Der Druck auf die Apotheke scheint politisch und wirtschaftlich derzeit größer denn je: Drogerien und Handel fordern eine Liberalisierung, die Bundeswettbewerbsbehörde und die Ärzte fordern eine Marktöffnung für ärztliche Hausapotheken, Lieferengpässe bei Medikamenten erschweren die Versorgung, und der Onlinehandel gewinnt zunehmend Marktanteile. Vor diesem Hintergrund hat der Apothekerverband nun ein Lobbyingpapier vorgelegt, das Forderungen der Apotheken an die künftige Bundesregierung zusammenfasst. Beim Wirtschaftsforum in Salzburg wurde das Papier präsentiert, das nun mit allen Parteien besprochen werden soll. Darin enthalten ist unter anderem die Forderung nach einer Verbesserung der finanziellen Rahmenbedingungen.
Um die Arzneimittelsicherheit in Österreich zu gewährleisten, brauche es die Apotheker, sagte Apothekerverbandspräsident Mag. pharm. Jürgen Rehak. Dazu brauche es aber Rahmenbedingungen, die eine wirtschaftlich stabile Zukunft der Branche sicherstellen. „Wir sind eine Säule des Gesundheitssystems und kein Nebeneingang. Wir sind patientenzentrierte Dienstleister“, mahnte Rehak auch ein selbstbewussteres Auftreten der Apotheker ein. Die Apotheker müssten als Player im Gesundheitswesen lauter, deutlicher und unbequemer werden. „Es sind ungemütliche Zeiten für uns. Wir müssen aufzeigen, was uns zu schaffen macht und was wir brauchen, um unseren Beitrag für das österreichische Gesundheitswesen leisten zu können.“
Als Beispiel nennt der Verbandspräsident auch den täglichen Umgang mit Ärzten: „Wir sollten uns bei einem Anruf zu einem unklaren Rezept, Nebenwirkungen oder Nichtlieferbarkeit nicht beim Arzt für die Störung entschuldigen. Wir sollten keinen Minderwertigkeitskomplex gegenüber Ärzten haben: Wir sind mindestens genau so gut – und helfen ihm mit unserer Expertise seine Arbeit zu machen.“ Man dürfe sich nicht einfach als Vertreiber von Arzneimitteln sehen. „So ist die Apotheke in zehn Jahren tot, weil das andere besser können. Was wir im Kopf haben, schafft den Mehrwert für das Gesundheitswesen. Wir müssen zeigen, welche Dienstleistungen, wir wann, warum und für wen erbringen.“ Rund acht Prozent der gesamten Medikamentenausgaben würden verpuffen, weil sie falsch verwendet würden oder es Wechselwirkungen gebe. Die Optimierung des Medikamenteneinsatzes sei also eine zentrale Aufgabe der Apotheken.
Der Verband fordert deshalb unter anderem eine Finanzierung der Medikationsanalyse durch Apotheken, ein Verbot des Onlineversandhandels von rezeptpflichtigen Medikamenten sowie die Aufrechterhaltung des Apothekenvorbehalts. Analog zum ärztlichen Notdienst müsse künftig auch der Bereitschaftsdienst der Apotheken aus Mitteln der öffentlichen Hand finanziert werden. Derzeit leisteten rund 265 Apotheken jede Nacht und an Wochenenden einen Bereitschaftsdienst, den sie aus eigener Tasche finanzieren, sagt Rehak. Er fordert von der künftigen Bundesregierung auch, dass die ärztlichen Hausapotheken – Rehak spricht von „ärztlichen Notabgabestellen für Medikamente“ – nicht ausgebaut werden. „Diese vier Laufmeter kann ja niemand ernsthaft als Apotheke bezeichnen.“ Der Vorschlag der Ärztekammer nach mehr solchen „Notabgabestellen“ und der jüngste Wunsch der Bundeswettbewerbsbehörde nach mehr Hausapotheken bedeute, Apotheken zu opfern, damit Ärzte mehr verdienen. „Das bedeutet am Ende nicht nur bis zu 600 Apotheken weniger, sondern auch keine Abend- und Bereitschaftsdienste“, macht Rehak klar. Wenn man schon mehr Wettbewerb wolle, dann richtig: „Dann sollen die Auflagen für Apotheken auch für Ärzte gelten, sie sollen Nachtdienste machen, bis zu 50 Stunden pro Woche geöffnet haben und Pharmazeuten anstellen. Unter diesen Bedingungen können wir gerne über Wettbewerb sprechen.“
Weiters fordert der Apothekerverband, dass die klinische Pharmazie gesetzlich verankert wird, damit Spitalsapotheker die Therapie in Kliniken sicherstellen können. Der Verband will nun mit allen Parteien Gespräche führen, um die Umsetzung der Forderungen voranzutreiben.
Ungewöhnlich deutlich wies der Verbandspräsident in der Debatte um Lieferengpässe die Kritik von Industrie, Ärzten und Kassen an parallelexportierenden Apotheken zurück. „Wir Apotheken kämpfen täglich mit den Lieferproblemen und lösen die meisten dieser Probleme so, dass es die Kunden gar nicht spüren. Das ist für uns selbstverständlich.“ Die Situation habe sich aber aufgrund der Konzentration der Pharmaproduktion in Ländern wie China und Indien und des wachsenden Preisdrucks bei Medikamenten verschärft. Die Meldungen, dass die Apotheken daran mit schuld sind, halte er, Rehak, „für höchst entbehrlich“ und für inhaltlich falsch. „Dass die Industrie, die uns diese Situation eingebrockt hat, 1.300 Apotheker diskreditiert, ist eine Frechheit. Dass in der Debatte ein ganzer Berufsstand diskreditiert wird, lassen wir uns nicht gefallen.“ Insgesamt habe die Situation einen Höhepunkt erreicht, „bei dem wir nicht mehr tatenlos zusehen können“.
Rehak mahnt von den Apothekern ein starkes und geschlossenes Auftreten ein, um den eigenen Anliegen und „berechtigten Forderungen“ Gewicht zu verleihen. Daran werde sich auch die Sozialversicherung gewöhnen müssen. „Wir befinden uns in fordernden und für manche auch existenziell schwierigen Zeiten“, betonte der Verbandspräsident und übte auch Selbstkritik: „Das Verständnis, die eigene Arbeit in der Öffentlichkeit darzustellen, haben andere Berufsgruppen in den vergangenen Jahren besser hinbekommen.“