Sorge vor Einfluss der Konzerne wächst

 

Insgesamt erzielt die Gesundheitswirtschaft nach Schätzungen von Experten eine Bruttowertschöpfung von fast 48 Milliarden Euro pro Jahr in Österreich. Sie ist damit etwa nach Ansicht der Wirtschaftskammer eine Boom-Branche und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Land, der entsprechend ausgebaut werden soll. Das ruft wiederum Apotheker und Ärzte auf den Plan, die sich um die Unabhängigkeit der freien Berufe sorgen. „Wir beobachten seit einiger Zeit, dass immer mehr Firmen und Pensionsfonds versuchen, im Bereich der Gesundheitsversorgung Geld zu investieren. Das ist für sie risikoloser als andere Bereiche und aus dieser Sicht kann ich das auch verstehen“, hat nun Österreichs Ärztekammer-Präsident Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres gewarnt. Und auch der Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes, Mag. pharm. Jürgen Rehak, betont, dass die „Konzernisierung“ die Apothekerschaft beschäftigt: „Wir sehen in einigen Ländern klare Tendenzen. So gibt es etwa tatsächliche Konzernstrukturen im Apothekenbereich in Rumänien oder auch Apothekenketten in der Schweiz. Der Lebensmittelriese Migros führt dort etwa eigene Apotheken.“

Szekeres fürchtet, dass die Wachstumsdynamik und Konjunkturunabhängigkeit des Gesundheitssektors zunehmend private Unternehmen anlocken. Weltweit hätten im Jahr 2017 Privat-Equity-Fonds 43 Milliarden US-Dollar in den Gesundheitssektor investiert – der höchste Wert seit 2007. Und dabei seien nicht nur Pharmaunternehmen im Fokus, sondern zunehmend Spitäler, Pflegeheime, Rehazentren, Arztpraxen und Apotheken. Diese Entwicklung könnte zu einer Zunahme der Privatmedizin führen.

Kritik an Großhandel

Rehak kritisierte zuletzt wie berichtet auch den Großhandel: „Wir haben Tendenzen, die dazu führen, dass sich das Fremd- und Mehrbesitzverbot irgendwann nicht mehr verteidigen lässt. Es gibt bereits 200 Apotheken, wo der Anteil der Beteiligung durch den Großhandel bei über 25 Prozent liegt.“ Tatsache sei, dass der Kapitalbedarf der Apotheken ungebrochen steigt, während der Ertrag jedoch sinkt, kontert der Großhandelsverband PHAGO. „Als verlässlicher Partner der Apotheken hat der Arzneimittel-Vollgroßhandel jahrelang ausreichend Liquidität zur Verfügung gestellt. Ein Ausschluss des Großhandels von weiteren Beteiligungen an Apotheken hätte weitreichende Folgen. Der Großhandel müsste ohne die Möglichkeit einer Beteiligung als Sicherheit für Finanzierungen und Bürgschaften diese drastisch einschränken.“ Die PHAGO-Mitgliedsbetriebe samt deren Tochterunternehmen seien an 2,7 % (37) der 1.370 österreichischen Apotheken mit über 50 % und an weiteren 10,8 % (148) minderheitsbeteiligt. Die über 50%-Beteiligungen sind überdies zeitlich mit 10 Jahren begrenzt.

Fresenius-Tochter wächst

„Private Unternehmen sind in der Regel erwerbsmäßig orientiert. Das bedeutet aber keinen Widerspruch zu einer hohen Qualität in der Versorgung der Patienten“, hält auch Dr. Ernst Wastler, Vorstandsvorsitzender des privaten Gesundheitsdienstleisters VAMED AG, den Sorgen von Apothekern und Ärzten entgegen. Das mehrheitlich dem deutschen ­Pharmariesen Fresenius gehörende ­Unternehmen hat im Vorjahr 38 Post-Akut-Einrichtungen vom deutschen Schwesterunternehmen, dem privaten Spitalskonzern Helios, übernommen und führt auch in Österreich bereits Rehabilitationseinrichtungen meist als Public-Private-Partnership-Projekte (PPP). Insgesamt ist der Konzern auf die Planung, den Bau, aber auch die Betriebsführung von Gesundheitseinrichtungen spezialisiert und beschäftigt nach eigenen Angaben in seinen Einrichtungen rund 10.000 Ärzte, Therapeuten und Pfleger. Ob man im Fall der kommenden Primärversorgungseinrichtungen solche auch managen wolle, antwortet Wastler, dass man sich den neuen Gesamtvertrag für PVE natürlich ansehen werde. „Wir führen medizinische Versorgungszentren in Deutschland. Wir managen Gesundheitseinrichtungen seit es uns gibt.“

UNIQA baut Angebot aus

Fast zeitgleich gab der Privatversicherungsriese UNIQA bekannt, dass das Angebot „Akut-Versorgt“, das man in eigenen Privatkliniken in Wien und Salzburg anbiete, künftig auch auf Graz ausweiten werde. UNIQA-Versicherte, die bereits eine Sonderklasse- oder ambulante private Krankenversicherung haben, können damit einen Arzt in der Privatklinik aufsuchen. Die rege Nachfrage habe gezeigt, dass sich viele Versicherte diesen Zusatzservice in der Nacht und am Wochenende wünschen, teilte der Konzern mit.

Apotheken in Lebensmittelketten

Szekeres verweist darauf, dass nicht nur in den USA, Deutschland oder der Schweiz private Investoren Interesse an Ärztezentren haben, sondern auch in Österreich eine solche Entwicklung zu beobachten sei. Interessant seien auch die Radiologie und Labormedizin, wo etwa von Österreich ausgehend auch der Laborriese Synlab (ehemals Futurelab) entstanden sei, der heute international 19.000 Beschäftigte habe. Auch im Apothekenbereich gebe es ein wachsendes Interesse privater Investoren. Der Schweizer Lebensmittelriese Migros betreibe inzwischen an mehr als 40 Standorten nicht nur Apotheken, sondern auch ambulante Gesundheitszentren. Der Süßwarenproduzent Mars wiederum sei über seine Tierfuttersparte Weltmarktführer bei Tierkliniken und betreibe über AniCura auch schon an fünf Standorten in Österreich Tierkliniken.

Ministerium schweigt bisher

Auf die Frage, ob die türkis-blaue Koalition solche Tendenzen begünstige, meinte der Ärztekammer-Präsident, dass diese Regierung vielleicht „mehr Verständnis für private Unternehmen“ habe. Rehak hofft indes auf Unterstützung der Regierung; konkret durch das Gesundheitsministerium. Bei einem Vorschlag zur Änderung des Apothekengesetzes will man auch die Beteiligungsmöglichkeiten des Großhandels begrenzen: „Es gibt einen Vorschlag der Apothekerkammer, wie man externen Einfluss begrenzen könnte. Das Ministerium hat sich dazu aber noch nicht geäußert und will auf uns zukommen.“ Man wisse aber „noch nicht wirklich“, wie das Ministerium dazu stehe. Nachsatz: „Es ist ruhig – eher zu ruhig.“