Seggauer Fortbildungstage 2012 – State-of-the-Art aus dem Weinland

Auch heuer konnte Univ.-Doz. Dr. Hans Wolfgang Schramm wieder namhafte Vortragende aus dem In- und Ausland zu interessanten Themen für die Veranstaltung gewinnen. Die informativen Vorträge wurden durch eine Fachausstellung mit OTC-Präparaten namhafter Hersteller ergänzt. Das Abendprogramm am Samstag bot kulinarische Genüsse aus Küche und Keller des Schlosses auf Einladung der Firma Kwizda Pharmahandel. Umrahmt wurde die Veranstaltung durch die malerische Landschaft der Südsteirischen Weinstraße.


Status quo der Rheumatherapie

Das dominierende Thema an diesem Wochenende war die Therapie rheumatischer Erkrankungen. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Manger von der Universitätsklinik Erlangen-Nürnberg gab einen interessanten Überblick über die Behandlung der chronischen Polyarthritis (rheumatoide Arthritis, RA). Zu betonen ist insbesondere, dass ein möglichst früher Therapiebeginn eine deutliche Reduktion der Beschwerden bringt und somit eine wesentliche Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Patienten zur Folge hat. Als Mittel erster Wahl wird nach wie vor Methotrexat (MTX) eingesetzt, je nach individuellem Befund auch in Kombination mit oralen Glukokortikoiden. Interessant scheint eine (in Deutschland verwendete) galenische Form, die bei abendlicher Einnahme das Kortikoid in den frühen Morgenstunden während des Schlafes freisetzt und somit eine optimale Wirkung gegen die morgendlichen Beschwerden erzielt. Empfohlen wird begleitend zu MTX eine konsequente Folsäuresubstitution, wobei 5 mg Folsäure am Tag nach der MTX-Gabe ideal zu sein scheinen. Wichtig ist auch der Hinweis auf eine verlässliche Kontrazeption bei Frau und Mann (!) während der MTX-Therapie, bei Kinderwunsch muss zuvor eine zumindest 3-monatige Therapiepause erfolgen.

Wird nach 3 bis 6 Monaten keine zufrieden stellende Besserung erzielt, so können ergänzend zu MTX oder als Monotherapie Biologika zum Einsatz kommen. Die meiste Erfahrung hat man diesbezüglich bisher mit TNF-Blockern, wie z. B. Adalimumab, Etanercept oder Infliximab. Aber auch Wirkstoffe mit anderen Angriffspunkten (z. B. Rituximab, Tocilizumab) finden in der Praxis Anwendung. Die Auswahl erfolgt individuell und richtet sich neben der Verträglichkeit nicht zuletzt auch nach jeweils bevorzugten Applikationsformen, möglichem Applikationsintervall oder dem Zulassungsstatus (manche Arzneimittel sind beispielsweise nur in Kombination mit MTX zugelassen etc.).

Auch andere DMARD kommen heute durchaus noch zum Einsatz. Insbesondere bei Unverträglichkeit oder Kontraindikation von MTX stehen Substanzen wie Leflunomid, Sulfasalazin, Hydroxychloroquin und Gold nach wie vor zur Verfügung.

Therapie der Gicht

Im zweiten Teil seines Vortrages berichtete Prof. Manger weiters über die Möglichkeiten der Gichttherapie. Die beim Zelltod freigesetzten Uratkristalle bilden mit freien Na-Ionen Natrium-Urat-Kristalle. Diese interagieren mit Membranlipiden und führen letztlich zu einer Aktivierung des Immunsystems (u. a. IL-1β, IL-18) bzw. entzündlichen Prozessen. Sowohl im akuten Gichtanfall als auch zur Anfallsprophylaxe kommen derzeit NSAR und Colchicin, fallweise auch Steroide zum Einsatz. Bei Colchicin ist die geringe therapeutische Breite zu beachten, Studien zeigten jedoch, dass niedrig dosiertes Colchicin (3-mal 0,5 mg/Tag) bei geringerer Toxizität gleich effektiv ist wie höhere Dosen. In Studien werden bereits IL-1-Blocker eingesetzt, um den Entzündungskreislauf zu unterbrechen. Zur Senkung der Harnsäure sind Allopurinol bzw. Febuxostat Mittel der Wahl, Benzbromaron ist mittlerweile von untergeordneter Bedeutung. Allopurinol, das bereits seit den 1960er-Jahren verwendet wird, kann in etwa 2 % der Fälle zu schweren Hautreaktionen führen; in diesen Fällen scheint Febuxostat eine wirksame Alternative zu sein.

Kinasehemmer – „small is beautiful“

Mit diesem Slogan eröffnete Univ.-Prof. Dr. Stefan Laufer vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität Tübingen seinen Vortrag über Inhibitoren von Tyrosinkinasen. Diese niedermolekularen Wirkstoffe sind eine weitere wichtige Therapieoption für Rheumapatienten. Proteinkinasen spielen eine wichtige Rolle im Rahmen der Signaltransduktion. Therapeutisch interessante Angriffspunkte sind v. a. die Syk-Kinase, die Janus-Kinasen und die p38-MAPK. Derzeit befinden sich weltweit 10 verschiedene Kinasehemmer am Markt, die jedoch noch nicht ausreichend selektiv für den erfolgreichen Einsatz bei RA sind und derzeit v. a. in der Tumortherapie zum Einsatz kommen. Es befinden sich jedoch zahlreiche Wirkstoffe in Entwicklung, die gezielt wenige Kinasen hemmen und somit ein wichtiges Potenzial für zukünftige Therapeutika darstellen.


Beachtenswertes bei der Schmerztherapie

Rheumapatienten benötigen häufig trotz effektiver Basistherapie zusätzlich Analgetika, aber auch bei vielen anderen Arten von Schmerz (Kopfschmerzen, Rückenschmerzen etc.) werden Analgetika benötigt. Zahlreiche Wirkstoffe sind außerdem als OTC-Präparate rezeptfrei erhältlich. Dass auch diese Arzneimittelgruppe einer kontrollierten Abgabe bzw. eingehender Beratung des einzelnen Patienten durch ApothekerInnen bedarf, machten die beiden Vorträge von Univ.-Prof. Dr. Eckhard Beubler vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie der Karl-Franzens-Universität Graz sowie von Mag. pharm. Martina Anditsch aHPh, Klinische Pharmazeutin im Donauspital Wien, mehr als deutlich. Hervorgehoben wurde insbesondere das erhöhte Blutungsrisiko unter NSAR-Gabe, nicht nur im Bereich des Magens. Auch COX-2-Hemmer sind diesbezüglich nicht gänzlich unproblematisch. Das Blutungsrisiko steigt außerdem bei gleichzeitiger Medikation mit Coumarinen, Steroiden und SSRI. Dies scheint insofern problematisch, da viele Schmerzpatienten zusätzlich an Depressionen leiden und dementsprechend therapiert werden.

Paracetamol stellt nach Meinung von Prof. Beubler hinsichtlich der zuletzt vieldiskutierten Lebertoxizität in Europa kaum ein Problem dar. Tagesdosen bis zu 2 g sind bei Erwachsenen als unbedenklich einzustufen. Zu beachten ist jedoch, dass auch Paracetamol die Thrombozytenaggregation hemmt. Positiv bewertet wird der Einsatz von Metamizol, die gefürchtete Aggranulozytose kommt als Nebenwirkung äußerst selten vor. Der Patient sollte allerdings vor gleichzeitiger Verwendung verschiedener Analgetika (z. B. ASS zur Thrombozytenaggregationshemmung plus Ibuprofen gegen Kopfschmerzen etc. gewarnt werden).