ungeklärt. Einen großen Schritt zur Aufklärung machten nun Forscher des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund, Deutschland. Sie fanden heraus, dass motorisches Lernen und kognitive Fähigkeiten zur entsprechend dem Chronotyp bevorzugten Zeit im Vergleich zur nicht präferierten Zeit deutlich besser sind. Die Leistungsunterschiede spiegeln sich aber auch in entsprechenden Unterschieden der Gehirnphysiologie wie der neuronalen Erregbarkeit und der Neuroplastizität wider. Die individuellen tageszeitabhängigen Leistungsunterschiede sind somit auf den Einfluss des Chronotyps auf menschliche Gehirnfunktionen von grundlegenden physiologischen Mechanismen bis hin zu Verhalten und kognitiven Funktionen zurückführen.
Quelle: IfADo (Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund), 4. 8. 2021: Chronotyp beeinflusst kognitive Funktionen und grundlegende Parameter der menschlichen Gehirnphysiologie.
Literatur:
1 Gerber M, Schlafstörung durch Stress. Psychiatrie & Neurologie, 4/2012
2 Kim EJ, Dimsdale JE, The Effect of Psychosocial Stress on Sleep: A Review of Polysomnographic Evidence. Behav Sleep Med. 2007; 5(4):256–278
3 Hirotsu C, Tufik S, Andersen ML, Interactions between sleep, stress, and metabolism: From physiological to pathological conditions. Sleep Sci. 2015 Nov; 8(3):143–152
4 Braunsteiner T, Psychoendokrinologie des Schlafes. Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und endokrinologischen Biomarkern. Diplomarbeit an der Medizinischen Universität Graz, 2015
5 American Sleep Founation, 24. 6. 2021: Stress and Insomnia.
6 Macey PM, Sarma MK, Nagarajan R et al., Obstructive sleep apnea is associated with low GABA and high glutamate in the insular cortex. J Sleep Res. 2016 Aug; 25(4):390–4