Pflanzliches in Schwangerschaft und HNO-Heilkunde

Phytos in der Schwangerschaft

Dr. Falch empfahl folgende, grobe Risikoabschätzung und entsprechende Zurückhaltung bei Drogen mit Inhaltsstoffen wie

  • Alkaloide
  • Saponine
  • Cumarine
  • Cucurbitacine
  • Sesquiterpenlaktone
  • und Anthrachinone

wobei auch die eingesetzten Mengen zu bewerten sind. Estragol wirkt z. B. nur in unüblich hohen Dosen fruchtschädigend, nicht aber in der Normdosis. Eine genaue Auf­stellung ist in den Monografien der WHO, den Assessment-Reports des Komitees für pflanzliche Arzneimittel der EMA unter „Find medicine“ und den ESCOP-Monografien zu finden.

Während eine einmalige Einnahme von Arzneimitteln als wenig riskant gilt, ist jede Langzeitbehandlung auf ihre Notwendigkeit hin zu überprüfen. Im Gegensatz zu chemisch synthetischen Präparaten sind laut Falch Phytopharmaka-Kombinationen nicht von Haus aus verpönt. In der Risikobewertung rangieren, nach den Wirkstoffmengen, Inhalate vor Tees und Tinkturen. Bei Homöopathika zog Falch die Grenze zum stofflich bedenklichen Bereich bis D6.

Aus geschichtlichen Quellen kennt man die wehentreibenden und uterusaktiven Pflanzen recht gut. Teilweise sind sie von der Anwendung als Gewürz oder als Arzneidroge bekannt, wie Petersilien- oder Ingwerwurzel. Drogen mit ätherischem Öl gelten in der Schwangerschaft als bedenklich, weil sie Phenolkörper und Ketone enthalten können, wie Gewürznelken und Eukalyptusöl!

Einzelbeispiele

Nach dieser allgemeinen Einleitung ging Falch auf einzelne Beschwerdebilder während der Schwangerschaft und deren Behandlung mit pflanzlichen Arzneimitteln ein.

Übelkeit und Erbrechen: Hier lautete ihre Empfehlung vor dem Aufstehen eine Tasse eines Tees in der üblichen Dosierung und etwas Zwieback zu sich zu nehmen. An verwendbaren Drogen nannte sie

  • Fenchelfrüchte
  • Brombeerblätter
  • Melissenblätter
  • Kamillenblüten (nur kurzfristig; hohe Dosen wirken emenagog)
  • Pfefferminzeblätter (auf eine Woche beschränken, da Reflux möglich)

Die Ingwerwurzel wurde von Falch als Mittel zweiter Wahl eingestuft und nur für die kurzfristige Anwendung in kleinen Dosen empfohlen: einen halben Teelöffel Wurzelpulver mit Wasser aufkochen, 5 Minuten ziehen lassen und 1–3 Tassen davon täglich trinken. Eine Variante wäre das Kauen frischer Wurzelstücke, die eventuell auch kandiert sein können. Beim Fertigpräparat Zintona zog sie die Obergrenze von 5 Kapseln à 250 mg pro Tag.

Sodbrennen: Es tritt besonders in der 2. Schwangerschaftshälfte auf. Symptomlindernd sind Tees (maximal 4 Tassen pro Tag), nach, oder zwischen den Mahlzeiten in kleinen Schlucken getrunken:

  • Anisfrüchte
  • Fenchelfrüchte
  • Kamillenblüten
  • Eibischblätter und -wurzeln

Obstipation: Hier liegt der Schwerpunkt bei den pflanzlichen Füll- und Quellmitteln wie Flohsamenschalen, indischen Flohsamenschalen und Leinsamen, die auch zur Langzeitverwendung geeignet sind.

„United Airways“

Mit dieser Bezeichnung charakterisierte Prof. Temmel den pathomechanistischen Zusammenhang zwischen den oberen und unteren Luftwegen, der eine scharfe Abgrenzung von Infekten wie Rhinitis, Sinusitis oder Bronchitis unmöglich macht. Rund 80 % der Infekte beginnen viral und sprechen daher am Beginn auf Antibiotika nicht an. Die selbstlimitierte Erkrankung sollte nach 10 Tagen abgeklungen sein. Achtung: Eine akute bakterielle Infektion manifestiert sich durch eine Verschlechterung nach 5 Tagen oder eine Fortdauer der Symptome nach 10 Tagen und sollte dann den Patienten zum Arzt führen!

Die Therapie und ihre Ziele

Eine gerade beginnende Erkältung behandelt Temmel bei den ersten Anzeichen mit einem NSAR zur Hemmung der Entzündung und der Fieberreaktion. Zur Abschwellung dienen Sympathomimetika, und die Broncholytika sollen den Sekrettransport sowie den Auswurf erleichtern. Bei stark ansteigendem Fieber (> 38,5 Grad), ausgeprägten Beschwerden und im Falle von Risikopatienten setzt er auf Antibiotika, um einen komplikativen Verlauf zu verhindern.
Eine Absage erteilte Temmel dem Vitamin C und Zink, weil positive Effekte auf den Krankheitsverlauf fehlen, und den Antihistaminika, weil sie nur bei allergischen Atemwegserkrankungen sinnvoll sind. Im Gegensatz dazu haben Expektoranzien die Fähigkeit, eine Mukostase aufzuheben bzw. zu verhindern, indem sie

  • sekretolytisch (Sekretionssteigerung der Drüsen in der Schleimhaut)
  • mukolytisch (Verminderung der Schleimviskosität) und
  • sekretomotorisch (Aktivierung der Bewegung des Flimmerepithels)

wirken. Dabei kommt ihnen ihre antiinflammatorische, spasmolytische und antimikrobielle Wirkung auf dem respiratorischen Epithel zugute.

Besonderheiten pflanzlicher Arzneimittel

Temmel erwähnte die verschiedenen Drogen wie Thymian, Eukalyptus, Primel, Efeu oder Eibisch und ging auch auf die Problematik von Teemischungen ein. Er fühlt sich bei Tees unsicher, weil die Dosierung ungenau ist, bei der Anfertigung Fehler gemacht werden können und die Qualität der eingesetzten Droge von der Herkunft abhängt. Immerhin sammeln manche Leute die Pflanzen selbst oder kaufen sie im guten Glauben auf Bauernmärkten. Daher vertraut er eher den standardisierten Fertigpräparaten, von denen er einzelne besprach.
Bekanntlich lösen ätherische Öle einen gastropulmonalen Reflex aus, der den Sekretzustand und die Zilienbewegung positiv beeinflusst.

Myrtol: unter den Präparaten mit ätherischem Öl sticht jenes mit Myrtol hervor, das als magensaftresistente Kapsel 300 mg rektifiziertes Eukalyptusöl, Süßorangenöl, Myrtenöl und Zitronenöl im Verhältnis 66:32:1:1 enthält. Trotz Xylometazolin-Sprayanwendung mit 4-mal 2 Sprühstößen konnte Myrtol in einer Studie den Symptomencore statistisch signifikant noch weiter verbessern! Temmel bezog sich dabei auf die aktuelle Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für HNO. Wirkungsmäßig besticht das breite Spektrum von Öldrogen-Zubereitungen.

„Primelmischung“: Mit diesem Terminus bezeichnen die HNO-Ärzte ein Extraktpräparat aus der Schlüsselblume mit weiteren 4 Bestandteilen (Enzianwurzel, Sauerampferkraut, Holunderblüten, Eisenkraut), das seit Jahrzehnten im Handel ist und bei akuter purulenter Sinusitis und Nebenhöhlenverschattung gemeinsam mit Antibiotika und abschwellenden Nasentropfen additive therapeutische Effekte zeigt. Seine Wirkung auf die Schleimbeschaffenheit kommt über eine Vagusreizung zustande. Efeuzubereitungen bauen ebenfalls auf den Saponingehalt auf, sind aber kaum in Kombinationen zu finden.