Ulrike Rabmer-Koller: Es geht uns darum, dass wir den neuen Lebenswelten von Patienten und Ärzten besser entsprechen können. Patienten benötigen einfach für eine umfassende Betreuung neue Behandlungsformen. Umgekehrt gibt es viele Ärzte, die neue Arbeitsformen suchen und lieber in Teams arbeiten. Das Ziel ist zudem die bessere Vernetzung mit anderen Gesundheitsberufen und -dienstleistern.
Es gibt kein Kaputtsparen im System. Diesen Vorwurf kann ich nicht nachvollziehen. Wir geben derzeit rund 25,5 Milliarden Euro aus öffentlichen Mitteln für die Gesundheitsversorgung aus. Bis 2020 wird diese Summe auf über 30 Milliarden ansteigen. Worum es geht, ist, die Mittel zielgerichteter einzusetzen. Es geht nicht darum, immer nur mehr an Geld zur Verfügung zu stellen. Das ist auch nicht im Interesse der Versichertengemeinschaft. Wir können aber nicht laufend von oben mehr in einen Sack hineinfüllen, wenn unten Löcher sind. Wir müssen sorgsam mit den Mitteln umgehen und neue Leistungen und individuelle Angebote für die Menschen müssen für diese auch spürbar sein.
Die Rücklagen in der Sozialversicherung sind die eiserne Reserve der Versichertengemeinschaft – damit muss verantwortungsvoll und weitsichtig umgegangen werden! Derzeit verfügen gerade einmal sechs von 14 Krankenkassen über den gesetzlich vorgeschriebenen Notgroschen von nicht einmal 200 Euro pro Österreicher und Österreicherin. Wenn die Politik will, dass man für den Krisenfall einer Epidemie nicht mehr gerüstet ist, muss man das offen bekennen. Wenn jetzt das Vermögen unserer Versicherten mit der Gießkanne ausgeschüttet wird, fehlen uns die Mittel für die Leistungen von morgen und die langfristige Absicherung der Gesundheitsversorgung für künftige Generationen.
Innovationen sind recht teuer, und neue Produkte sind oft sehr hochpreisig. Wir müssen als Sozialversicherung hier im Sinne der Versicherten Ausgabensteigerungen im Blick haben und gleichzeitig danach trachten, den Versicherten Innovationen auch zur Verfügung zu stellen. In manchen Bereichen werden Ausschreibungen sicherlich Sinn ergeben, aber nicht in allen. Im Bereich der Kinderrehabilitation haben wir etwa gezeigt, dass wir neue Wege gehen, und haben nach dem Bestbieterprinzip auch Lösungen gefunden. Bei einer Ausschreibung ist es wesentlich, den Wettbewerb zu befeuern. Im Arzneimittelbereich braucht es mehrere Faktoren, um Innovationen zu fördern, es geht nicht nur um den Preis.
Wir haben derzeit bei den Gesprächen über den Erstattungskodex auch das Ziel, gemeinsam neue Lösungen zu finden. Es gab mehrere Verhandlungsrunden, seitens der Sozialversicherung waren wir immer gesprächsbereit und haben versucht, Lösungen zu finden. Für die Industrie ist das Thema schwierig, weil unterschiedliche Bereiche betroffen sind, die unterschiedliche Bedürfnisse haben. In manchen Bereichen gibt es auch bereits Einigungen. Ich hoffe, dass wir noch im Jänner die offenen Fragen klären können.
Biosimilars sind sicherlich auf dem neuesten Stand der Technik und haben für uns einen sehr wichtigen Stellenwert. Ihr Anteil wird sicherlich wachsen, allein schon durch die Zunahme moderner Biologika. Biosimilars sind als Nachahmerprodukte gut geprüft und hochwertig, sie sind also sicherlich gleichwertig zum Referenzprodukt.
Es gibt ja bereits Biosimilars am Markt, und wir werden sicherlich jeden Aufnahmeantrag für den Erstattungskodex zügig behandeln. Ich hoffe, dass wir hier im Hinblick auf die Erstattung Lösungen finden werden, möchte aber den Verhandlungen nicht vorgreifen. Wie gesagt: Biosimilars sind in jedem Fall wichtig und schaffen Spielräume, um auch Innovationen zu finanzieren.
Der Apothekensektor ist sicherlich eine Herausforderung. Die Sozialversicherung ist aber auch ein verlässlicher Partner für die Apotheken. Wir verzeichnen als Sozialversicherung im Arzneimittelbereich Ausgabensteigerungen, und die Spannen sind hier gesetzlich fixiert. Die Spielräume sind also eng. Man darf aber nicht übersehen, dass seit 2009 über 100 Apotheken neu gegründet wurden. Das bedeutet auch, dass der Umsatz der bestehenden Apotheken auf mehrere Unternehmen verteilt wird. Hier muss also auch die Apothekerkammer reagieren und sich Lösungen überlegen.
So, wie die jetzigen Regelungen sind und sich der Markt für die Sozialversicherung gestaltet, sehe ich keine Möglichkeit, die Nachtdienste zusätzlich abzugelten.
Dieses Schreckgespenst ist eine Drohgebärde der Ärztekammer. Die Angst ist nicht gerechtfertigt. Es geht darum, Möglichkeiten zu schaffen, um gemeinsam Synergien zu nutzen, aber den Ärzten kommt in jedem Fall die zentrale Rolle zu. Das Ziel ist, sie bei ihrer eigentlichen Arbeit zu unterstützen. Das sollte auch die Ärztekammer tun. Die Wirtschaftskammer kann gerne im Hinblick auf eine Gründungsberatung behilflich sein, wir haben hier auch eine gute Gesprächsbasis mit der Ärztekammer.