H1-Antihistaminika: effektive Allergiebehandlung in dritter Generation

Rund eine Million Österreicher leiden an einer Pollenallergie. Die Belastung, welche die Betroffenen verspüren, umfasst sowohl die lokalen Symptome wie Juckreiz, Niesen, nasale Obstruktion und Rhinorrhö als auch negative Auswirkungen auf den Schlaf und Alltagsaktivitäten. Eine Studie aus Großbritannien hat ergeben, dass 40 % der Pollenallergiker von einem Produktivitätsverlust am Arbeitsplatz berichten. Fast alle Betroffenen nehmen Medikamente (96 %), und drei Viertel nehmen mindestens zwei Arzneimittel ein, um nasale Symptome effektiver zu bekämpfen und Augenbeschwerden zu lindern.1

Beim Soforttyp der allergischen Reaktion spielt das Histamin eine Schlüsselrolle. Histamin kommt als Decarboxylierungsprodukt der Aminosäure Histidin im menschlichen Organismus in allen Geweben vor, wobei die höchsten Konzentrationen in der Lunge, der Haut und im Magen-Darm-Kanal zu finden sind.2 Die Substanz bindet an bestimmte Rezeptoren an der Zelloberfläche, wodurch Signale für die Wirkung des Histamins in die Zelle übertragen werden. H1-Rezeptoren sind an der Auslösung der zahlreichen allergieartigen Wirkungen beteiligt. Es kommt zu einer Kontraktion der glatten Muskulatur der Bronchien und des Darms sowie der großen Blutgefäße. Arteriolen hingegen werden erweitert. Außerdem wird eine Kontraktion von Endothelzellen der Venolen ausgelöst, was wiederum zu einer erhöhten Kapillarpermeabilität führt. Dies löst einen Übertritt von Plasmaproteinen, Plasmawasser und zellulären Blutbestandteilen in das Gewebe aus. Exsudatbildung und Juckreiz durch Stimulierung afferenter Neuronen sind typische Folgesymptome. Außerdem werden durch Bildung von Adhäsionsproteinen an der Oberfläche der Endothelzellen entzündliche Reaktionen begünstigt. Im Zentralnervensystem wird durch Aktivierung der H1-Rezeptoren Erbrechen ausgelöst sowie auch der Schlaf-wach-Rhythmus gesteuert.3

Wirkungen der H1-Antihistaminika

H1-Antihistaminika heben kompetitiv die Wirkungen von Histamin an H1-Rezeptoren auf. Die Blockade der zentralen H1-Rezeptoren löst eine ausgeprägte Müdigkeit aus. So zeigte auch die erste Generation der Antihistaminika neben der gewünschten antiallergischen Wirkung beträchtliche sedierende Effekte. Mit der Entwicklung von Antihistaminika, die die Blut-Hirn-Schranke nicht beziehungsweise nur in wesentlich geringerem Ausmaß überwinden können, hat sich auch der Einsatz der Antihistaminika der ersten Generation verschoben, indem man die sedierende Wirkung als milde Einschlafhilfe nützt.3

Während die erste Generation der H1-Antihistaminika nicht nur periphere, sondern auch zentrale H1-Rezeptoren blockiert, wirken die Antihistaminika der zweiten Generation aufgrund geringerer Lipophilie nahezu selektiv an peripheren H1-Rezeptoren.2 Als Weiterentwicklungen der zweiten Generation gelten die Wirkstoffe Levocetirizin, Desloratadin, Fexofenadin und Rupatadin. Sie werden als H1-Antihistaminika der dritten Generation eingestuft.

Der Wirkstoff Fexofenadin kann die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden, was durch PET-Untersuchungen klar belegt werden konnte, und löst daher keine sedierenden Nebenwirkungen aus. Auch placebokontrollierte Doppelblindstudien haben gezeigt, dass selbst bei sehr hoher Dosierung (360 mg) bezüglich psychomotorischer und kognitiver Funktionen kein Unterschied zu Placebo zu erkennen war.3 Fexofenadin ist daher auch von der europäischen und amerikanischen Luftfahrtbehörde für Piloten zugelassen.

Gutes Sicherheitsprofil von Fexofenadin

Fexofenadin wird schnell und nahezu vollständig resorbiert, die maximalen Wirkstoffspiegel werden bereits nach 1 bis 3 Stunden erreicht. Aufgrund der Eliminationshalbwertszeit von circa 14 Stunden ist eine einmal tägliche Gabe ausreichend. Die Ausscheidung erfolgt praktisch unverändert – und zwar zum größten Teil biliär (circa 80 %) und nur zu einem geringen Teil (circa 20 %) renal. Es sind daher selbst bei Leber- und Nierenfunktionsstörungen keine Anwendungseinschränkungen und Dosisanpassungen notwendig. Da Fexofenadin weder einer enzymatischen Bioaktivierung bedarf noch in nennenswertem Ausmaß durch Cytochrom P450 metabolisiert wird, liegt die entsprechende Nebenwirkungsrate im Placebobereich. Auch das kardiale Sicherheitsprofil unterscheidet sich nicht von Placebo. Eine gleichzeitige Aufnahme von Fruchtsäften sollte bei Einnahme von Fexofenadin vermieden werden, da es zu einer Verminderung der Resorption kommen kann.3

Weitere Histaminrezeptoren

Eine Stimulierung der H2-Rezeptoren löst eine verstärkte Magensäureproduktion aus, am Herz löst Histamin eine positive Inotropie und Tachykardie aus.H3-Rezeptoren sind vor allem im Zentral- und Darmnervensystem lokalisiert. Als präsynaptische Rezeptoren bewirken sie im Sinne einer negativen Rückkopplung eine Drosselung der weiteren Histaminausschüttung. Aber auch die Freisetzung von Noradrenalin und Serotonin wird durch Aktivierung der H3-Rezeptoren downreguliert. Der noch nicht allzu lange bekannte H4-Rezeptor dürfte bei der Rekrutierung von Immunzellen eine Rolle spielen. Lokalisiert ist der H4-Rezeptor auf T-Lymphozyten, eosinophilen Granulozyten und Mastzellen und ist damit proinflammatorisch wirksam. Seine genaue Funktion ist bislang nicht geklärt.

Quelle: Spreitzer H, APOKolleg Fexofenadin – ein H1-Antihistaminikum der dritten Generation. MedMedia Verlag 2017

 

Literatur:

1 Stegmaier-Petroianu A, Heuschnupfen – die unterschätzte Volkskrankheit. Schweizer Zeitschrift für Dermatologie & Ästhetische Medizin 02/2013

2 Mutschler E, Geisslinger G, Menzel S et al., Pharmakologie kompakt. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2016

3 Spreitzer H, APOKolleg Fexofenadin – ein H1-Antihistaminikum der dritten Generation. MedMedia Verlag 2017