Zeigen Menschen mit Demenz ein auffälliges Verhalten, sollte immer an die Möglichkeit von Schmerzen gedacht werden. In diesem Fall sind Antipsychotika nicht die erste Wahl bei Verhaltensauffälligkeiten, vielmehr ist ein angemessenes Schmerzmanagement von zentraler Bedeutung.
Bei der Schmerzmessung sollte, wenn möglich, einer Selbstbeurteilung der Vorzug gegenüber der Fremdbeurteilung gegeben werden. Die VRS (visuelle Ratingskala) ist auch für Menschen mit milder Demenz zur Schmerzerfassung gut geeignet. Bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz muss auf Signale der nonverbalen Kommunikation zurückgegriffen werden. Wichtige Hinweise auf eine Schmerzsymptomatik können lautsprachliche Äußerungen (zum Beispiel gequälte Lautäußerungen), mimische Hinweise (zum Beispiel angespannter Gesichtsausdruck, Grimassieren, Stirnrunzeln oder eine starre Mimik), Verhaltensindikatoren (etwa Verhaltensänderungen, Appetitverlust, Verwirrtheit, ängstliche Abwehr von Berührung, keine Reaktion auf Trost oder Zuwendung) oder physische Indikatoren (zum Beispiel veränderter Atemrhythmus, Tachykardien, Verschlechterung des Allgemeinzustandes) sein. Für diese Personen gibt es geeignete Skalen der Fremdbeurteilung wie die BESD (Beurteilung von Schmerz bei Demenz). Ebenso ist die Doloshort-Skala gut geeignet, weil alle Komponenten des Schmerzes (somatisch, psychomotorisch, psychosozial) erfragt werden.
Eine einmalige Schmerzerhebung ist nicht ausreichend, sondern wiederholte Messungen sind im Sinne einer Evaluierung des Therapieerfolges und möglicher Nebenwirkungen erforderlich. Besonders wichtig dabei sind ein interdisziplinärer Zugang und strukturierte Schmerzfortbildungen des gesamten multiprofessionellen Teams. Ein standardisiertes Schmerzprotokoll verbessert bei Bewohner:innen von Pflegeheimen mit mäßiger bis schwerer Demenz nicht nur den Schmerz, sondern auch Agitation und Aggression. Schmerzreduzierende Maßnahmen führten zudem auch zu einer Reduktion von antipsychotischen Medikamenten.
Für die vulnerable Gruppe kognitiv beeinträchtigter Schmerzpatient:innen ist eine gut abgestimmte und umfassende Therapie erforderlich, welche die bestmögliche Schmerzlinderung bei möglichst weitgehender Vermeidung potenziell negativer Nebenwirkungen von Therapien sicherstellt. Das Schmerzmanagement sollte von wichtigen Grundsätzen wie Individualität, Multimodalität, Mechanismus-Basierung, Prävention, Genderunterschieden oder Berücksichtigung der Chronobiologie geprägt sein.
Der Einsatz von Medikamenten zur Schmerzbehandlung bei Patient:innen mit Demenz wird oftmals limitiert durch Multimorbidität, Gebrechlichkeit und Polymedikation. Nicht nur aus diesem Grund, sondern auch im Sinne des multimodalen Ansatzes der Schmerztherapie sind nichtmedikamentöse Alternativen in das Therapiekonzept zu integrieren. Besonders Verfahren der physikalischen Medizin stellen eine gut verträgliche Therapieoption dar, die aber auf die Bedürfnisse und funktionellen Möglichkeiten der Patient:innen abgestimmt werden müssen. Auch der Einsatz von minimalinvasiven interventionellen Verfahren sollte bei entsprechenden Schmerzlokalisationen in Betracht gezogen werden. Als topische Therapie kommen bei neuropathischen Schmerzen Lidocain-Pflaster, Capsaicin-8%-Pflaster und Botulinumtoxin zur Anwendung.