Neues am Markt: Migräne, aktinische Keratose, Plaque-Psoriasis

Nachdem Spreitzer zu Beginn des Vortrages über die wichtigsten COVID-19-Therapeutika berichtet hat (Apotheker Krone 23/2022), gibt es auch bei der Therapie und Prophylaxe der Migräne etliche spannende Neuerungen vorzustellen. Weiters am Programm: Therapie der aktinischen Keratose und ein neuer dualer Inhibitor bei Plaque-Psoriasis.

Neue Möglichkeiten zur Migräne­therapie und -prophylaxe

„Grundsätzlich ist die Migräne eine neurogene Entzündung“, berichtete Spreitzer. So werden alle Blutgefäße im Gehirn durch den Trigeminusnerv innerviert. Liegt eine Migräne vor, kommt es initial zu einer Überaktivität von Nervenzellen im Hirnstamm, der Trigeminusnerv leitet in Folge Schmerzsignale an das Gehirn weiter, es kommt zur Gefäßdilatation und zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren (u. a. Calcitonin Gene-related Peptide, CGRP), die Gefäßpermeabilität nimmt zu, und die Aktivierung von Mastzellen führt zu einer sterilen neurogenen Entzündung. Die Patient:innen leiden unter pulsierenden Kopfschmerzen, unter Übelkeit/Erbrechen sowie Licht- und Lärmempfindlichkeit. Der Mediator CGRP spielt eine wichtige Rolle bei Entstehung, Aufrechterhaltung und Chronifizierung der Migräne. Zu Beginn einer Migräneattacke sind die Pegel von CGRP hoch, am Ende sinken sie wieder auf ein normales Level. Spreitzer: „Bei Versuchspersonen konnte man sogar durch injiziertes CGRP Migräneattacken provozieren.“

Als eine quasi Weiterentwicklung der Triptane gibt es nun den Wirkstoff Lasmiditan (Rayvow®-Tabletten) für die Akuttherapie. Er fungiert als Agonist am 5HT1F-Rezeptor (Triptane: 5HT1B/1D-Agonisten) und bewirkt eine Hemmung der Freisetzung von CGRP, eine Vasokonstriktion der kranialen Gefäße, eine Unterbindung der Schmerzweiterleitung und eine Hemmung des neuronalen Entzündungsprozesses. Allerdings fehlt hier die periphere Komponente der Vasokonstriktion, das bedeutet, Lasmiditan ist bei koronaren Herzkrankheiten nicht kontraindiziert wie die Triptane. „Die Wirkung ist vergleichbar mit jener der Triptane, je nach Literatur vielleicht etwas schwächer,“ berichtete Spreitzer, „als Nebenwirkung wird vor allem Benommenheit beobachtet.“

Bezüglich der Migräneprophylaxe hat sich in den vergangenen Jahren etliches getan. Es sind mehrere monoklonale Antikörper auf den Markt gekommen, die entweder an den CGRP-Rezeptor binden und diesen damit für den Mediator blockieren (Erenumab/Aimovig®) oder sich direkt an CGRP heften und dieses dadurch inaktivieren (Fremanezumab/Ajovy®, Galcanezumab/Emgality®). Alle diese Präparate sind für Patient:innen mit mind. vier Migränetagen/Monat zugelassen und erreichen laut Spreitzer in etwa eine Halbierung der Migränetage. Die neueste Entwicklung ist Eptinezumab (Vyepti®) mit dem gleichen Wirkmechanismus der beiden letztgenannten. Spreitzer: „Vyepti® muss aber nur alle drei Monate i. v. verabreicht werden, es zeigt einen sehr raschen Wirkungseintritt, im Allgemeinen eine gute Verträglichkeit und Ansprechraten im Bereich von etwa 50–60 %.“

Eine Hemmung von CGRP ist neuerdings auch oral möglich: Rimegepant (Vydura®) ist das erste Migränemittel, das sowohl für die Akuttherapie als auch Prophylaxe (Einnahme dann jeden zweiten Tag) der Migräne geeignet ist und als Schmelztablette eingenommen wird. Es weist eine gute Verträglichkeit auf und kann auch bei Patient:innen mit kardiovaskulären Risikofaktoren eingesetzt werden. Durch die CYP3A4-Metabolisierung von Rimegepant kann es Interaktionen geben. „Leider hat sich gezeigt, dass Rimegepant in der Akuttherapie nur etwas mehr als halb so gut wirksam wie die Triptane ist“, berichtete Spreitzer, „wir werden aber in Zukunft noch etliches über die Wirkstoffgruppe der ‚Gepante‘ hören, Rimegepant ist nur der erste Vertreter der oralen CGRP-Hemmer“, so Spreitzer.

Aktinische Keratose

Aktinische Keratosen sind präkanzeröse Stellen als Folge von Hautschäden durch kumulative UV-Strahlung und äußern sich in rötlichen oder hautfarbenen, fest haftenden Rauigkeiten der Hautoberfläche. Sie sind als Carcinoma in situ klassifiziert, da sie sich zu einem Plattenepithelkarzinom entwickeln können. Häufig liegt der Erkrankung eine Mutation des p53-Gens zugrunde. Spreitzer: „Das Protein p53 ist quasi der Wächter unseres Genoms.“ P53 hat wichtige Funktionen bei der Initiierung von Zellreparatur und Apoptose, also des kontrollierten Zelltods. Bei p53-Mutationen können diese Reparaturmechanismen ausfallen und das maligne Wachstum nicht einbremsen.

Tirbanibulin (Klisyri®-Creme) ist ein Hemmer der Tubuline, die Bausteine der Mikrotubuli. Diese röhrenförmigen Proteinstrukturen sind u. a. essenziell bei der Zellteilung. Deren Blockade verhindert also die korrekte Zellteilung. Klisyri® wird an fünf aufeinander folgenden Tagen im Rahmen einer Feldtherapie auf die betroffenen Stellen aufgetragen. Als Nebenwirkungen kommen etwa lokale Entzündungen oder Schuppungen vor.

Duale Blockade bei Plaque-Psoriasis

Plaque-Psoriasis ist eine systemische, T-Zell-vermittelte Autoimmunerkrankung, vermutlich gegen Melanozyten. Proinflammatorische Zytokine (u. a. TNF-α, IL-17, IL-23) werden ausgeschüttet, es kommt zu einer Entzündungsreaktion mit nachfolgender Hyperproliferation der Keratinozyten. Die Erkrankung äußert sich in roten, oval-rundlichen, abgegrenzten Hautstellen mit verdickten Hautstellen (Plaques), die von trockenen, sich ständig ablösenden Schuppen bedeckt sind. „Diese Schuppen entstehen, weil bei Plaque-­Psoriasis die Dauer der Erneuerung der Epidermis von normalerweise vier Wochen auf wenige Tage verkürzt ist“, betont Spreitzer.

Zeitlich gesehen gab es als erstes TNF-α-Inhibitoren als zielgerichtete Therapieoption, mittlerweile sind zahlreiche Biosimilars am Markt. Gefolgt wurden sie von zahlreichen Interleukin-Inhibitoren, die als monoklonale Antikörper entweder IL-23 oder IL-17A adressieren. Um zu verstehen, warum es von letzteren etliche mit eben unterschiedlichen Angriffspunkten gibt, erläutert Spreitzer die Hauptachse, welche im Entzündungsgeschehen bei Plaque-Psoriasis aktiviert wird, folgend: Dendritische Zellen, Monozyten und Makrophagen geben IL-23 ab, wodurch naive T-Zellen zu T-Helferzellen vom Typ 17 aktiviert werden. Letztere geben IL-17 ab – die Subtypen IL-17A und IL-17F entfalten proinflammatorische Wirkung. Als erstes wurde der Wirkstoff Ustekinumab auf den Markt gebracht, der am Anfang der erwähnten Kaskade IL-23 blockiert. Spreitzer: „Im Laufe der Zeit hat man festgestellt, dass dieser aber zusätzlich IL-12 blockiert und IL-12 auch antiinflammatorische Effekte hat.“ In der Folge ging man dazu über, eher am Ende der Kaskade einzugreifen, und entwickelte IL-17A-Inhibitoren sowie IL-23-Inhibitoren ohne Interaktion mit IL-12. Die rezenteste Neuerung auf diesem Gebiet ist eine duale IL-17A/17F-Inhibiton.

Spreitzer verglich auch die IL-23- mit den IL-17-Inhibitoren: „Grundsätzlich brauchen IL-23-Inhibitoren etwas länger, bis sie wirken, müssen dafür aber nicht so häufig gegeben werden. IL-17-Inhibitoren wirken schneller, haben aber den Nachteil, dass sie eher zum Wiederaufflammen zuvor bestehender chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen führen können.“ Interessant findet Spreitzer auch, dass IL-17-Inhibitoren eher Candidosen begünstigen.

Bimekizumab (Bimzelx®) ist ein dualer IL-17A/17F-Inhibitor. Spreitzer: „Er muss alle acht Wochen subkutan appliziert werden und bewirkt ein schnelles und laut Dreijahresdaten anhaltendes Ansprechen.“ Die Mehrheit der Probanden hatte nach 16 Wochen Therapiedauer ein praktisch erscheinungsfreies Hautbild (vgl. PASI-Score = Psoriasis Area and Severity Index). Vorsicht ist bei Patient:innen mit Infektionen oder entzündlichen Darmerkrankungen in der Anamnese geboten. An Nebenwirkungen hat man v. a. Überempfindlichkeitsreaktionen, Infektionen der oberen Atemwege und eben Candidosen beobachtet.