Update Diagnose und Therapie

Die Narkolepsie gehört nach der internationalen Klassifikation für Schlafstörungen (ICSD-3-TR) zu den Hypersomnolenz-Syndromen. Diese sind jetzt auch in der neuen ICD-11-Klassifikation der WHO zu finden, und zwar im Kapitel 7 (Sleep-wake-Disorders). Was ist neu bei Diagnose und Differenzialdiagnose der Narkolepsie?

Narkolepsie Typ 1 und Typ 2

Die Narkolepsie Typ 1 (mit Kataplexie und verringertem Hypokretin-Spiegel im Liquor, falls eine Lumbalpunktion durchgeführt wird) und die Narkolepsie Typ 2 (ohne Kataplexie und mit normalem Hypokretin-Spiegel im Liquor) werden nach wie vor klassischerweise im Schlaflabor diagnostiziert, wobei die kurze Schlaflatenz und das Auftreten von zwei oder mehreren Sleep-Onset-REM-Episoden (SOREMP) im multiplen Schlaflatenztest (MSLT; alternativ eine SOREMP im MSLT und eine nachts) für die Diagnose entscheidend sind. Bei der Narkolepsie Typ 1 kann anstelleder Polysomnografie (PSG) eine Lumbalpunktion erfolgen.

Hier ist neu, dass mittels Machine-Learning-based-Methoden ermöglicht wurde, zusätzliche charakteristische Features der Schlafstruktur zu erkennen, die in der sogenannten Hypnodensity zum Ausdruck kommen: Die Hypnodensity ermöglicht nicht nur die Einteilung in mehrere Schlafstadien, sondern gibt auch die momentane Wahrscheinlichkeit für bestimme Schlafstadien wieder bzw. im Fall der Narkolepsie (Typ 1) simultanes Auftreten von „Mischstadien‘‘.1 Bei dieser Arbeit wurden auch 170 PSG aus Innsbruck eingeschlossen. Darüber hinaus konnte unsere Arbeitsgruppe in einer eigenen weiterführenden Arbeit zeigen, dass mittels automatischen Scorings mit einem solchen Algorithmus die Narkolepsie Typ 1 von Narkolepsie Typ 2 und anderen Hypersomnien deutlich differenziert werden kann.2

Idiopathische Hypersomnie

Die idiopathische Hypersomnie ist schwerer zu diagnostizieren, da sie weniger spezifische Befunde im MSLT zeigt (und auch weniger charakteristische Schlaffragmentierung und REM-Schlaf ohne Atonie als die Narkolepsie). Aus diesem Grund wird für die Diagnose der idiopathischen Hypersomnie zunehmend die Verwendung verlängerter PSG-Protokolle mit 24 oder 32 Std., z. B. 32-Stunden-Protokoll mit Ad-libitum-Schlaf eingesetzt, wobei von den 32 Stunden Ableitung mindestens 19 Stunden Schlaf vorhanden sein sollen.3

Kleine-Levin-Syndrom

Das Kleine-Levin-Syndrom (KLS) ist durch das charakteristische Auftreten von abgrenzbaren Hypersomnolenzphasen von 2–14 Tagen Dauer, im Mittel etwa zweimal im Jahr, charakterisiert. Im Intervall finden sich normale polysomnografische Befunde, in der Phase ist es aufgrund gleichzeitig vorhandener psychiatrischer Auffälligkeiten (Ängstlichkeit, Kontaktvermeidung etc.) oft schwer möglich, die Patient:innen im Schlaflabor zu untersuchen, und auch dann findet sich in der Regel keine manifeste Hypersomnie. Die Diagnosestellung wird vor allem durch den phasenhaften Ablauf gestützt. Eine vergleichsweise rezente Untersuchung zeigte auch, dass genetische Risikofaktoren das KLS auch in die Nähe des Spektrums der bipolaren Erkrankungen bringen.4 Die Behandlung ist entsprechend auch primär mit Lithium zur Phasenprophylaxe möglich, und in schweren akuten Fällen mit i. v. Steroiden.5

Medikamentöse Therapieoptionen

Die verschiedenen klassischen Therapien (Modafinil und Methylphenidat für die Tagesschläfrigkeit und Sodiumoxybat für die Therapie der Tagesschläfrigkeit, Kataplexien und der begleitenden Nachtschlafstörung nur bei Narkolepsie Typ 1) sind hinreichend bekannt. Auch Pitolisant, ein Inverse-H3-Rezeptor-Agonist, ist bereits seit 2017 in Österreich verfügbar und wird als Mono- oder Kombinationstherapie zur Behandlung der Zielsymptome Tageschläfrigkeit und auch Kataplexien bei Narkolepsie Typ 1 und 2 eingesetzt.

Eine neue Entwicklung ist Solriamfetol, ein selektiver Dopamin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, der seit 2020 in der EU zugelassen und seit 2022 in Österreich verfügbar ist und gute Wirksamkeit bei der Behandlung der Tagesschläfrigkeit bei Narkolepsie zeigt. Die zugelassene Tagesdosis bei Narkolepsie beträgt 150 mg, im Einzelfall können auch 300 mg verwendet werden. Solriamfetol ist dabei nicht nur eine sinnvolle Ergänzung zur bereits bestehenden Therapie, sondern auch als Initialtherapie bei Patient:innen mit Narkolepsie, bei denen nur die Tagesschläfrigkeit im Vordergrund steht, in Erwägung zu ziehen.

Der Nachweis eines Hypokretin/Orexin-Mangels als pathophysiologische Grundlage bei der Narkolepsie Typ 1 ist schon vor 25 Jahren gelungen. In der Behandlung der Insomnie werden auch Orexin-Antagonisten seit Jahren vor allem inden USA und Japan sowieseit Kurzem auch in Europa eingesetzt. Hingegen gestaltete sich die Entwicklung von Orexin-Rezeptor-Agonisten zur Behandlung der Narkolepsie sehr viel schwieriger. Frühere Formen eines Hypocretin/Orexin-Rezeptor-Agonisten konnten nur intrathekal und später i. v. verabreicht werden, was den klinischen Einsatz in der Routinebehandlung der Narkolepsie verunmöglicht hätte. Ein erstes für die orale Behandlung entwickeltes Molekül zeigte jedoch ausgeprägte Nebenwirkungen, insbesondere Hepatotoxizität, sodass diese Entwicklung gestoppt werden musste. In der Form von TAK-861 wurde ein neues Molekül entwickelt, mit dem möglicherweise ein Durchbruch gelang. Die ersten Ergebnisse an über 100 Patient:innen mit Narkolepsie Typ 1 zeigten überzeugende Verbesserungen von Tagesschläfrigkeit und Kataplexien, und offenbar zeigen sich auch anhaltende Effekte in der Extension-Studie. Vor einer Zulassung steht jedoch nun eine globale placebokontrollierte Phase-III-Studie mit Schlaflabor.