Phytotherapeutika – etablierte Helfer!

Prinzipiell weist die akute symptomatische unkomplizierte (ohne anatomische oder funktionelle Veränderungen und Komorbiditäten) Zystitis ein hohe Spontanheilungsrate auf; von einer rezidivierenden Zystitis spricht man, wenn innerhalb von 6 Monaten mindestens 2 oder innerhalb eines Jahres mindestens 3 symptomatische Episoden erfolgt sind. Die Therapie soll vor allem die Symptome schneller zum Abklingen bringen, eine ­Ausweitung auf die oberen Harnwege (Pyelonephritis) verhindern und die Rezidivrate senken. ­Daher wird laut S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie prinzipiell die Antibiotikatherapie als Kausaltherapie empfohlen, bei leichten oder mittelgradigen Beschwerden nichtschwangerer Frauen in der Prämenopause ohne Komorbiditäten (Standardgruppe) kann als Alternative aber auch eine rein symptomatische Therapie in Betracht gezogen werden. Phytopharmaka finden als Antiinfektiva und Adjuvanzien zur Unterstützung der Antibiose ein breites Betätigungsfeld. Je nach Inhaltsstoffen hemmen sie die bakterielle Adhäsion und wirken als Desinfizienzien oder Aquaretika.1 Wir haben einige wichtige Vertreter für Sie herausgegriffen.

Adhäsionshemmer

Die Cranberry (Großfrüchtige Moosbeere, Vaccinium macrocarpon) zählt in Nordamerika längst zum therapeutischen Standard und kommt nun auch bei uns immer mehr zur Anwendung. Sie ist eng mit den heimischen Heidel- und Preiselbeeren verwandt, allerdings sind ihre Früchte deutlich größer. Die antibakterielle Wirkung beruht auf den zu den Flavonoiden gehörenden Proanthozyanidinen, die vor allem die Adhäsionsfähigkeit von Escherichia coli, möglicherweise auch von Helicobacter pylori, herabsetzen, und wurde bereits in mehreren evidenzbasierten klinischen Studien nachgewiesen.2 Da Flavonoide als Polyphenole starke Antioxidanzien sind, beugt die Cranberry im Rahmen der Immunabwehr auch oxidativem Stress vor, außerdem hilft sie bei der Ausschwemmung von Oxalaten und erschwert so die Bildung von Nierensteinen.3

Aquaretika

Die Riesengoldrute (Solidago gigantea) ist mit ihren rispenartig angeordneten gelben Blütenständen und einer Höhe von bis zu 2 Metern eine imposante Staude, die ursprünglich in Nordamerika beheimatet war. In Europa wurde sie als Gartenpflanze genutzt und ist nun durch Auswilderung in Auwäldern, an Uferböschungen, auf Brachland und als Ruderalpflanze zu finden. Die als Droge geeigneten oberirdischen Teile stammen hauptsächlich aus Wildbeständen. Sie enthalten 3,8 % Flavonoide: (Hauptkomponente Quercitrin) und ca. 0,8–1,9 % Triterpensaponine, im Unterschied zum Echten Goldrutenkraut (Solidaginis virgaureae herba) fehlt aber die als Aglykon auftretende Polygalasäure. Darüber hinaus weist die Riesengoldrute eine größere Anzahl verzweigter Zuckermonomere in den Oligosacchariden auf, außerdem Diterpene, 0,5 % ätherisches Öl (vor allem Germacren D und Cyclocolorenon), 2–2,3 % freie, veresterte oder glykosidisch gebundene Phenolcarbonsäuren, Gerbstoffe und Polysaccharide. Riesengoldrutenkraut wirkt diuretisch und aufgrund der Flavonoide und Kaffeesäure antiphlogistisch.4

Ursprünglich von Amerika ausgehend werden Kürbisse mittlerweile weltweit kultiviert. Bei uns gilt vor allem der steirische Ölkürbis als wertvoll, da seine Samen (Cucurbitae semen) besonders viel Δ7-Sterole und Selen enthalten. Generell finden sich in Kürbiskernen ca. 1 % Steroide, Tocopherol (Vitamin E) und weitere Spurenelemente wie Jod, Mangan, Zink und Kupfer, 30–50 % fettes Öl, 6–10 % Kohlenhydrate sowie 25–50 % zum Teil antioxidative Proteine.4 Die pharmakologische Wirkung ist im Gegensatz zur klinischen wenig belegt, man geht aber davon aus, dass Phytosterole vor allem den Prostaglandin- und Polaktinstoffwechsel beeinflussen und Tocopherol und Selen für eine antiphlogistische und antioxidative Wirkung sorgen.2 Interessanterweise wurde auch eine hemmende Wirkung auf die Acetylcholinesterase nachgewiesen.1

Schon im Mittelalter wurden Birkenblätter (Betulae folium) gegen die Bildung von ­Nie­­ren- und Blasensteinen eingesetzt, ihre Stammpflanzen Betula pendula und Betula pubescens sind in den gemäßigten Klimazonen Eurasiens beheimatet. Da junge Blätter einen höheren Gehalt an Inhaltsstoffen aufweisen, werden sie meist im Frühjahr gesammelt. Neben 1,5–3,5 % ­Flavonoiden (v. a. Hyperosid und Avicularin) und weiteren Polyphenolen (Derivate der ­Gallussäure) beinhalten sie in geringem ­Ausmaß Ascorbinsäure, ätherisches Öl, ­Kaliumsalze, ­Monoterpenglucoside und 3′,4′-Dihydroxypropriophenon-3-β-D-Glucosid. Die Flavonoide dürften für die aquaretische Wirkung verantwortlich sein, indem sie die neutrale Metalloendopeptidase (NEP) hemmen und dadurch zur rascheren Harnbildung und Ausscheidung beitragen, möglicherweise unterstützt durch den hohen Vitamin-C-Gehalt und die ätherischen Öle. Außerdem wurde nachgewiesen, dass Extrakte aus Birkenblättern die Biofilmbildung uropathogener E.-coli-Bakterien hemmen.4