Was ist im Alter zu beachten?

Der Begriff der Immunoseneszenz subsumiert die Veränderungen im Immunsystem, die dazu führen, dass Infekte im Alter häufiger zu beobachten sind und auch einen schwereren Verlauf nehmen können. Das angeborene Immunsystem zeigt auf verschiedenen zellulären Ebenen eine abnehmende Funktion, ebenso ist das adaptive Immunsystem weniger flexibel. Das Repertoire der Gedächtniszellen (Memory-T-Zellen) nimmt ab, die Involution des Thymus führt dazu, dass weniger neue naive T-Lymphozyten gebildet werden können. Das Ausmaß der Bildungen von Antikörpern oder zytotoxischen Zellen geht ebenso zurück.1

Influenza – alle Jahre wieder

Antigen-Shift und Antigen-Drift führen dazu, dass sich das Influenza-Virus ständig verändert, weshalb der Impfstoff jedes Jahr angepasst werden muss. Die Sterblichkeit korreliert mit dem Alter und Komorbiditäten. Fast 90% der Todesfälle finden sich in der Altersgruppe der >65-Jährigen, insbesondere Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen sind prädisponierende Faktoren für einen tödlichen Verlauf.2 Die Krankheitslast und die jährliche Übersterblichkeit an Influenza variieren von Saison zu Saison. Die im Zuge der COVID-19-Pandemie konsequenten Schutzmaßnahmen haben in der Saison 2020/21 dazu geführt, dass kaum eine Influenza-Aktivität feststellbar war. In den letzten 2 Jahren waren wieder steigende Fallzahlen zu beobachten, zudem hat auch die Immunität in der Bevölkerung wegen der vorübergehend geringen Viruszirkulation abgenommen. Umso mehr erscheint eine Impfung der Risikogruppen wieder von zunehmender Bedeutung. In den vergangenen Jahren zirkulierten die Stämme H1N1, H3N2 und Influenza B. Die Virusstämme A definieren sich über die Oberflächenmoleküle Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N). Interessanterweise dürfte die pandemische Zirkulation von SARS-CoV-2 dazu geführt haben, dass der Virusstamm Influenza B/Linie Yamagata verdrängt worden ist und in den letzten Saisonen nicht mehr detektiert werden konnte. Daher sieht die WHO eine Impfung gegen diese Linie als nicht mehr erforderlich.

Um der abnehmenden Immunfunktion entgegenzuwirken und einen besseren Impferfolg zu erreichen, gibt es mehrere Strategien: entweder den Zusatz von Adjuvanzien, die zu einer unspezifischen Stimulation des Immunsystems und damit zu einer stärken Immunantwort auch gegen das zu impfende Antigen führen, oder die Erhöhung der Menge an Antigen bzw. der Impfdosis. Der adjuvantierte Subunit-Impfstoff ist ab dem 50. Lebensjahr zugelassen und in Österreich im öffentlichen Impfprogramm ab dem 60. Lebensjahr kostenlos verfügbar (Tab. 1).

Tab. 1: Influenza-Impfstoffe für ältere Personen. Fluad Tetra® ist in der Saison 2024/25 in Österreich im öffentlichen Impfprogramm ab dem 60. Lebensjahr kostenlos verfügbar; Quelle: Fachinformation Fluad Tetra® und Fachinformation Efluelda Tetra®

Der Spaltimpfstoff in der 4-fach-Dosis hat die Zulassung ab dem 60. Lebensjahr. Die Empfehlung zur Influenza-Impfung gilt u.a. für Personen ab dem vollendeten 60. Lebensjahr bzw. mit Nachdruck ab dem vollendeten 65. Lebensjahr sowie für Menschen mit chronischen Erkrankungen wie z.B. chronischen Lungen-, Herz-, Kreislauf-, Nieren- oder neurologischen Erkrankungen, Stoffwechselkrankheiten und Immundefekten.3

SARS-CoV-2 – gekommen, um zu bleiben

Eine hohe Durchseuchung sowie breite Immunisierung durch Impfungen haben eine gewisse Grundimmunität gegen SARS-CoV-2 in der Bevölkerung aufgebaut, sodass wir sehr schwere Erkrankungsfälle heute viel seltener beobachten. Möglicherweise dürften auch die prävalenten Virus-Varianten weniger virulent sein als der Wildtyp zu Beginn der Pandemie. Das SARS-CoV-2 unterliegt ebenso raschen Mutationen, mittlerweile haben sich die sogenannten KP2- und KP3-Varianten ausgebreitet. Zuletzt ist, wie das Abwassermonitoring zeigt, die XEC-Variante im Vormarsch.4 Dennoch gilt es v.a. für die Risikogruppen der älteren Menschen insbesondere mit Komorbiditäten, aber auch für Immungeschwächte, vorsichtig zu sein, weshalb eine saisonale Impfung für ebendiese Personenkreise empfohlen wird.

Für die Saison 2024/25 wird der mRNA-Impfstoff Comirnaty® in Österreich zur Verfügung stehen, die Anschaffung des Proteinimpfstoffes Nuvaxovid® ist vorgesehen. Jedoch sollte jede zu impfende Person zunächst mit einem mRNA-Impfstoff immunisiert werden. Erst nach zwei Impfdosen mit einem mRNA-Impfstoff wird eine etwaige Umstellung (bei schlechter Verträglichkeit des mRNA-Impfstoffes) empfohlen. Eine Grundimmunisierung aus 3 Impfungen im engeren Abstand wie zu Beginn der Pandemie ist bei Erwachsenen, die keine schwerwiegende Immunschwäche oder Immunsuppression aufweisen nicht mehr vorgesehen. Wegen der hohen Durchseuchung und damit vorbestehenden Immunität ist eine einmalige saisonale Auffrischung ausreichend. Die gleichzeitige Verabreichung von Influenza- und COVID-19-Impfung ist möglich, sollte aber jeweils am kontralateralen Arm erfolgen.3

RSV – nicht nur eine Gefahr für die Kleinsten

Besonders in den letzten Jahren ist eine Zunahme von RSV-Infektionen zu beobachten. Diese Viruserkrankung der oberen Atemwege stellt insbesondere für Neugeborene und Kleinkinder eine gefährliche Situation dar, aber auch bei älteren Menschen (v. a. > 75 Jahre) zeigt sich eine deutlich höhere Sterblichkeit. Dieses Risiko steigt nochmal für jene Erkrankten, die begleitend an einer Herzinsuffizienz leiden. Generell erhöhen RSV-Infekte die Rate an kardialen Ereignissen sowohl bei „Herzgesunden“ als auch bei Patient:innen mit einer koronaren Herzerkrankung. Darüber hinaus ist die Mortalität bei koronarer Herzkrankheit (KHK) im Falle einer RSV-Infektion doppelt so hoch.5

Die am Markt befindlichen Impfstoffe werden als Einzeldosis verabreicht. Arexvy® ist ein adjuvantierter Impfstoff und zugelassen ab einem Alter von 60 Jahren sowie bei Personen mit erhöhtem Risiko für eine RSV-Erkrankung ab dem 50. Lebensjahr. Eine anhaltende Wirksamkeit nach einer Impfung ist für diesen Impfstoff mittlerweile über 3 Saisonen dokumentiert. Abrysvo® hingegen enthält kein Adjuvans und ist daher in der Schwangerschaft (24.–36. SSW) bzw. ab dem vollendeten 60. Lebensjahr zugelassen. Kürzlich wurde ein mRNA-Impfstoff (mResvia®) ebenso ab dem 60. Lebensjahr zugelassen, dessen Wirksamkeit nach 18 Monaten auf 50 % abzunehmen scheint, eine neuerliche Auffrischung wird daher wahrscheinlich saisonal erforderlich sein.6

Pneumokokken – mehr als nur eine banale Lungenentzündung

Auch wenn Pneumokokken-Infekte das ganze Jahr über zu beobachten sind, besteht dennoch eine saisonale Häufung in der kalten Jahreszeit. Über die letzten Jahrzehnte ist, abgesehen von einem Rückgang in den COVID-19-Pandemiejahren, eine stetige Zunahme von invasiven Pneumokokken-Erkrankungen zu beobachten. Zwei Drittel der Fälle verlaufen als Pneumonie, ein Viertel weist auch einen septischen Verlauf auf.7 Wiederum sind hier Alter und Komorbiditäten die Hauptfaktoren, die das Sterblichkeitsrisiko erhöhen. Die Fallzahlen in Österreich aus dem Jahr 2023 zeigen, wie stark die Inzidenz in den Altersgruppen ab dem 65. Lebensjahr ansteigt (Tab. 2).

Tab. 2: Inzidenz invasiver Pneumokokken-Infektionen in verschiedenen Altersgruppen in Österreich im Jahr 20237; Quelle: Nat. Referenzzentrale für Pneumokokken, Jahresbericht 2023

In den letzten Jahren wurden neue konjugierte Impfstoffe (PNC) entwickelt, diese inkludieren mittlerweile 15 (Vaxneuvance®) bzw. 20 (Prevenar 20®) Serotypen und ersetzen somit den 13-valenten Impfstoff im Verabreichungsschema. Die Pneumokokken-Impfung ist ab dem 60. Lebensjahr für alle empfohlen. Bestehen zusätzliche Risikofaktoren – Rauchen, Alkoholabusus, Hypertonie, Arteriosklerose oder chronische Bronchitis – ist die Impfung bereits ab 50 Jahren anzuraten. Das Impfschema umfasst initial den 15- oder 20-fachen konjungierten Impfstoff (PNC15, PNC20), nach einem Jahr soll durch die Verabreichung des 23-valenten Polysacchariden-Impfstoffes (PPV23; Pneumovax 23®) eine breitere Abdeckung der Serotypen erzielt werden.