Mit dem Spruch „If you hate the vaccine, try the disease“ betonen manche Kolleginnen und Kollegen gerne den individuellen Nutzen von Schutzimpfungen. Neben diesem bieten (bestimmte) Impfungen aber auch den Vorteil des Gemeinschaftsschutzes (früher auch als „Herdenimmunität“ bezeichnet) sowie – durch Nichterkranken – einen beträchtlichen volkswirtschaftlichen Vorteil.
Die hohe Wirksamkeit von Impfungen kann aber paradoxerweise auch zu verminderter Inanspruchnahme führen oder beitragen: Je mehr Erkrankungen verhindert werden, umso weniger bedrohlich werden diese empfunden. Die konsekutive „Impfmüdigkeit“ kann dann zu einem Wiederaufflackern bereits (weitgehend) verschwundener Infektionen führen (bspw. Masern, Diphtherie).
Die Akzeptanz von Impfungen hängt v. a. von folgenden 5 Faktoren ab:
Dies erklärt auch, warum verschiedene Impfungen unterschiedlich gut akzeptiert werden. So ist wahrscheinlich die relativ gute Akzeptanz der FSME-Impfung auf die in Bildern abschreckend dargestellte Zecke zurückzuführen, während ein Grund für die relativ niedrige Inanspruchnahme der HPV-Impfung bei 9-Jährigen sein kann, dass Eltern zu diesem Zeitpunkt noch nicht an die sexuelle Aktivität ihrer Kinder denken und daher diese Impfung als (zumindest zu diesem Zeitpunkt) „weniger wichtig“ empfinden.
Wie in vielen anderen Ländern existiert auch für Österreich ein nationales Impfprogramm, das jährlich vom Nationalen Impfgremium (NIG) adaptiert wird. Im Lauf der letzten Jahrzehnte wurde dieses Impfprogramm sukzessive erweitert, vereinzelt wurden aber auch Empfehlungen zurückgenommen. Das nationale Impfprogramm bietet die Grundlage für Kinderimpfungen, die größtenteils im Rahmen von Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen verabreicht werden.
Eltern beziehen ihre Informationen vor allem aus folgenden Quellen:
Die Qualität dieser Quellen ist höchst unterschiedlich, insbesondere über die (sogenannten) sozialen Medien landet man sehr rasch auf impfkritischen und Impfgegner:innen-Seiten mit teils gravierenden Falschdarstellungen. Es ist für Eltern nicht immer leicht, seriöse und unseriöse Informationen zu unterscheiden. Eine wesentliche und unverzichtbare Entscheidungshilfe ist daher die Beratung/Empfehlung durch die Vertrauensärztin oder den Vertrauensarzt. So wurde in Studien mehrfach gezeigt, dass Hausärztinnen und Hausärzte und Kinderfachärztinnen und Kinderfachärzte eine entscheidende Rolle bei der Erzielung einer hohen Impfakzeptanz im Kindes- und Jugendalter zukommt.
Vielfach werden von den Eltern Modifikationen des Impfprogramms vorgenommen – meist ohne rational nachvollziehbare Begründung. Eine Diplomarbeit unserer Arbeitsgruppe hat gezeigt, dass nur ca. 56 % der Eltern Impfungen so in Anspruch nehmen, wie sie empfohlen werden. Von den übrigen 44 % werden Impfungen oder einzelne Impfdosen weggelassen, oder die Verabreichung wird (meist nach hinten) verschoben. Die dadurch entstehenden „Impflücken“ vermindern nicht nur den Individualschutz, sondern auch den Gemeinschaftsschutz und können dadurch z. B. zu Masernausbrüchen beitragen.
Von derart „impfkritischen“ oder „impfskeptischen“ Eltern zu unterscheiden sind Impfgegner:innen, die grundsätzlich – und zum Teil militant – gegen Impfungen auftreten und diese für ihre Kinder ablehnen. Dies trifft allerdings nur für ca. 3–4 % aller Eltern zu – sie sind meist auch mit objektiven Argumenten und ausführlichen Gesprächen nicht zu überzeugen.
Eine Erhebung über die steirische Impfdatenbank hat ergeben, dass zuletzt insbesondere bei den Schulimpfungen ein dramatischer Rückgang zu verzeichnen war (–41,5 % bei den 6- bis 15-Jährigen). Am stärksten betroffen waren die Impfungen gegen Meningokokken (Men ACWY –79 %) und Hepatitis B (HBV-Booster –76,3 %). Im Gegensatz dazu konnten die durch Lockdowns und andere Kontaktbeschränkungen vorübergehend eben-falls reduzierten Impfungen im 1. Lebensjahr insbesondere durch die Bemühungen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen (v. a. Kinderfachärztinnen und Kinderfachärzte und Allgemeinmediziner:innen) großteils nachgeholt werden. Die nach wie vor unbefriedigende Beteiligungsrate an der HPV-Impfung dürfte mehrere Ursachen haben, die bisherigen Bemühungen der Fachgesellschaften haben bislang noch nicht zum gewünschten Erfolg geführt.
Die bisher relativ geringe Inanspruchnahme von COVID-Impfungen im Kindes- und Jugendalter hat vermutlich verschiedene und zum Teil recht spezifische Ursachen, auf die hier nicht im Detail eingegangen werden kann. Die unglückliche Kommunikation zur verpflichtenden Impfung (nein – ja – nein) hat sicher nicht zur Akzeptanz dieser Impfung beigetragen. Nationales Impfgremium (NIG) und Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) empfehlen derzeit die Impfung ab dem Alter von 5 Jahren – die Vorbehalte der Eltern sind jedoch beträchtlich.