Bei akuten Wunden erfolgt der Wundverschluss meist sehr rasch, und potenzielle Krankheitserreger können durch das Immunsystem erfolgreich bekämpft werden. Bei chronischen Wunden ist hingegen die Wundheilung z. B. durch verminderte Perfusion, Diabetes mellitus und andere Erkrankungen krankhaft gestört. Unterschiedliche transiente Keime aus der Umgebung können sich bei fehlender Konkurrenz durch die residente Hautflora und bei oft eingeschränkter Immunität leicht ansiedeln.
„Das Keimspektrum reicht von Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes, Enterokokken, Pseudomonas aeruginosa, Enterobakterien und anaeroben Keimen bis zu multiresistenten Erregern (z. B. MRSA, ESBL), die besondere Hygiene- und Therapiemaßnahmen erfordern“, schildert Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Trautinger, Past-Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Wundheilung (AWA) und Leiter der Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten am LK St. Pölten.
Die Kolonisation einer Wunde mit Krankheitserregern ist jedoch nicht mit einer Infektion gleichzusetzen. Von einer Wundinfektion spricht man erst, wenn die Kardinalsymptome Rubor, Calor, Tumor, Dolor sowie Funktionseinschränkung vorliegen.
„Jede Wunde stellt eine Infektionsquelle dar, und schon aus diesem Grund sollte das Behandlungsziel immer ein möglichst rascher Wundverschluss sein“, definierte Trautinger. Infektionen chronischer Wunden sind schwere Erkrankungen, die ernst genommen werden müssen. Vor allem bei Diabetikern und Patienten mit arteriellen Durchblutungsstörungen ist eine verschleppte Wundinfektion nicht selten der Anlass für Gangrän und Amputation. Es gilt vorrangig die Keimverbreitung von Patient zu Patient bzw. durch den Behandler zu unterbinden, wobei die Händedesinfektion dem Händewaschen mit Seife (Ausschwemmung der Lipide und Zerstörung der Hautbarriere) vorzuziehen ist. Wichtig ist auch eine entsprechende Vorbeugung durch saubere, keimfreie Wundbehandlung und Einsatz von lokal wirksamen Antiseptika. „Aber nicht jede Wunde sollte prinzipiell mit antiseptischen Lösungen gespült oder gereinigt werden. Nur bei kritisch kolonisierten bzw. bei infizierten Wunden ist es notwendig, diese zu erkennen und auch richtig antiseptisch darauf zu reagieren“, empfiehlt AWA-Präsident Gilbert Hämmerle, DGKP, ZWM. „Der Einsatz systemischer Antibiotika ist hingegen, nach Auswertung repräsentativer Abstrichergebnisse, in jedem Fall indiziert. Eine lokale Antibiotikatherapie ist hingegen nicht empfohlen“, so Trautinger. Gleichzeitig mit der Wund- und Infektionsbehandlung sollte immer auch die Ursache der chronischen Wunde identifiziert und behandelt werden.
Folgende Faktoren sollten bei der Therapieentscheidung beachtet werden:
Ein besonderes Problem im Zusammenhang mit Wundinfektionen stellen Biofilme dar. „Sie sind extrem widerstandsfähig gegen Antibiotika und die immunologische Wirtsabwehr. Es wäre die nahezu unfassbare 1.500-fache Dosis eines Antibiotikums notwendig, um Keime mit Biofilmschutz zu eliminieren“, schildert Ao. Univ.-Prof. Dr. Michael Schintler, Klinische Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, MedUni Graz. Biofilme sind häufig die Ursache, dass chronische Wunden nicht heilen können bzw. können sie medizinische Implantate überziehen und verhindern damit eine Ausheilung der Wunde, solange die Implantate nicht wieder entfernt werden.
„Das oberste Prinzip der Infektchirurgie ist das radikale Debridement. ‚Ubi pus, ibi evacua‘, vielfach zitiert von Chirurgen, ist aber oft unzureichend. Alles nekrotische und infizierte Gewebe sollte im Falle von Extremitäten- oder lebensbedrohlichen Infektionen entfernt werden. Das chirurgische und scharfe Debridement gilt als Goldstandard besonders bei komplizierten Haut und Weichteilinfektionen“, erläutert Schintler. Die Beherrschung der Infektion könne allerdings im Falle der Persistenz von Bakterien oder der Insuffizienz von Antibiotika bei MRSA oder A. Baumannii schwierig sein. „In diesen Fällen ergänzen wir das Debridement durch die Instillationstechnik (V.A.C.-Technologie)“, so Schintler. Zum chirurgischen Wundverschluss dienen Sekundärnaht, Hauttransplantate, Lappenchirurgie oder freier Gewebetransfer.
Es bedarf eines sehr breiten Wissensspektrums und guten Einfühlungsvermögen um allen Anforderungen einer optimalen Wundbehandlung gerecht zu werden. „Fortbildungen und intensive Schulungen der Wundversorger sind bei der steten Zunahme der Informationen, Produkte und Technologien im Bereich der Wundversorgung unerlässlich“, appelliert Hämmerle. Die Initiative der AWA und der Österreichischen Ärztekammer mit dem Zertifikat „Ärztliches Wundmanagement“ konnte ein wenig zur Verbesserung der Versorgung von Patienten mit chronischen Wunden beitragen.
Die AWA fordert zudem ein Netzwerk interdisziplinär ausgerichteter Spezialeinrichtungen, wie in den skandinavischen oder anglikanischen Ländern üblich. „Dieses wird wohl noch einige Jahre auf sich warten lassen, die neue Gesundheitsreform lässt uns aber hoffen“, so AWA-Generalsekretär Univ.-Prof. Dr. Gerald Zöch. „Ein weiterer Fortschritt sollte die Aufnahme der Wundbehandlung als eigenes Modul in die postpromotionelle Ausbildung im Rahmen der kommenden Reform der Ärzteausbildung bringen.“ Auch ein flächendeckendes Neuropathie-Screening, wie es internationale Standards verlangen, und eine entsprechende Vergütung für Hausärzte wären längst an der Zeit.
Immerhin 40 % der Wundpatienten führen die Verbandswechsel selbst durch oder werden von Angehörigen versorgt. „Diese Tatsache unterstreicht die Forderung nach einer guten Patienten- und Angehörigenschulung. Diese sollte nicht nur hygienische Anforderungen und die Informationen zur Besorgung und Handhabung der Verbandsprodukte beinhalten, sondern eine intensive Auseinandersetzung mit unterstützenden bis zu entscheidenden Maßnahmen, wie z. B. Venenkompression, Lagerung, geeignetes Schuhwerk oder Änderungen im Lebensstil“, so Hämmerle. „Hausärzte haben eine Schlüsselfunktion in der Schulung ihrer Patienten. Banale, aber oft verkannte Maßnahmen, sind: Neben dem bereits erwähnten Händewaschen vor und nach Manipulation der Wunde sollen die Hände im Anschluss mit einem sauberen, frischen Handtuch getrocknet werden. Beim Verbandwechsel soll grundsätzlich mit Einmalhandschuhen gearbeitet werden, Haustiere haben dabei nichts verloren. Das Verbandmaterial soll zudem auf einer sauberen Unterlage abgelegt, und das abgenommene Verbandmaterial muss sofort entsorgt werden“, ergänzt DGKS Sonja Koller, MBA, MSc, Leiterin der Wundambulanz am Landesklinikum Melk.