Hintergrund: Die Therapie des Prostatakarzinoms bei älteren Männern (>80 Jahre) ist ein viel diskutiertes Thema. Einerseits sind die meisten Karzinome nur wenig gefährlich, und führen meist nicht zu einer Verkürzung des Lebens, andererseits gibt es vereinzelt aggressive high-risk-Karzinome, die tatsächlich das Leben verkürzen. Diesen Männern Diagnostik und Therapie zu verwehren kann nicht nur das Überleben, sondern auch die Lebensqualität massiv durch Metastasen und Therapienebenwirkungen verschlechtern.
Ergebnisse: Bei dieser Studie handelt es sich um eine retrospektive Analyse der National Cancer Database (NCDB). Es wurden alle Männer, die zwischen 2004 und 2016 mit einem high-risk-Prostatakarzinom diagnostiziert wurden und bei der Diagnose über 80 Jahre alt waren, eingeschlossen. Die Kohorte umfasste 19.920 Männer, bei denen die häufigste Therapie aus Bestrahlung (RT) + Androgendeprivation (ADT) (37,2%) bestand, gefolgt von ADT alleine (29,4%), Observanz (23,9%), RT alleine (7,8%) und radikaler Prostatektomie (RP) (1,7%). Es zeigte sich ein klarer Überlebensvorteil für Patienten, die eine definitive Therapie erhielten (RT oder RP) verglichen mit den Patienten, die nur eine ADT erhielten (p<0,0001). Es bestand allerdings kein Unterschied zwischen ADT allein und Observanz (HR 1,04, 95%CI 0,99-1.09; p=0,11).
Fazit: Diese Studie ist extrem wichtig, und unterstreicht die Notwendigkeit für patientenabhängiges Vorgehen bei dem Verdacht auf ein Prostatakarzinom. Auch wenn low-risk-Karzinome bei Männern im hohen Alter keine klinische Relevanz mehr haben, kann ein high-risk-Karzinom das Leben stark verkürzen. Durch eine adäquate lokale Therapie (RP oder RT±ADT) kann diese Mortalität jedoch um bis zu 50% reduziert werden.
Es sollte daher nicht generell bei Patienten über 75 oder 80 Jahren die Prostatakarzinom-Diagnostik und -Therapie abgelehnt werden, sondern es muss in Abhängigkeit von Patientenwunsch und Zustand (Lebenserwartung) eine Entscheidung getroffen werden. Außerdem ist das Konzept der alleinigen ADT nicht mehr adäquat, da es keine Vorteile zu bringen scheint im Vergleich zur Observanz.
Innovation: ★
Datenqualität: ★★
Praxisrelevanz: ★★★