Faktoren, die das Sturzrisiko beeinflussen, lassen sich in intrinsische, extrinsische und verhaltensbedingte Faktoren zusammenfassen. Häufig finden Stürze im häuslichen Umfeld der Patient:innen statt. Dadurch zeigt sich, dass insbesondere Maßnahmen zur Sturzprävention im häuslichen Umfeld der Patient:innen notwendig sind. Grundsätzlich wird empfohlen, ab einem Alter von 65 Jahren einmal jährlich ein umfassendes Sturzrisiko-Assessment durchzuführen. Neben einer jährlichen Untersuchung und Evaluation der Sturzgefahr soll diese insbesondere auch immer dann stattfinden, wenn Patient:innen gestürzt oder beinahe gestürzt sind.
Evaluation der Sturzangst im häuslichen Umfeld, z.B. mit FES-I-Skala. Ergotherapeut:innen können die Sturzangst zusätzlich im Rahmen einer Betätigungs- und Aktivitätsanalyse objektiv erheben.
Evaluation des individuellen Sturzrisikos von Patient:innen, indem sowohl intrinsische, extrinsische als auch verhaltensorientierte Faktoren erhoben und evaluiert werden. Es wird empfohlen, die Sturzrisiken strukturiert und ganzheitlich zu erfassen, z. B. mit Hilfe einer Checkliste.
Hierbei sollten insbesondere die individuellen Bedürfnisse, Ressourcen und Einschränkungen der Patient:innen berücksichtigt werden. Einfache und schnelle Wohnraumanpassungen können beispielsweise das Anbringen von Haltegriffen im Bad/WC sowie unterstützende Hilfsmittel wie ein Badewannenbrett, einen Duschhocker und eine Anti-Rutsch-Matte vor und in der Dusche/Badewanne sein. Bei vorhandener Sturzgefahr, bereits erlebten Stürzen sowie Sturzangst ist eine Notrufuhr für die Patient:innen empfehlenswert.
Wenn im Hausbesuch deutlich wird, dass insbesondere verhaltensorientierte Faktoren zu einem Sturz führen können oder die Sturzgefahr erhöhen, kann die Anpassung von Betätigungen und Handlungen von Patient:innen sinnvoll sein.
Hierzu ein Beispiel aus der Praxis: Patientin, 85 Jahre, mehrfach gestürzt, benutzt in der Küche regelmäßig einen kleinen Schemel, um Gegenstände aus dem oberen Regal zu erreichen. Dabei wirkt sie wackelig und unsicher. Im Rahmen eines Hausbesuches wurde die Situation analysiert und altersgerecht angepasst – gemeinsam mit der Patientin wurde die Küche umgeräumt, um ein sicheres Erreichen der Gegenstände zu gewährleisten.
Gemeinsam mit Patient:innen bewusst in Situationen gehen, bei denen die Sturzangst gesteigert ist. Unter therapeutischer Anleitung Strategien entwickeln, wie die Alltagssituation leichter und sicherer bewältigt werden kann.
Hierzu ein weiteres Beispiel aus der Praxis: Patientin, 75 Jahre, klagt über Schwindel und ist im Vorjahr bereits einmal gestürzt. Beim Einkaufen benutzt sie einen Einkaufskorb. In der ergotherapeutischen Betätigungsanalyse fällt auf, dass sie, je mehr Gegenstände sie in den Korb legt, unsicherer im Gangbild wird. Zusätzlich zeigen sich Ausweichbewegungen in der linken Schulter. Mit zunehmendem Gewicht im Korb nimmt auch die Geschwindigkeit der Handlungsdurchführung zu. Sie wird unsicherer, übersieht häufiger Kanten und stolpert. Auf Grundlage dieser Beobachtung wurde die Einkaufssituation angepasst und der Einsatz eines Einkaufswagens empfohlen. Dadurch kann sich die Patientin am Wagen abstützen und muss nicht gleichzeitig mit einer Hand die Waren im Einkaufskorb sammeln. Zusätzlich wird empfohlen, die Einkäufe nach dem Bezahlen nicht in einen Korb zu legen, sondern z. B. einen Rucksack zu verwenden, um die Last gleichmäßig zu verteilen, oder einen Einkaufswagen/-trolley zu benutzen, um größere Einkäufe gelenkschonend und sicher verstauen zu können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sturzprävention im häuslichen Umfeld eine interprofessionelle Aufgabe ist, die insbesondere in der Primärversorgung als erste Anlaufstelle für Gesundheitsanliegen gezielt im Sinne der Prävention bewältigt werden kann.