Extremwetterereignisse mit Hitze, extremen Niederschlägen, Vermurungen, längeren Blühzeiten und damit verbundene verstärkte Belastung für Allergiker, fotochemischer Smog, neue Infektionskrankheiten in unseren Breiten – die Auswirkungen dessen, was wir einst als Klimawandel bezeichnet haben und nun als „Klimakrise“ einstufen müssen, treffen unsere Gesundheit auf vielfache und bedrohliche Weise. „Betroffen sind wir alle“, sagt Prof. DI Dr. Hans-Peter Hutter vom Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien.
Hutter forscht seit über 20 Jahren an der Thematik.
„Es gäbe zuhauf Forschungsergebnisse, aus denen wir Konzepte erstellen und Handlungsempfehlungen ableiten können. Die einzige Antwort, die fehlt, lautet: Wie schaffen wir es, dass wir rasch in die Umsetzung kommen? Das ist derzeit das Missing Link.“ Zudem gebe es noch keine generelle Betroffenheit in der Bevölkerung. „Es ist ein Thema, das man gerne von sich wegschiebt.“
An die Menschen in Gesundheitsberufen appelliert Hutter: „Wir haben eine tragende Funktion, eine Vorreiterrolle. Klimaschutz ist Gesundheitsschutz, daher sollten wir uns deutlich mehr engagieren.“ Das Gesundheitssystem hinterlasse einen zu großen CO2-Fußabdruck. Auch hier brauche es eine Vorreiterrolle. „Vorschläge für Maßnahmen gibt es, wir müssen sie nur endlich durchführen.“ Der Mediziner, der die verständliche Vermittlung von Umweltrisiken zu einem seiner beruflichen Schwerpunkte gemacht hat, wünscht sich auch ein proaktives Zugehen auf die Bevölkerung, wenn es um die Anpassung der Verschreibung und der Einstellung von Medikamenten geht. „Bei Hitze ist vieles im Organismus komplett anders. Vielleicht muss ein Diuretikum anders eingestellt werden, wenn man viel schwitzt. Eventuell muss in der Antihypertensiva-Dosierung etwas verändert werden. Hier sind wir gefordert, denn von sich aus werden die Patienten mit solchen Anliegen nicht kommen.“
Durch Pandemie, Wirtschaftskrisen, Ukraine-Krieg und Teuerungen ist das Thema Klimaschutz zuletzt ins Hintertreffen geraten. Allerdings können wir uns einen weiteren Aufschub der Maßnahmenumsetzung nicht leisten, wie Hutter betont: „Vor einigen Jahren dachten wir noch, wir hätten wenigstens ein Zeitfenster bis 2040. Ich muss aber leider alle enttäuschen. Es sind jetzt nur noch kritische zehn Jahre, in denen die Transformation gelingen muss, sonst schaffen wir die Begrenzung auf +2 °C Anstieg nicht und die 1,5 °C schon gar nicht. Danach wird es enorm schwierig, weil Systeme kippen werden und das irreversible Folgen für uns alle hätte.“