Pandemiemüdigkeit | WHO-Regionaldirektor zeigt neue Wege in der Kommunikation auf

Auch wenn sich die pandemische Situation in Mitteleuropa gerade etwas entspannt und Lockerungen der Restriktionsmaßnahmen durchgeführt werden, ist ein Phänomen dennoch sehr präsent: eine pandemische Erschöpfung, im Englischen als „pandemic fatigue“ bezeichnet. Demotivation, leichte Verzweiflung und ein Unwille, Maßnahmen auch weiterhin zu befolgen, fallen darunter. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die „pandemic fatigue“ bereits im Herbst vorigen Jahres beschrieben und als erwartete, natürliche Antwort auf eine lang andauernde Gesundheitskrise definiert. Eigentlicher Auslöser ist der direkte Eingriff ins Alltagsleben der Menschen. Die Fatigue entwickelt sich erst allmählich und wird durch kulturelle Faktoren ebenso beeinflusst wie durch persönliche Emotionen und Erfahrungen sowie durch individuelle psychische und physische Kapazitäten. In einem auf Einladung des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen (BÖP) stattfindenden Vortrag erläuterte Dr. Hans Kluge, Regionaldirektor für Europa der WHO, die beiden Hauptbereiche des Phänomens: Die Verhaltenserschöpfung („behavioural fatigue“), die sich darin äußerst, zunehmend unmotivierter für COVID-19-Bekämpfungsmaßnahmen zu sein, und die Informationserschöpfung („information fatigue“). Als protektive Faktoren sind unter anderem Selbstwirksamkeit, mentale Fähigkeiten, Gesundheitskompetenz („health literacy“) und Bewusstseinsbildung („awareness“) definiert. Eine wichtige Maßnahme in der Kommunikation sei das Motto „Do differently!“ anstelle von „Do not!“, erklärte Kluge in seinem Vortrag. Dies umfasse auch, eine Art Leitfaden für eine sichere soziale Interaktion zu erstellen, um Menschen Raum zu geben, ihr Leben zu gestalten. Ermögliche man von staatlicher Seite der Bevölkerung, Dinge in einem gewissen Rahmen aktiv zu tun, werden die Vorgaben effektiver umgesetzt. Ordnet man Maßnahmen an, die dem Einzelnen unmöglich erscheinen, würde die Umsetzung erst gar nicht probiert, gab Kluge einen Einblick in die Psyche und appellierte dabei gleichzeitig an die Staaten, ihre Kommunikation zu überdenken.


Quellen: WHO Regional Office for Europe, Pandemic fatigue – reinvigorating the public to prevent COVID-19. Policy framework for supporting pandemic prevention and management. Copenhagen 2020. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO. Berufsverband Österreichischer PsychologInnen, Pandemic fatigue – Facing a new mental health challenge. What has to be done?