Was hierzulande noch relativ unbekannt ist, hat in anderen Staaten längst eine wichtige Versorgungsfunktion. In Städten, aber auch ländlichen Regionen wird die primäre Gesundheitsversorgung maßgeblich von speziell qualifizierten Pflegefachkräften unterstützt. Die Bundesregierung hat die Einführung solcher Community-Nurses im Regierungsprogramm festgeschrieben.
Für Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ist das ein „interessantes Modell“, wie er im Apotheker Krone-Gespräch sagt. „Man schafft in der Nähe der Menschen einen Ansprechpartner und eine professionelle Unterstützung für Gesundheitsvorsorge, zur Entlastung der pflegenden Angehörigen – aber auch zur Entlastung von Allgemeinmedizinern.“ Wenn man sich ländliche Strukturen ansehe, habe man dort Versorgungsprobleme. Die Community-Nurse soll eine Entlastung für den Arzt werden. „In Wien haben Ärzte die Idee der Grätzlschwestern aufgebracht. Ich schließe das nicht aus. Ich habe den Eindruck, dass dies viele Ärzte begrüßen würden – als bürgernahe Form einer Brücke. Da geht es etwa um die Kontrolle von Blutzucker oder nach ärztlicher Kontrolle und Vorgabe um die Abgabe von Medikamenten“, sagt Anschober.
International steuern, koordinieren, beraten, überwachen und leiten Community-Nurses – oder schlicht Gemeindeschwestern. Wichtig dabei ist auch die Gesundheitsförderung und Prävention in der Kommune. Kurz: Die Menschen in der Bewältigung des Alltags zu unterstützen – in jeder Lebenslage und Altersspanne – sei Kerngeschäft von Community-Nurses, beschreibt die internationale Fachliteratur die Aufgaben. „Community-Health-Nurses, Gemeindeschwestern oder Grätzelschwestern – wie immer man sie auch letztlich nennt –, wichtig ist, dass ihr Aufgabenbereich genau dort liegt, wo die häusliche Pflege unbedingt professionelle Unterstützung braucht“, sagt die Grüne Wiener Landtagsabgeordnete Birgit Meinhard-Schiebel, die auch Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger in Österreich ist.
Sie beschreibt die möglichen Aufgaben so: „Community-Nurses können alle pflegerischen Leistungen anbieten, die zur Entlastung der Pflegebedürftigen, der pflegenden Angehörigen und des gesamten Systems beitragen: von der Blutabnahme, der Katheter- und Stoma-Versorgung, der Wundversorgung und so weiter bis hin zur umfassenden Förderung von Gesundheitsprävention aller Beteiligten im häuslichen Setting.“ Sie seien aber auch Kontaktpersonen zu den niedergelassenen medizinischen Bereichen, stehen in Kontakt mit dem Entlassungsmanagement und haben umfangreiche Vernetzungsfunktion zu verschiedenen wichtigen sozialen und mobilen Dienstleistungen.
Damit seien sie auch Schnittstelle zu Apotheken. Dort hat man die Pläne im Regierungsprogramm bisher positiv beurteilt. „Die Gesundheit ist das höchste Gut des Menschen. Wir freuen uns daher über das klare Bekenntnis der neuen Regierung zu einer hochwertigen, flächendeckenden und umfassenden Medikamentenversorgung für die gesamte Bevölkerung durch das bewährte System der öffentlichen Apotheken“, erklärt Mag. pharm. Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer. Im Kapitel „Hochqualitative, abgestufte, flächendeckende und wohnortnahe Gesundheitsversorgung“ des neuen Regierungsprogramms würden die rund 6.200 österreichischen Apothekerinnen und Apotheker eine tragende Rolle spielen. Das Papier spricht von der „Stärkung und Aufwertung der nichtärztlichen Gesundheitsberufe“ und einer damit verbundenen „Erweiterung der Kompetenzen und Ermöglichung von bestimmten Versorgungsschritten“. „Die Apothekerkammer wird ihre Angebote für noch mehr Arzneimittelsicherheit und innovative Dienstleistungen für die Gesundheit der Bevölkerung in die Regierungsarbeit einbringen“, sagt Apothekerkammer-Vizepräsident Mag. Raimund Podroschko. Dass die Community-Nurses bei einigen dieser Dienstleistungen den Apothekern den Rang ablaufen könnten, glaubt man in der Apothekerkammer allerdings nicht. Auch Meinhard-Schiebel sieht das nicht so: „Sie sollen den gesamten Pflegeprozess daheim begleiten und nicht nur das Case Management erfüllen. Sie sind auch im Unterschied zur ärztlich verordneten Hauskrankenpflege nicht nur zeitlich begrenzt eingebunden, sondern während eines oft lang andauernden häuslichen Pflegeprozesses.“ Community-Nurses hätten damit nicht nur eine pflegerische, medizinisch orientierte Funktion, sondern seien auch Vertrauensperson und erste Kontaktperson für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige.
Dass dieser neue Beruf und das entsprechende Angebot zu zusätzlichen Kosten führt, ist Anschober durchaus klar. „Im Bereich der Gesundheit und des Sozialen muss man, wenn man verantwortungsvolle Arbeit macht, zuerst auch investieren, um später zu Einsparungen zu gelangen. Das hat aber etwa in Finnland zuerst Kosten verursacht und dann nach zehn Jahren zu Einsparungen und einer besseren Versorgung der Menschen geführt. Wir müssen eben eine kluge Planung machen und schauen, mit welchen Zeitplänen wir arbeiten können. Gesundheit ist eine der Prioritäten dieser Regierung“, sagt er. Der Gesundheitsminister sieht das Gesundheitswesen aber auch an einer Zeitenwende – hin zu einer ganzheitlichen Sicht und der Erarbeitung von Netzwerken. „Das ist auch bei den Primärversorgungseinheiten die Grundidee – nicht mehr allein, sondern als Team. Deshalb wollen wir das stark forcieren – und die Community-Nurse könnte ein Teil davon sein.“