Die Rechnung ist einfach und unwidersprochen: Je mehr Menschen gegen Grippe geimpft sind, umso leichter wird das Corona-Management. Zum einen ist im Verdachtsfall eine Grippe eher auszuschließen, zum anderen sind weniger Grippekranke in Spitälern, und damit gibt es mehr Platz für COVID-19-Patienten. Klar ist deshalb, dass mangels Corona-Impfstoff versucht wird, die Impfquote bei Influenza zu erhöhen.
Also wurde versucht, mehr Impfstoffe zu besorgen. Das Problem dabei: Diese werden üblicherweise im Herbst des Vorjahres bestellt, und Ende 2019 war von einer Pandemie keine Rede. Die lange Vorlaufzeit liege an der komplexen Produktion solcher Impfstoffe, erklärt Mag. Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller. Also wurde nachbestellt: vom Bund, von Kommunen, vom Großhandel und von Apotheken. Insgesamt ist es so gelungen, fast 1,9 Millionen Dosen zu bestellen. Manche Bundesländer wie Wien stellen diesen der Bevölkerung gratis zur Verfügung und starten Impfaktionen. Oft bestätigt sich aber die alte Weisheit: „Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht.“
Weil nämlich nicht alle Impfstoffe gleichzeitig und sofort von der Industrie geliefert werden können, kam es österreichweit rasch zu unterschiedlich großen Engpässen. Hochrechnungen aus einer Apothekenumfrage des Onlineportals RELATUS PHARM und der Apotheker Krone sowie aus Wiener Daten kamen allerdings zu dem Schluss, dass zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe maximal 400.000 Dosen reserviert sind oder bereits geimpft wurden. Es müsste also noch ausreichende Mengen geben.
Das Beispiel zeige, es reiche nicht, den Wirkstoff gegen eine Krankheit zu haben, die Impfdosen müssen gut verteilt werden, sagt der Vizepräsident des Verbandes der Arzneimittel-Vollgroßhändler PHAGO Mag. Bernd Grabner; er ist gleichzeitig Präsident der europäischen Dachorganisation aller Voll-Großhändler. „Es braucht eine gute Koordination bei der Verteilung der Impfstoffe! Bei den Grippeimpfstoffen weiß derzeit niemand genau, welche Einrichtung welcher Stelle beziehungsweise Organisation wie viele Dosen zur Verfügung stellt. Der Bund bestellt Impfdosen, die Bundesländer sowie einzelne Städte bestellen für sich, und die Apotheken bestellen ebenso.“
Wie angespannt die Lage ist, zeigte sich auch daran, dass sich die Apothekerkammer, der Apothekerverband sowie die Angestelltenverbände VAAÖ und Forum Pharmazie gemeinsam zu Wort meldeten. „Täglich erleben wir in den Apotheken, dass die Menschen stark verunsichert sind“, schildert VAAÖ-Präsident Mag. pharm. Raimund Podroschko. „Wir informieren die Menschen intensiv, klären sie auf und versorgen sie bestmöglich.“ Glücklicherweise finde die Aufklärungsarbeit zumeist Verständnis, schildert Mag. Pharm. Kornelia Seiwald, Präsidentin des Forums Pharmazie. „Die Impfstoffbestellungen durch die Apotheken erfolgten rechtzeitig und unter Rücksichtnahme auf alle zu jenem Zeitpunkt herrschenden Rahmenbedingungen.“
Die Apothekerfunktionäre fordern allerdings, dass das Impfstoffmanagement in Österreich in die „bewährten Hände der Apothekerinnen und Apotheker“ gehörte, betont Mag. pharm. Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Apothekerkammer. Nur so könne die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden. „Unser Gesundheitssystem ist zu wertvoll, um es zum Spielball einzelner Interessen werden zu lassen.“ Dass die Situation in diesem Jahr für alle außergewöhnlich und fordernd ist, sei nachvollziehbar – „wiederholen sollte sich das nicht“, ergänzt Mag. Jürgen Rehak, Präsident des Apothekerverbandes. „Um eine Situation wie heuer zu vermeiden, brauchen wir für die Zukunft eine bessere Planung gemeinsam mit allen Playern, das heißt von der öffentlichen Hand über die Apothekerkammer bis hin zu den Großhändlern. Festgelegt werden müssen unter anderem konkrete Impfziele, Abnahmemengen und Distributionsmaßnahmen“, betont Gallo-Daniel.