Die Klimakrise sei eine Gesundheitskrise und ein „medizinischer Notfall“, schreibt die Deutsche Allianz für Klimawandel und Gesundheit (KLUG) auf ihrer Website. Damit trifft sie den Nagel auf den Kopf. Der menschengemachte Wandel unseres Klimas wird die Gesundheit der Gesellschaft und das Gesundheitssystem in den kommenden Jahrzehnten auf eine harte Probe stellen. Welch vielfältige Herausforderungen dabei auf uns zukommen, zeigen folgende Beispiele: Hitze ist laut einer Untersuchung in Deutschland bereits für 96 % der Todesfälle durch Naturereignisse verantwortlich.1 Auch hitzebedingte Krankheitsfälle, etwa ausgelöst durch Dehydrierung und Überlastung des Herz-Kreislauf-Systems, häufen sich.2 In einer EU-weiten Studie geht man davon aus, dass durch den Anstieg der mittleren Temperatur rund 77 Mio. Europäer in den kommenden 20 bis 40 Jahren allergisch auf Pollen des Wilden Hanfs (Ambrosia artemisiifolia) reagieren werden, der sich immer mehr heimisch macht. Derzeit halten wir bei 33 Mio. Betroffenen …3 Die ständigen Nachrichten über neue Extreme sowie düstere Prognosen, wenn nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden, führen zu einem neuen Beschwerdebild, im angloamerikanischen Raum als „Climate Anxiety“ bezeichnet. Ärger, Sorgen und Zukunftsängste fallen darunter. Wie sehr die mentale Gesundheit dadurch mittlerweile belastet ist, zeigte eine Arbeit des Imperial College London aus dem Mai dieses Jahres. Vor allem junge Menschen haben diesbezüglich starke Ängste. Depressionen in Phasen von Wetterextremen nehmen zu, weil die Menschen das Thema nicht mehr loslässt und sich Hoffnungslosigkeit breit macht. Das Imperial College spricht bereits von versteckten zusätzlichen Kosten für das Gesundheitssystem. Gerade die psychische Komponente des Themas werde noch zu wenig wahrgenommen.4 In einer The-Lancet-Publikation ging man voriges Jahr noch einen Schritt weiter: Chronischer Stress bei Jugendlichen, der mit Climate Anxiety verbunden ist, könnte zu Veränderungen der Hirnstruktur der Heranwachsenden führen und in einem deutlich erhöhten Risiko für Psychopathologien für das spätere Leben resultieren.5
Es wird Zeit, dass der Zusammenhang Klimakrise – Gesundheit stärker in den Köpfen verankert ist, und zwar das ganze Jahr und nicht nur, wenn es gerade 38 Grad hat; und dass auch die soziale Frage dahinter gesehen wird. Schon jetzt zeigen Studien, dass Menschen mit schlechterem sozioökonomischem Status gesundheitlich stärker von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Diese Kluft könnte sich weiter verschärfen, da viele nicht das Geld für private Anpassungs- und Resilienzmaßnahmen haben. Und wie will man eigentlich Arzneimittel in einer brütend heißen Wohnung richtig lagern?