Neuhofer: An der Dermatologie gefällt mir besonders die Breite des Faches. Von Allergie über Akne und Zoster bis hin zu Botox, Filler und Laser – die Dermatologie ist alles andere als eintönig und darin besteht gleichzeitig auch die Herausforderung. Ich sage immer: Die Dermatologie ist kein kleines, sondern ein breites Fach!
Als niedergelassener Dermatologe bekommt man mehr oder weniger alles zu sehen, was sich auf der Haut so abspielt, von weniger schlimm bis schlimm. Im Spital konzentrieren sich dagegen hauptsächlich die schwierigen Fälle. Diese machen in der Niederlassung etwa 3 % aus, im Krankenhaus hingegen gut die Hälfte. Im Idealfall sollte der niedergelassene Dermatologe eine Art Vorfilter sein, der jene Patienten herausfiltert, die eine stationäre Betreuung und intensive Untersuchung benötigen – mit Methoden, die uns im niedergelassenen Bereich oft nicht zur Verfügung stehen. Eine gute Zusammenarbeit mit den Fachärzten im Krankenhaus ist deshalb essenziell.
So ist es. Seit 2013 bin ich Bundesfachgruppenvorsitzender für Dermatologie in der Ärztekammer. In dieser Funktion repräsentiere ich die 9 Landesfachgruppen und vermittle dem Kammervorstand die Anliegen der österreichischen Dermatologen. Ein großer Erfolg im vergangenen Jahr: Wir konnten durchsetzen, dass die Dermatohistopathologie als Spezialisierung für die Dermatologie weiterhin erhalten bleibt. Gerade in der Dermatologie ist die Zusammenschau von Klinik und Histologie besonders wichtig.
Andere Entwicklungen konnten wir hingegen nicht aufhalten – so ist die Dermatologie in der neuen Ausbildungsordnung leider nur noch ein Wahlfach. Das tut uns sehr weh! Man muss bedenken, dass knapp 30 % der Patienten, die einen Allgemeinmediziner aufsuchen, ein dermatologisches Anliegen haben. Es wäre deshalb sehr wichtig, im allgemeinen Teil der Ausbildung zumindest gewisse Grundlagen der Dermatologie zu vermitteln. Was hier passiert ist, fällt wohl unter „Mut zur Lücke“ – wobei wir auf diese Lücke gerne verzichtet hätten.
Mit der Idee zur Gründung eines Berufsverbandes sind wir gut 30 Jahre schwanger gegangen. Ende 2016 war es dann endlich soweit: Der Berufsverband Österreichischer Dermatologen (BVÖD), dem ich derzeit als Präsident vorstehe, wurde gegründet. Eine Ursache für die relativ späte Gründung eines eigenen Berufsverbandes – in Deutschland gibt es einen solchen seit über 60 Jahren – war, dass die wissenschaftliche Fachgesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) viele Aspekte, die für niedergelassene Dermatologen wichtig sind, mit abgedeckt hat. So wurden im Rahmen von ÖGDV-organisierten Fortbildungen beispielsweise auch nicht-wissenschaftliche Themen präsentiert. Der Fokus der ÖGDV liegt jedoch klar auf der Wissenschaft – und das ist auch gut so. Als BVÖD möchten wir uns in Zukunft verstärkt auf die Thematik des niedergelassenen Dermatologen konzentrieren.
Gut ein Jahr nach der Gründung hat der BVÖD bereits 100 Mitglieder. Bei 700 Dermatologen gibt es hier aber sicherlich noch Luft nach oben. Unser Vorbild ist Deutschland, wo 94 % der Dermatologen Mitglied des Berufsverbandes sind. Für Kollegen in Ausbildung ist die Mitgliedschaft im BVÖD kostenlos, alle anderen zahlen 150 Euro im Jahr. Für unsere Mitglieder gibt es verschiedenste Vergünstigungen, darunter z. B. der kostenlose Besuch des ersten Kongresses speziell für niedergelassene Dermatologen, den der BVÖD im Oktober 2018 in Salzburg veranstalten wird. Bei diesem Kongress wird es um Praxisgründung, forensische und vor allem auch ökonomische Themen gehen. Zudem wird den Fragen nachgegangen: Was tue ich, wenn ich geklagt werde? Was spricht für die Eröffnung einer Wahlarztpraxis, was für eine Kassenpraxis? Mit diesem Programm konzentrieren wir uns ganz darauf, den niedergelassenen Facharzt, der direkt am Patienten dran ist, zu unterstützen. Fachlich dermatologische Fortbildungen wird der BVÖD nicht anbieten. Hier besteht seitens der ÖGDV bereits ein ausgezeichnetes Angebot.
Die wissenschaftliche Fachgesellschaft und der Berufsverband konkurrieren nicht miteinander, sondern sind gemeinsam für unser Fach – die Dermatologie – aktiv. So wie ich Vorstand der ÖGDV bin, ist der Präsident der ÖGDV umgekehrt auch Mitglied im BVÖD.
Ein anschaulicher Vergleich: Damit ein Wirtshaus funktioniert, braucht es zwei Dinge. Auf der einen Seite die Küche, in unserem Fall Wissenschaft und Forschung, welche unter dem aktuellen Präsidenten der ÖGDV Prof. Matthias Schmuth bestens vertreten sind. Und auf der anderen Seite den Kellner, in unserem Fall den niedergelassenen Dermatologen, der die verfügbaren Therapien zum Patienten bringt – vertreten durch den BVÖD.
Hier gilt es meiner Meinung nach zwischen Städten und ländlichen Regionen zu unterscheiden. Während die Versorgung in den Städten in allen Bundesländern sowohl stationär als auch ambulant durchaus passabel ist, gestaltet sich die Nachbesetzung frei werdender Ordinationen in manchen peripheren Regionen zunehmend schwieriger. Wie in der Allgemeinmedizin tun sich auch in der Dermatologie langsam Lücken auf, die mir auf lange Sicht ein bisschen Sorgen bereiten.
Um gegenzusteuern, ist es wichtig, jungen Ärzten schon möglichst früh eine gute Vorstellung davon zu vermitteln, was sie in der Praxis erwartet. Aktuell wird in der Ärztekammer darüber diskutiert, die Ausbildung in der niedergelassenen Praxis (die Lehrpraxis) von 12 auf 18 Monate zu verlängern. Diese Idee hat meine volle Unterstützung und auch die meisten anderen Fachgesellschaften sehen das positiv. Mehr Bezug zur Praxis – das ist wahrscheinlich ein Knackpunkt, wie man in Zukunft ausreichend Ärzte in die Niederlassung bringt.
Der Hausarzt ist für die meisten Patienten die erste Anlaufstelle, gar nicht selten auch dermatologische Beschwerden betreffend. Umso wichtiger ist ein gut funktionierendes Zusammenspiel von Allgemeinmedizinern und Dermatologen. Das klappt natürlich leichter, wenn man gut vernetzt ist und sich persönlich kennt, z. B. von gemeinsamen Fortbildungen oder anderen Aktivitäten.
Wir haben schon früher sogenannte „Grätzel“-Treffen abgehalten: 20 Ärzte einer Region – Kinderärzte, Hautärzte, Allgemeinmediziner und andere – haben sich zu einer Versorgungseinheit zusammengeschlossen. Die Idee dahinter war und ist, dass man sich innerhalb einer Gruppe von bereits niedergelassenen Ärzten stärker vernetzt, aber nicht unbedingt unter einem Dach, wie dies bei Primary Health Care (PHC)-Zentren der Fall ist. Auf dieser Idee basiert auch das Erfolgsmodell Styriamed.net, dem regionalen Ärzteverbund in der Steiermark, wobei Styriamed.net auch Spitalsärzte mit einschließt.
Ich möchte betonen, dass ich nicht generell gegen das Projekt PHC bin. Dort, wo es Sinn macht, nämlich in Ballungsräumen, sage ich: warum nicht? Aber am Land sollten niedergelassene Fachärzte und Allgemeinmediziner gefördert werden, um lange Anfahrtswege für die Patienten zu vermeiden. Hier ist es wichtig, andere Modelle der Vernetzung zu prüfen.
Etwa 2,5 % der Bevölkerung – also ein durchaus beachtlicher Anteil – leiden an Psoriasis. Früher konnte diesen Patienten nicht wirklich gut geholfen werden, die verfügbaren Therapien waren unpraktisch in der Anwendung und wenig effektiv. Für viele Patienten war das sehr frustrierend. Die Entwicklung von Biologika und oral einzunehmenden „small molecules“ hat die Psoriasis-Therapie in den letzten Jahren revolutioniert, Beschwerdefreiheit ist heute ein realistisches Ziel. Diese Möglichkeiten gilt es den betroffenen Patienten zu kommunizieren. Die „Initiative Psoriasis“ soll ihnen Mut machen, sich gezielt zu informieren und einen Hautarzt aufzusuchen, der sie auf dem Weg zu einer möglichst erscheinungsfreien Haut und mehr Lebensqualität unterstützen kann.
Das Problem dieser modernen Therapien ist, dass sie derzeit sehr teuer sind. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein solcher Durchbruch, wie wir ihn derzeit bei der Psoriasis sehen, nicht durchsetzen wird. Neben viel menschlichem Leid lässt sich mit diesen modernen Therapien an anderen Stellen sparen: Patienten brauchen kein Kur, keinen Krankenstand, kein Arbeitslosengeld …
Und was an dieser Stelle wieder einmal ganz deutlich gesagt werden muss: Als Ärzte sind wir der Deklaration von Genf – einer Weiterentwicklung des Hippokratischen Eides – unterworfen. Für uns sollte es in erster Linie darum gehen, dem Patienten zu helfen, und nicht darum, was eine Therapie kostet oder nicht kostet. Ein Arzt hat nicht primär ökonomische Prinzipien ins Auge zu fassen, sondern allein das Wohl des Patienten. Ärzte sind keine „Kostenverursacher“, sondern hoffentlich in vielen Fällen „Gesundheitsbringer“.
Das Angebot ist sicher kein schlechtes. Die vorgeschriebenen 250 DFP-Punkte im Zeitraum von 5 Jahren lassen sich gut erreichen. Man kann aus sehr vielen verschiedenen Formaten und Themen wählen – wichtig dabei ist, die richtige Ausgewogenheit zu finden. Neben einem generellen Überblick, wie ihn z. B. der Besuch der ÖGDV-Jahrestagung bietet, profitiert der niedergelassene Dermatologe meiner Meinung nach besonders von kleineren Veranstaltungen, die sich im Detail mit ganz spezifischen Themen auseinandersetzen. In überschaubaren Gruppen von 30 oder 40 Personen fällt es leichter, miteinander zu sprechen, zu diskutieren und sich zu vernetzen. Besonders bereichernd ist es, wenn Ärzte verschiedener Fachrichtungen zusammenfinden. So ist eine Fortbildung zum Thema Allergie nicht nur für Dermatologen, sondern auch für Pneumologen, Pädiater und Allgemeinmediziner interessant.
Mir sind kleinere regionale Veranstaltungsformate sehr sympathisch, wo man sich intensiv mit ausgewählten Inhalten beschäftigt. Sie bieten zudem eine exzellente Gelegenheit, Beziehungen zu pflegen und neue Kontakte zu knüpfen, die im Praxisalltag immer wieder von Nutzen sein können. Gerade in der heutigen Social-Media-geprägten Welt ist der persönliche Kontakt etwas Wichtiges, sonst hat man am Ende 1.000 Friends, aber keinen einzigen wirklichen.