IGEPHA-Jahrestagung: Self Care als Bestandteil des Systems

Mit einem „Plädoyer für einen Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik“ lenkte SVA-Obmann-Stellvertreter Mag. Peter McDonald in seiner Keynote-Rede den Blick auf den Status quo des österreichischen Gesundheitssystems und skizzierte seine Überlegungen, wie durch mehr Eigeninitiative jedes Einzelnen, durch verbesserte Rahmenbedingungen und Qualitätsmanagement Optimierungen möglich wären.
„Das Gesundheitssystem macht uns älter, aber nicht gesünder“, stellte McDonald fest. Bei einer Lebenserwartung von rund 80 Jahren seien den Österreichern durchschnittlich weniger als 60 gesunde Lebensjahre vergönnt. Damit nehme unser Land den „beschämenden 17. Platz unter den EU-27 ein“, so der SVA-Obmann-Stellvertreter. Ziel der Gesundheitspolitik solle es sein, die gesunden Lebensjahre zu mehren. Dazu sei es vor allem erforderlich, die Bevölkerung zu ermuntern, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen.
„Um unsere Gesundheit kümmern wir uns in der Regel weniger als um unser Auto“, so McDonald. Den PKW lasse man üblicherweise in regelmäßigen Abständen in der Werkstatt durchchecken, während turnusmäßige Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen nur von wenigen Menschen in Anspruch genommen würden. „Man geht doch meistens erst dann zum Arzt, wenn etwas weh tut“, brachte es McDonald auf den Punkt. Es sei notwendig, den Aspekt der Verantwortung für die eigene Gesundheit in den Vordergrund zu stellen, auch was den Erwerb von Heilmitteln betreffe, so McDonald.
Bei der folgenden Podiumsdiskussion wurden diese Gedankengänge zum Thema „Self Care“ weitergeführt. An der Diskussion beteiligten sich Cosima Bauer, MA, die gemeinsam mit Prof. Dr. Uwe May die von der IGEPHA in Auftrag gegebene Gesundheitsökonomiestudie zum Stellenwert von OTC-Präparaten in Österreich verfasste, Dr. Hermann Kortland als stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verbands der Arzneimittelhersteller (BAH), Apothekerkammerpräsident Mag. pharm. Max Wellan sowie seitens der IGEPHA Mag. Alfred Grün, der bei der unmittelbar vor der Jahrestagung stattfindenden Generalversammlung der IGEPHA seine Präsidentschaft in die Hände seines Nachfolgers Dr. Gerhard Lötsch gelegt hatte.

 

Igepha_Kuppelsaal_neu

 

Solidarität nicht überfordern

„Die durch das Gesundheitssystem gewährleistete Solidarität, die sich ja jeder wünscht, darf nicht überfordert werden“, argumentierte Bauer. Kosten- und Zeitvergleiche im Zuge der Gesundheitsökonomiestudie hätten gezeigt, welche Ersparnisse für das Gesundheitssystem bei der Behandlung von leichten Erkrankungen mit Elementen der Self Care im Vergleich zur Arztkonsultation möglich seien. Würden z. B. nur 10 % der Selbstmedikationsfälle durch Arztbesuche ersetzt, so müsste in Österreich jeder Vertragsarzt täglich um zwei Stunden länger arbeiten.
Die Bereitschaft zur Eigenverantwortung sei, so McDonald, in erster Linie eine „mentale Revolution – das spielt sich vorrangig im Kopf ab“. Erfahrungen aus Deutschland zeigten, wie wichtig es sei, Anreize für mehr Selbstbestimmung im Gesundheitsbereich zu schaffen. „Wir brauchen gute Produkte – die gibt es von der Industrie – und wir brauchen Kommunikation“, sagte Hermann Kortland. Er berichtete vom Konzept des Grünen Rezepts, das in Deutschland eingeführt wurde. Im Jahr 2003 sei nach der Gesundheitsreform der Markt für rezeptfreie Arzneimittel massiv (wertmäßig um 50 % und packungsmäßig um 40 %) eingebrochen, weil vom Arzt verschriebene OTX-Präparate nicht mehr von den Krankenkassen erstattet wurden. Das „Grüne Rezept“ wird – mittlerweile etwa 40 Millionen Mal im Jahr – von Ärzten für rezeptfreie Arzneimittel ausgestellt, die vom Patienten selbst bezahlt werden müssen. „Das ist ein Markt von 400 Millionen Euro“, so Kortland. Das Grüne Rezept „legitimiere“ aus Sicht der Patienten in vielen Fällen den Kauf von rezeptfreien Arzneimitteln und statte damit OTC-Präparate mit einer Art „Gütesiegel“ aus. Positive Signale für den Kauf dieser Produkte könnten aber auch vom Apotheker ausgehen, so Kortland.

Patient als Ko-Produzent

„In der Apotheke geht es darum, dass wir gemeinsam Gesundheit produzieren. Ich möchte daher denjenigen, den wir behandeln oder der sich selbst behandelt, am liebsten Ko-Produzenten nennen“, brachte Max Wellan die Sicht der Apotheker ein. „Wir sind nah am Patienten, wir wissen, wie komplex das Konzept dieser Ko-Produktion ist.“
„Die Frage ist, wie wir es schaffen, die Menschen in Sachen Gesundheit mündig zu machen, ihnen alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen und sie in ihrer Bereitschaft, Eigenverantwortung zu übernehmen, zu fördern“, sagte Alfred Grün. Sein Wunsch wäre es, alle Beteiligten in eine transparente und auf Basis sachlicher Daten geführte Diskussion einzubeziehen – auch die Patientenvertreter – und gemeinsam über die Umsetzung der schon recht konkreten Vorstellungen hinsichtlich mehr Eigenverantwortung im Gesundheitssystem nachzudenken.
Der neugewählte IGEPHA Präsident Gerhard Lötsch plädierte schließlich dafür, sich aus der Passivität des reflexartigen „Nein-Sagens“ herauszubewegen und gemeinsam ein modernes, finanzierbares Gesundheitssystem zu erarbeiten.

 

Igepha_Gruppenfoto_neu