Herausforderungen und Strategien

In vielen Bereichen des Immunsystems kommt es im Alter zu physiologischen Veränderungen, welche die Immunkompetenz herabsetzen und zu einem Abfall in der Leistungsfähigkeit führen. Laut WHO ist der Übergang ins Alter bei etwa 60 bis 65 Jahren zu definieren. Demografisch fällt in Österreich derzeit ein Fünftel der Bevölkerung in diese Altersklasse, ihr Anteil wird in den nächsten Jahrzehnten noch zunehmen, wie Prim. Univ.-Prof. Dr. Marcus Köller in seinem Vortrag der Webinar-Reihe „Fokus Impfen“ ausführt.

Immunoseneszenz

Der Begriff „Immunoseneszenz“ beschreibt das Phänomen der langsamen Verschlechterung des Immunsystems im Alter und wurde in den 1960er-Jahren von dem Pathologen Roy Walford geprägt. Nicht nur das Alter, sondern auch Komorbiditäten sowie Medikamente, die wir im Alter nehmen, haben Einfluss auf die Immunkompetenz. Dies beginnt bei den antigenpräsentierenden Zellen, welche die Antigene nicht mehr in der Menge wie in jungen Jahren aufnehmen. Des Weiteren wird die T-Zell-Antwort reduziert, auch die Bildung der Antikörper geht zurück, erklärt Köller. Diese Faktoren führen zu einem höheren Infektionsrisiko im Alter sowie zu einem schwächeren Impferfolg.

Impfstrategien im Alter

Neben dem Alter sind Komorbiditäten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenerkrankungen und Diabetes Risikofaktoren für schwere Krankheitsverläufe von impfpräventablen Erkrankungen. Bei diesen Personengruppen sind daher gesonderte Impfempfehlungen und -strategien zu beachten (Tab.).

Tab.: Impfempfehlungen im Alter

Influenza

Mehr als 90 % der Influenza-Todesfälle sind in der Altersklasse über 65 Jahre zu finden. Die Sterblichkeit in Österreich variiert von Jahr zu Jahr zwischen 2.000 und 5.000 Toten (mit Ausnahme der Pandemiejahre) und basiert auf Schätzungen, die aufgrund der Übersterblichkeit ausgerechnet werden. Um die Immunogenität zu erhöhen, verfolgen Impfstoffhersteller 2 verschiedene Strategien: entweder Hinzufügung eines Adjuvans oder Dosiserhöhung. Beide Methoden führten laut Studien zu einer Verbesserung des Impferfolges, weiß Köller.

Pneumokokken

Invasive Pneumokokken-Erkrankungen sind gefährlich und nehmen derzeit wieder zu. Österreich verfolgt die Strategie der sequenziellen Impfung: Beginn mit einem konjugierten Impfstoff, gefolgt von dem Polysaccharid-Impfstoff. Seit dem Jahr 2022 sind für Erwachsene 2 neue Konjugat-Impfstoffe auf dem Markt (PCV15 und PCV20). Mit PCV15 konnten in der Saison 2022/23 etwa 60 % der Serotypen abgedeckt werden. Offensichtlich ist ein Nebeneffekt der Pneumokokken-Impfung eine etwa 30%ige Reduktion des COVID-19-Risikos.

COVID-19

Wegen der besseren Immunisierung der Bevölkerung hat COVID-19 mittlerweile an Schrecken verloren. Durch die abnehmende T-Zell-Immunität werden im Alter vermehrt Granulozyten aufgenommen, was zu schweren Entzündungsreaktionen führen kann. Eine Impfung ist daher allen Personen ab 60 Jahren empfohlen.

Herpes Zoster

Hospitalisierungen wegen Infektionen mit dem Herpes-Zoster-Virus steigen im Alter stark an, besonders in der Altersgruppe 80+, berichtet Köller. Eine befürchtete Komplikation ist die Post-Zoster-Neuralgie, die Wochen, Monate oder auch Jahre anhalten kann. Häufigkeit, Dauer und Intensität nehmen ebenfalls mit dem Alter zu. Die Schmerzen beeinflussen den Alltag der Patient:innen massiv, es kommt zu Schlafstörungen und Einschränkungen der Mobilität, Stimmung sowie neurokognitiven Funktionen (Demenz/Delir). Die mit offener Beobachtung fortgeführten 2 großen Studien belegen dem Impfstoff Shingrix® eine langanhaltende gute Wirksamkeit. Nach 2 initialen Dosen beträgt der Impfschutz nach 10 Jahren noch immer über 70 %. In Österreich ist die Impfung für alle Personen ab 50 Jahren empfohlen.

RSV

Infektionen mit dem respiratorischen Synzytial-Virus sind in der Kinderheilkunde eine große Herausforderung, aber auch im Alter relevant. Ältere Menschen zeigen eine deutlich schlechtere Überlebenskurve, auch die Folgen der Erkrankung verkürzen die Lebenserwartung. Bei etwa einem Fünftel der Erkrankungen führt die Infektion zu kardialen Ereignissen, 18,6 % benötigen eine intensivmedizinische Behandlung, die Mortalität beträgt 4,9 %. Mittlerweile stehen 2 Impfstoffe zur Verfügung, die beide eine gute Wirksamkeit zeigen. Da weitere Impfdosen die Immunität nicht verbesserten, ist eine Einzeldosis vorerst ab dem 60. Lebensjahr ausreichend.

Standardimpfungen

Auch im Alter ist auf den aufrechten Impfschutz der „Standardimpfungen“ zu achten, wie Köller anmerkt. In Österreich ist für Personen ab 18 Jahren eine Impfung gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis und Polio alle 10 Jahre sowie gegen FSME alle 5 Jahre empfohlen. Ab einem Alter von 60 Jahren verkürzen sich hier die Booster-Intervalle auf 5 bzw. 3 Jahre. Für Hepatitis B sollte eine Auffrischung je nach Titer bei Kontrolle erfolgen.