Martin Munte: Es gibt einige Punkte, die wir so nicht hinnehmen können. Der vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen unter maßgeblichem Einfluss des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger eingebrachte Gesetzesentwurf greift massiv negativ in den seit Jahren bestehenden Prozess der Preisfestsetzung und Erstattung ein. Die Pharmawirtschaft sieht durch das in mehreren Bereichen beabsichtigte restriktive Preisregime die Versorgung der österreichischen Patienten mit innovativen Arzneimitteln gefährdet. Unwirtschaftliche Preise könnten Unternehmen dazu zwingen, ihre Produkte in Österreich vom Markt zu nehmen oder neue Arzneimittel erst mit großer zeitlicher Verzögerung auf den Markt zu bringen.
Nach Abschluss des Rahmenvertrages im Vorjahr hat es laufende Gespräche gegeben, und wir waren auch bereit, nach elf Jahren den Erstattungskodex zu modernisieren. Beide Seiten haben damals definiert, dass die Reform „angemessen und in beiderseitigem Einvernehmen“ erfolgen soll. Der vorliegende Entwurf gibt sehr einseitig die Positionen des Hauptverbandes wieder. So gibt es etwa einige Punkte, die in das Eigentumsrecht der Unternehmen eingreifen und unserer Ansicht nach auch verfassungswidrig sind. Konkret geht es etwa um die Medikamente in der No-Box. Hier sind einerseits Produkte, wo man sich nicht auf einen Preis einigen konnte, beziehungsweise Produkte, bei denen die Hersteller gar nicht um eine Erstattung angesucht haben. Die gemeinsame Idee war, dass man sich am EU-Durchschnittspreis orientiert. Der Hauptverband will aber einen Strafabschlag bei jenen Produkten, die gar nicht eingereicht werden. Auch im Bereich der Generika ist man sich zwar bei den Überschriften einig, im Detail gibt es jedoch sehr kritische Punkte.
Das Prinzip ist, die Generikapreisregel von derzeit minus 60 Prozent zum Original auf minus 65 Prozent zu erhöhen. Auch bei einer Regelung für Biosimilars hat man sich darauf geeinigt, dass der Preis für das erste Produkt 38 Prozent unter dem Original liegen soll. Bei Generika lag dieser Wert bisher bei minus 48 Prozent und würde nun auf minus 50 Prozent erhöht. Das Problem ist hier die Dauer: Der Hauptverband will eine Regelung nur für ein Jahr. Für die Hersteller ist das aber eine K.-o.-Regelung und bringt nichts, weil das viel zu kurz ist. Biosimilars sind keine Generika, sondern ähnliche Nachahmerprodukte moderner Biotechprodukte. Die Entwicklung und Produktion sind hier sehr aufwendig. Allerdings kann das Gesundheitswesen hier ein Einsparungspotenzial in dreistelliger Millionenhöhe lukrieren, sagen Experten. Das Ministerium wünscht sich deshalb hier auch eine Biosimilarsregelung. Mit dem Entwurf werden viele Produkte nicht auf den Markt kommen. Auch bei Generika gibt es die Forderung des Hauptverbandes, dass Produkte, die nicht im definierten Preisband sind, sofort aus der Erstattung gestrichen werden. Wir brauchen hier einen planbaren Horizont, immerhin geht es hier auch wichtige Indikationsgruppen etwa im Bereich von Volkskrankheiten. Hier geht es um Rechts- und Versorgungssicherheit.
Die Pharmawirtschaft ist nicht bereit, einem Gesetzesentwurf zuzustimmen, der die Versorgungssicherheit der Patienten gefährden könnte, und setzt weiter auf Gespräche mit allen parlamentarischen Parteien. Der nun vorliegende Entwurf atmet leider nicht diese partnerschaftliche Haltung, sondern bestraft eine leistungsfähige Industrie, die über 18.000 Arbeitsplätze stellt, die 9,7 Milliarden Euro an Wertschöpfung generiert und die allein für das Jahr 2016 die stattliche Summe von 125 Millionen Euro an Solidarbeiträgen als Unterstützung an die Krankenkassen überweist. Wir denken, dass einige Positionen des Hauptverbandes aus Entwicklungen der Vergangenheit resultierten – Stichwort Hepatitis C – und aus ideologischen Gründen aufrecht erhalten werden. Die geplante Strafsteuer ist etwa eine reine Schikane und ideologisch motiviert. Hier geht es in Wirklichkeit um einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag für die Kassen.
Weitere massive Preiseingriffe können dazu führen, dass neue Produkte für die österreichischen Patienten nicht mehr so rasch wie bisher zur Verfügung stehen und Österreich damit seinen Spitzenplatz bei der Versorgung mit innovativen Arzneimitteln verliert. Für einen so massiven regulatorischen Eingriff fehlt schlicht jede Notwendigkeit. Die Nettoausgaben für Arzneimittel sind im Vorjahr durch die Solidarbeiträge um mehr als zwei Prozent zurückgegangen, und der Hauptverband hat dadurch im Vorjahr einen Gebarungsüberschuss von voraussichtlich 81 Millionen verzeichnen können. Die Krankenkassen vermehren zudem beständig ihre Rücklagen. Allein im vergangenen Jahr wurden laut vorläufiger Gebarung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger 140 Millionen Euro dem Rücklagenkonto zugewiesen.