Das Wort „Rheuma“ bedeutet im Altgriechischen „Fluss“ oder „Fließen“ und wurde von Hippokrates in seiner 4-Säfte-Lehre niedergeschrieben. Er hatte erstmals Symptome beschrieben, die er dem „Fließen schlechter Säfte“ zuordnete und dabei bereits die akuten Gelenkerkrankungen von der Gicht unterschied. Heute sprechen wir, wenn wir es genau nehmen, nicht mehr von „dem Rheuma“, sondern von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. Dazu zählen mittlerweile mehr als 100 Erkrankungen mit über 400 unterschiedlichen Erscheinungsformen. Bei dieser Vielzahl an Möglichkeiten erscheint der in der Einleitung zitierte Ärztespruch plötzlich in anderem Licht. Auch die Prävalenz ist gewaltig. Rund 2 Mio. Österreicher:innen leiden an einer Art von Rheuma, 80.000 davon an rheumatoider Arthritis, der am weitesten verbreiteten Form.
Grundsätzlich teilt sich der rheumatische Formenkreis in 4 große Segmente:
Wenn Kundinnen und Kunden an der Tara von ihrem Rheuma klagen, sprechen sie meist von rheumatoider Arthritis (RA). Häufig werden aber auch sämtliche Formen von Gelenkbeschwerden salopp unter diesen Begriff subsumiert. Für die Beratung ist die Differenzierung jedoch bedeutend. Trotz der häufigen (Schein- bzw. Selbst-)Diagnose hat die RA nur eine Prävalenz von 0,5 bis 1 %.
Klassische Symptome sind Morgensteifigkeit sowie Schwellung und schmerzhafte Bewegungseinschränkung eines oder mehrerer Fingergrund- oder Mittelgelenke (siehe „Fragen zum Risikocheck“). Sie treten häufig symmetrisch auf beiden Seiten auf und können in der Intensität variieren. Weil die Schmerzsymptomatik beim Händeschütteln durch den Druck verstärkt wird, spricht man auch gerne vom „Begrüßungsschmerz“. Zeitgleich oder verzögert können Schmerzen und Schwellungen des Hand- sowie des Zehengrundgelenks auftreten. Auch Kraftlosigkeit in den Händen ist typisch. Bei ca. 20 % aller Betroffenen beginnt die Krankheit allerdings atypisch mit einseitigen Schmerzen und Schwellung der großen Gelenke wie Knie oder Schulter.
Frauen sind mehr als doppelt so häufig betroffen wie Männer. Die häufigsten Neuerkrankungen werden zwischen 55 und 64 Jahren bei Frauen und 65 und 75 Jahren bei Männern verzeichnet.
Der Verlauf der Krankheit ist nur schwer vorhersehbar. Wichtig für eine gute Prognose sind jedenfalls eine frühzeitige Diagnosestellung und Therapiebeginn. Dabei werden körperliche Symptome (wie Schwellungen und Bewegungseinschränkungen) und Laborparameter (Blutsenkung, CRP, IgM-Rheumafaktor) betrachtet.
Die Geschichte der Rheumatherapie ist eine recht blumige – und das darf durchaus wörtlich verstanden werden, war Colchicin aus der Herbstzeitlosen lange die Standardtherapie. Zur Behandlung der Gicht wird das Alkaloid heute noch verwendet, wenngleich es auch in dieser Indikation in den letzten Jahren stark an Attraktivität zugunsten von Allopurinol eingebüßt hat.
Bevor man es mit Gift versuchte, war Gold das Mittel der Wahl zur Rheumatherapie. Eine oral nicht nur bedingt wirksame, sondern vor allem sehr kostenintensive Behandlungsoption.
Billiger wurde das Ganze, als man die entzündungshemmende Wirkung der Weidenrinde entdeckte. Und mit der Entwicklung von ASS um 1900 und der Einführung von Kortisonpräparaten Mitte des 20. Jahrhunderts nahm die moderne Rheumatherapie ihre Anfänge.
Heute sind DMARDs (disease-modifying anti-rheumatic drugs) der Standard in der Basistherapie. Zu den klassischen Vertretern zählen Methotrexat, Sulfasalazin, Cyclosporin A und Leflunomid. Darüber hinaus haben in den letzten Jahren zahlreiche Biologicals wie Infliximab, Etanercept oder Rituximabdas rheumatische Spielfeld besiedelt und bereichert.
Es hat sich gezeigt, dass gerade zu Beginn die gefürchtete Gelenkzerstörung rasch voranschreitet. Deshalb ist der schnelle Verweis zu Ärztinnen und Ärzten bei Anlassverdacht wichtig. Die beste Prognose besteht bei einem Beginn der Basistherapie mit DMARDs innerhalb von 6 Monaten nach Auftreten der ersten Beschwerden. Als Mittel der ersten Wahl gilt dabei immer noch MTX – meist in Kombination mit Glukokortikoiden. Die Wirkung tritt bereits 1–2 Monate nach Therapiebeginn ein und führt in 20–30% aller Fälle zu einer Remission, also einem beschwerdearmen Zustand.
Werden Glukokortikoide länger als 3 Monate verabreicht, ist eine Osteoporose-Prophylaxe mit Vitamin D empfehlenswert. Ergänzend zur Basistherapie kommen für die akute Schmerzlinderung NSARs zum Einsatz. Vorrangig wird auf Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen gesetzt, seltener zu Celecoxib und Etoricoxib gegriffen. Der Fokus liegt aber klar auf einer guten Einstellung mit DMARDs, da aufgrund der negativen Auswirklungen auf den Gastro-Intestinal-Trakt von einer Langzeitanwendung der NSARs abgeraten wird. Es ist auch eine Kombination zweier klassischer DMARDs oder DMARD + Biological möglich.
Ein wichtiger Fokus der Beratung an der Tara liegt in der Anleitung zum richtigen Lebensstil. Die Ernährung spielt dabei eine wesentliche Rolle, und wie so oft heißt das Zauberschlagwort „mediterrane Kost“: viele entzündungshemmende Omega-3-Fettsäuren aus Meeresfisch, wenig Arachidonsäure aus Schwein und Rind, dazu Omega-9 aus dem Olivenöl und viele Antioxidanzien, die sich in Tomaten und anderem Gemüse tummeln; wobei es gerade jetzt im Winter nicht unbedingt das Mittelmeer- (oder Südamerika) Gemüse sein muss. Heimisches Wintergemüse ist mindestens genauso nährstoffreich wie ein Paprika mit langen Transportwegen.
Wichtig ist vor allem der Verzicht auf tierische Lebensmittel wie Fleisch und Wurst sowie die Vermeidung jeglicher fester Fette (auch Margarine). Wenig Alkohol und viel Wasser runden die gesunde Nährstoffaufnahme ab.
Dass sich Nikotin nicht nur auf Lunge und Gefäße negativ auswirkt, sondern auch das Entzündungsgeschehen befeuert, ist vermutlich hinlänglich bekannt. Und trotz Funktionseinschränkung ist eine (moderate) Bewegung der Gelenke unbedingt notwendig, da nur so der Knorpel mit Nährstoffen versorgt wird und dadurch einem weiteren Abbau entgegengewirkt werden kann.