Die heurige Herbst-/Wintersaison steht auch bei der Nachfrage nach Erkältungspräparaten ganz unter dem Motto: „back to normal“. War das Maskentragen 2021 noch (fast) überall durchgängig Pflicht, so macht sich die Lockerung derselben in Österreich auch deutlich an der wieder ansteigenden Zahl an Erkältungen und grippalen Infekten bemerkbar. Die Verkaufszahlen von Erkältungs- und Hustenpräparaten haben im heurigen Jahr, nach einem Abfall um fast 25 % (2021), bereits wieder das Niveau der Vor-Corona-Zeit erreicht1.
Neben den „klassischen“ Erkältungspräparaten erfreuen sich teils selbstgemachte Hausmittel immer größerer Beliebtheit. Während hierzulande Zwiebelsäckchen, Rettich- und Zwiebelsirup und Ölfleck die Liste der Hausmittel bei Erkältungen anführen, kommen in anderen Ländern ganz unterschiedliche Arzneien zur Anwendung. So schwören Finnen auf den Saft aus der schwarzen Johannisbeere (schwarze Ribisel), der bei den ersten Anzeichen einer Erkältung heiß getrunken wird. Die warmen Dämpfe des Saftes befreien die Nase und befeuchten die Schleimhäute, während das enthaltene Vitamin C antioxidativ, entzündungshemmend und immunstärkend wirkt.
In Griechenland greift man ebenso zu einem Heißgetränk, nämlich Kamillentee. Dieser wirkt aufgrund des ätherischen Öls und der Phenolcarbonsäuren antimikrobiell, entzündungshemmend und reizlindernd auf die Schleimhäute.
Nichts für zarte Näschen ist bestimmt der polnische Knoblauchtee; hierfür werden gehackte Knoblauchzehen mit frisch gebrühtem Schwarztee, Milch und Zitrone vermengt und anschließend noch möglichst heiß getrunken. Diese Mischung wirkt antimikrobiell und schweißtreibend. Knoblauch-Zwiebeltee ist nicht nur in Polen bekannt, sondern wird auch in Mexiko eingesetzt.
Etwas weniger geruchsintensiv fällt der ebenso beliebte mexikanische Zimttee aus. Ebenfalls geruchsintensiv könnte das rumänische „Essigbad“ ausfallen, wobei der gesamte Körper mit Essig abgerieben wird und in Essig getränkte Socken für mehrere Stunden getragen werden sollen.
In Japan gilt Tamagozake, eine Mischung aus Ei, Sake und Honig, als beliebtestes Hausmittel gegen Erkältungsbeschwerden. Sake ist ein alkoholisches Getränk aus fermentiertem Reis (Reiswein), das die Verdauung fördert und durch das enthaltene Selen das Immunsystem unterstützt. Honig hat antimikrobielle und reizlindernde Eigenschaften, während das Ei wichtige Nährstoffe liefert, um den Körper bei Kräften zu halten. Trotz des Alkoholgehalts wird Tamagozake mitunter auch erkälteten Kindern verabreicht.
Alkoholische Getränke als Hausmittel bei Erkältungen sind nicht nur in Japan bekannt, sondern werden in vielen Ländern weltweit eingesetzt, so zum Beispiel der schottische oder auch irische Hot Toddy. Woher der Name für das whiskybasierte Rezept stammt, ist umstritten, eine der Theorien besagt, dass schottische Ärzte im 18. Jahrhundert hauptsächlich Whisky als Medizin bei unterschiedlichsten Erkrankungen eingesetzt haben sollen. Zubereitet wird der Hot Toddy mit 2 bis 4 cl Whisky, heißem Wasser und Zitronensaft, manchmal auch mit etwas Honig. Der Hot Toddy wird vor allem abends getrunken, da man ihm eine schlaffördernde Wirkung zuspricht, die sich höchstwahrscheinlich auf die Wärme und den Alkoholgehalt zurückführen lässt. Des Weiteren wirken Vitamin C leicht antioxidativ und immunstärkend und Honig antimikrobiell.
Auch in Rumänien setzt man auf ein alkoholisches Getränk, nämlich heißen Rotwein mit Pfeffer und Zimt. Die Mischung wirkt schweißtreibend und durch die im Pfeffer und Zimt enthaltenen Scharfstoffe und ätherischen Öle durchblutungsfördernd und antibakteriell.
Schleimlösend und beruhigend hingegen soll die in Portugal bei Erkältung gerne getrunkene Mischung aus Eidotter und Honig wirken.
Wahrscheinlich etwas besser im Geschmack ist das Hustenbier, ein altes deutsches Hausmittel, für das erwärmtes Bier mit Honig versetzt wird. Die ätherischen Öle aus dem Hopfen wirken schlaffördernd, beruhigend und antimikrobiell.
Auch verschiedene Arten von Suppen werden auf der ganzen Welt bei Erkältungen eingesetzt. Die in Österreich sehr beliebte Hühnersuppe findet sich, leicht abgewandelt, auch in vielen anderen Ländern. In Thailand wird sie als Tom-Yam (Gung) mit Koriander, Garnelen oder Fisch, Chili und Limettensaft genossen. In Griechenland kocht man Avgolemono, eine stärkende Hühnersuppe mit Zitronensaft, Eiern und Reis. Hinter dem Begriff „jüdisches Penicillin“ versteckt sich ebenfalls eine kräftige Hühnerbrühe. Koreaner essen bei Erkältung eine Suppe aus Seealgen. Keine Suppe, dafür ein ayurvedischer Heilbrei ist das chinesische Congee, ein Brei aus Reis und Wasser, der mit Obst oder Gemüse verfeinert werden kann und alle wichtigen Nährstoffe enthält, um den Körper bei der Regeneration zu unterstützen.
Auch zur äußerlichen Anwendung gibt es einige Hausmittel, die den Genesungsprozess bei Erkältungen unterstützen. Hierzu zählen unter anderem unterschiedliche Fußbäder und Wickel. In Norwegen schwört man auf warmes Gänseschmalz oder Senfpulver-Mehlwickel, die auf die Brust gestrichen werden, um Hustenreiz zu lindern und das Abhusten zu erleichtern. In der Schweiz werden hier analog Kartoffelwickel angewendet. Bei Halsschmerzen hilft man sich in Tschechien mit einem warmen Sliwowitz- oder Topfenwickel.
Inhalationen mit warmem Wasserdampf und Teebaumöl sind in Australien das Mittel der ersten Wahl bei verstopfter Nase und Husten.
In Russland tropft man hingegen einige Tropfen Knoblauchsaft in die Nase, um wieder frei atmen zu können.
In Frankreich legt man bei Schnupfen eine aufgeschnittene Zwiebel neben das Bett. Die enthaltenen Duftstoffe wirken antimikrobiell und durchblutungsfördernd.
Einige der genannten Hausmittel sind auch in Österreich, manchmal etwas abgewandelt, durchaus gebräuchlich. So werden Zwiebel-, Öl- oder Erdäpfelwickel bei Husten angewendet, Wadenwickel und „Essigpatscherln“ bei Fieber, Winterrettich-, Zwiebel- und Maiwipfelsirup bei Husten, sowie Einreibungen mit Majoran und Thymian.
Thymian zählt sicherlich zu den wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Heilpflanzen, und das nicht nur in Österreich. Er enthält neben ätherischen Ölen, allen voran Thymol und Carvacrol, Gerbstoffe und Flavonoide. Im Vordergrund steht die schleimlösende, auswurffördernde und bronchospasmolytische Wirkung, wodurch sich auch die Anwendung bei schleimigem, krampfartigem sowie auch Reizhusten erklärt.
Eine weitere Pflanze, die bei Schleimbildung und Hustenkrämpfen eingesetzt wird, ist Efeu. Zur Verwendung kommen Efeublätter, die hauptsächlich Saponine, wie α-Hederin (aus Hederasaponin C), Flavonoide und Kaffeesäurederivate enthalten. Saponine reduzieren die Oberflächenspannung des Schleims, wodurch das Abhusten leichter möglich ist. α-Hederin zeichnet sich weiters durch einen β2-adrenergen Effekt aus, der zu einer vermehrten Surfactantbildung führt.
Allerdings wirkt α-Hederin in sehr hohen Dosen hämolytisch und stark schleimhautreizend. Vergiftungserscheinungen machen sich in Form von Hautausschlägen, Durchfall, Erbrechen, Halluzinationen bis hin zu Atemstillstand bemerkbar. Eingesetzt werden Efeuextrakte zur Lösung festsitzender Schleime und aufgrund ihrer bronchienerweiternden Wirkung bei krampfartigen Hustenattacken. Andere saponinhaltige Drogen wie Primel-, Süßholz und Seifenwurzel werden ebenfalls als Expektorantien eingesetzt. Die zeitgleiche Kombination von schleimlösenden Wirkstoffen mit synthetischen Antitussiva wie Codein oder Dextromethorphan ist nicht empfehlenswert, da der gelöste Schleim nicht abgehustet werden kann und es zu einem Sekretstau kommt. Bei Reizhusten macht man sich vor allem die physikalische Wirkung von Schleimdrogen wie Eibisch(wurzel), Isländischem Moos, Spitzwegerich und Käsepappel zu Nutzen, die reizmildernd und beruhigend wirken sowie die Regeneration der Schleimhaut fördern.
Nasensprays und -tropfen mit abschwellenden Wirkstoffen aus der Gruppe der Sympathomimetika (Oxymetazolin, Xylometazolin, Phenylephrin) sind die beliebtesten Arzneiformen bei Schnupfen und verstopfter Nase. Vielen Nasensprays sind ätherische Öle wie Menthol, Kampfer oderEukalyptusöl zugesetzt, um das Durchatmen gleich direkt beim Einsprühen zu verbessern. Menschen mit sehr empfindlicher Nasenschleimhaut sollten auf diese Zusätze bestmöglich verzichten, um Reizungen zu vermeiden. Abschwellende Nasensprays und -tropfen sollten maximal eine Woche lang durchgehend angewendet werden und immer von der Nasenscheidewand weg, also nach außen hin, appliziert werden. Bei länger andauernder Anwendung entsteht die sogenannte Rhinitis medicamentosa, eine chronische Schwellung der Nasenschleimhaut ohne infektbedingten Hintergrund. Dieser Effekt wird durch Konservierungsmittel wie Benzalkoniumchlorid verstärkt, da dieses die mukoziliäre Clearance hemmt. Um zähes Nasensekret zu lösen, empfehlen sich Nasensprays und Nasenspülungen mit Salzwasser. Diesem können noch Wirkstoffe wie Dexpanthenol oder Natriumhyaluronat beigesetzt werden, um die befeuchtende und schleimhautregenerierende Wirkung zu fördern.