Durch den Klimawandel verlängerte Blühzeiten verbreitern die Allergiesaison deutlich. Bei polysensibilisierten Pollenallergiker:innen kann eine Allergiesaison mit Erle und Hasel beginnen und über Birke, Esche, Gräser, Beifuß, Spitzwegerich und Traubenkraut (Ragweed) bis in den Herbst dauern. Da manche Pflanzen (z. B. die Bluterle) schon ab 5 °C zu blühen beginnen, bleibt danach oft nur 1 Monat allergenfrei. Bei Atopiker:innen erhöht die Störung der Hautbarriere besonders auch das Risiko der Sensibilisierung gegen (ganzjährige) Umweltallergene wie Hausstaub- und Vorratsmilben sowie Haustiere beträchtlich. Demnach ist die Allergie kein kurzfristiges saisonales Ereignis, sondern eine Erkrankung, welche die Lebensqualität dauerhaft beeinträchtigt und das Immunsystem chronisch kompromittiert. Daher sind Allergie-Betroffene auch öfter krank und in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.
Bei Erkrankungen wie z. B. rheumatoider Arthritis, Krebserkrankungen oder chronischer Niereninsuffizienz ist der Begriff „Anämie der chronischen Entzündung“ bereits etabliert. Dieser besagt, dass es dabei zu Mikronährstoffmängeln kommen kann, insbesondere zu (funktionellem) Eisenmangel bis zur Anämie, der von einem primären Eisenmangel zu unterscheiden ist. Immunzellen der chronischen Entzündung sind „hangry“ (vom Englischen für „hungrig“ und „grantig“).
Wir haben zuletzt berichtet, dass funktioneller Eisenmangel auch bei einer Allergie eine wichtige Rolle spielt und mit der Stärke der allergischen Rhinitis korreliert. Allergische und atopische Patient:innen haben einen erhöhten Hepcidin-Wert (der verhindert u. a. über Ferroportin Transport und Aufnahme von Eisen aus dem Darm; „Hepcidin-Block“). Daher scheint es zielführend, ernährungstechnisch den Eisen- und Mikronährstoffmangel bei Allergiker:innen zu adressieren, um allergische Immunzellen von einer überschießenden TH2- Immunantwort in eine ausbalancierte Immunlage (Toleranz) zu bringen. Unsere eigenen Studien zeigen, dass die Zufuhr einer zielgerichteten bilanzierten Diät (Nahrungsmittel für besondere medizinische Zwecke) als komplementäres Konzept zum Management der allergischen Rhinitis bei Pollen-, Hausstaubmilben- und Katzenallergie beiträgt, indem die Immunzellen gestärkt werden und dann nicht mehr „hangry“ sind. Durch Verabreichung als Lutschtablette kann der darmmukosale Hepcidin-Block umgangen und der Eisenspeicher in Immunzellen wieder aufgefüllt werden.
Aufgrund der oft lange verzögerten Diagnose geht die Zeit für die Einleitung einer spezifischen Allergenimmuntherapie (AIT), die den Goldstandard darstellt, verloren. AIT schränkt den Symptomlevel signifikant ein und gebietet der Progression einer Allergie Einhalt. Effizienz und Sicherheit der sublingualen oder subkutanen AIT sind annähernd vergleichbar und bei Pollen- und Hausstaubmilbenallergien besonders gut. Die Therapiedauer von 3 Jahren ist für einige Patient:innen eine Hürde, die Therapie zu beginnen bzw. abzuschließen. Die Vorteile der AIT sollten mit Überzeugung erklärt werden, um die Compliance zu erhöhen. Ebenso sind die häufigsten Nebenwirkungen zu erläutern, insbesondere das Risiko einer (seltenen) Anaphylaxie, das bei Patient:innen mit vorangegangener Anaphylaxie erhöht ist. Asthmatiker:innen wieder haben ein höheres Risiko für einen Asthma-Anfall. Die Prämedikation mit Antihistaminika vor jeder AIT ist ein Sicherheitsgurt für Patient:innen und Ärzt:innen; Asthmatiker:innen sollten ihren Asthmaspray dabei haben. Neben anderen Kontraindikationen sollten Patient:innen mit fieberhaften Erkrankungen nicht, nach Anstrengung oder Stress eher nicht geimpft werden, da die Nebenwirkungsrate höher ist.
Viele Allergiker:innen greifen lebenslang zu Antihistaminika. Diese sind prinzipiell gut verträglich und akut wirksam, jene der letzten Generation machen weniger müde, evtl. kann Mundtrockenheit auftreten. Manche Antihistaminika der neuesten Generation zeichnen sich durch gute Wirksamkeit bei Juckreiz und Urtikaria aus. Laut Leitlinien sollten Symptome zuerst lokal behandelt werden (z. B. Nasenspray), trotzdem werden Tabletten oft bevorzugt. Zunehmend beliebt sind Nasensprays, die Antihistaminikum und Kortisonderivat kombinieren. Auch Mastzellstabilisatoren (Cromoglicinsäure) können bei allen Erkrankungen mit Mastzellaktivierung hilfreich sein.
In der Schwangerschaft und Stillzeit sind Loratadin und Cetirizin, eventuell Clemastin, die Mittel der Wahl nach dem ersten Trimenon, andere orale Antihistaminika sollten nur nach strenger Kosten-Nutzen-Abwägung eingesetzt werden. Im Idealfall sollte bei Kinderwunsch eine AIT bereits abgeschlossen sein, da das Ungeborene von den induzierten IgG gegen das spezifische Allergen profitieren kann.