Was Reisende ab 50 beachten sollten

Der Anteil von Personen über 65 Jahre im internationalen Reiseverkehr liegt zwischen 15 % und 30 %, mit steigender Tendenz, nicht zuletzt wegen kontinuierlich steigender Lebenserwartung und geändertem Rollenbild von älteren Personen. Die technische und wirtschaftliche Ermöglichung von Reisen aller Art für große Bevölkerungsgruppen erweitert den Kreis reise­medizinisch gefährdeter Personen beträchtlich. Aufgrund des bekannten altersabhängigen Risikoprofils für diverse Erkrankungen ergeben sich sowohl in der eigenver­antwortlichen Vorbereitung als auch in der reisemedizinischen Betreuung für diese Personengruppe spezifische Aspekte und Prioritäten.

 

 

Höhere Vulnerabilität

Ältere Personen zählen aufgrund der bekannten altersabhängigen Erkrankungsrisiken zu diesem Kreis vulnerabler Personen. Anpassungsschwierigkeiten an klimatische Strapazen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Höhe), ungewohnte körperliche Belastungen, Grunderkrankungen, Schwinden des immunologischen Schutzes durch länger zurückliegende Impfungen und schlechteres Ansprechen auf rezent durchgeführte Reiseimpfungen führen zu einem erhöhten Risiko des Erwerbes reiseassoziierter Erkrankungen. In einer kürzlich publizierten, langjährigen multizentrischen prospektiven Studie über reiseassoziierte Erkrankungen bei Personen über 60 Jahre zeigten sich im Vergleich zu jüngeren Reisenden beträchtliche und zum Großteil statistisch signifikante Unterschiede (siehe Tab.). Allgemein muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass ein Großteil der Reisen von Senioren in nichttropische, industrialisierte Länder erfolgt. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass, wie aus einer schottischen Zusammenstellung von 572 Todesfällen auf Auslandsreisen hervorgeht, infektionsbedingte Todesfälle lediglich mit 1,5 % vertreten sind, demgegenüber akutes Kreislaufversagen mit ca. 55 % und Unfälle mit ca. 20 %. Altersbedingte Schwerhörigkeit, Sehschwäche und mangelhafte Anpassungsfähigkeit bei veränderten Alltagssituationen mit einem gewissen Gefahrenpotenzial (wie z. B. Linksverkehr) tragen zu diesem erhöhten Unfallrisiko bei.

Risikofaktor Reise

Neben der allgemeinen Feststellung, dass Altern im weitesten Sinn einen Verlust an physiologischer Reserve beinhaltet, lassen sich altersabhängig organbezogene Veränderungen beschreiben, die bei Belastungs­situationen, wie zum Beispiel dem Reisen, eher klinisch relevant in Erscheinung treten als im alltäglichen Leben. Die Entwicklung einer koronaren Herzerkrankung (KHK) ist bekanntlich stark altersabhängig, ebenso gehören eine kontinuierliche Abnahme der Herzleistung und eine geringere Auswurffraktion unter Belastung zum normalen kardialen Alterungsprozess. Dementsprechend können körperliche und emotionale Belastungen, wie sie fallweise anlässlich einer Reise auftreten, etwa bei Aufenthalt in Höhenlagen und Flugreisen, zur manifesten koronaren Ischämie führen.

 

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Flug- und Höhentauglichkeit: Nach einer Faustregel liegt die kardiopulmonale Flugtauglichkeit in der Regel dann vor, wenn der/die Reisende eine etwas längere Gehstrecke ohne Dyspnoe absolvieren kann. Sollte das nicht möglich sein bzw. nach rezenten schwerer wiegenden kardiopulmonalen Erkrankungen ist eine vorhergehende kardiopulmonale Abklärung erforderlich und gegebenenfalls ein Sauerstoffgerät im Vorfeld des Fluges anzufordern. Aufenthalt in Höhenlagen bis 2.500 m wird von älteren Personen mit stabiler KHK sowie Zustand nach koronaren Bypassoperationen meist problemlos toleriert, bei größeren Höhen steigt das koronare Risiko und sollte somit beispielsweise durch eine Ergometrie erfasst werden. Immerhin ist der Herz-Kreislauf-Stillstand die zweithäufigste Todesursache bei Aufenthalt und Aktivitäten in den Bergen mit größerer Höhenlage.

Thromboembolisches Risiko: Hämostasiologisch korreliert das Altern mit einer zunehmend prokoagulatorischen Disposition. Erkrankungen und Zustände, die ebenfalls mit zunehmendem Alter gehäuft auftreten, wie Übergewicht, Malignome, kardiale und respiratorische Dekompensation sowie Immobilität, erhöhen das thromboembolische Risiko weiter. Lang dauerndes Sitzen und mangelhafte Flüssigkeitszufuhr können das thrombotische Ereignis auslösen, das durchaus erst Tage danach in Erscheinung treten kann. In Abhängigkeit von anamnestischen Angaben zur Thromboseneigung, relevanten Vorbefunden und Reisedauer ergeben sich risikoadaptierte Empfehlungen zur Vorbeugung. Ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Tragen nicht beengender Kleidung und Kontraktionsübungen der Wadenmuskulatur gelten als Basismaßnahmen, bei zusätzlichem Risiko ist das Tragen von Kompressionsstrümpfen oder die einmalige Verabreichung eines LMW-Heparins zu empfehlen. Mit zunehmendem Alter stellt sich weiters eine Reduktion der Knochenmarksreserve ein, was bei höhenbedingter Hypoxie eine Verlangsamung und Abschwächung der Anpassungsvorgänge, wie zum Beispiel einen mangelhaften Anstieg des Hämatokritwertes, zur Folge hat. Schrittweise Adaptierung an größere Höhen kann unter diesen Umständen mehr Zeit in Anspruch nehmen und sollte in die Zeitplanung der Reise miteinbezogen werden.

Gastroenterologische Irritationen: Gastroenterologische altersabhängige Veränderungen mit möglichen reisemedizinischen Implikationen beinhalten eine höhere Prävalenz von zumeist atropher Gastritis und eine erhöhte Empfindlichkeit der Magenmukosa auf mögliche Irritationen, wie z. B. der Einnahme von nichtsteroidalen Schmerzmitteln. Der daher häufig eingenommene „Magenschutz“ führt allerdings durch eine Reduktion der Säurebarriere zu einer deutlich erniedrigten Infektionsdosis für die notorischen Erreger der Reisediarrhö und damit zu einer verstärkten Infektneigung. Dennoch ist die akute Reisediarrhö bei Reisenden über 60 Jahre im Vergleich zu Jüngeren weniger häufig. Konsequentere Befolgung diätetischer Empfehlungen auf Reisen und in der Vergangenheit stattgehabte gastrointestinale Infektionen mit daraus resultierender immunologischer Protektion werden diskutiert. Eine Neigung zu Obstipation und Meteorismus lässt sich reisebedingt auch bei jüngeren Personen feststellen, was bei Senioren durch Bewegungsarmut und altersabhängige Reduktion und Degeneration von Neuronen des Plexus myentericus noch prägnanter in Erscheinung treten kann. Ballaststoffreiche Ernährung, körperliche Aktivität und nicht zuletzt hygienisch einwandfreie Toiletten können hier Abhilfe schaffen.

 

Fact Box – Reisende ab 50

  • Reisen im Alter gewinnt zunehmend an Bedeutung und sollte eine gezielte ärztliche Vorbereitung nahelegen.
  • Bestimmender Faktor für reiseassoziierte Erkrankungen von Senioren ist nicht das chronologische Alter, sondern bestehende Grunderkrankungen.
  • Kardiovaskuläre und traumatologische Ereignisse stehen in dieser Altersgruppe bei schwerwiegenden Reiseerkrankungen und Todesfällen im Vordergrund.
  • Neben Prävention von reiseassoziierten Infektionen sollte die reisemedizinische Beratung und Vorbereitung diesem Risikoprofil Rechnung tragen.