Am diesjährigen ASCO wurden keine bahnbrechenden Daten zu neuen Substanzen und auch keine praxisverändernden Phase-III-Daten zu bewährten Substanzen präsentiert. Zahlreiche Daten wurden zu Immuntherapien und zu PARP-Inhibitoren vorgestellt, auch das Thema der Diagnostik verliert für Urologen und Uroonkologen nicht an Bedeutung.
Relevante Daten zur Diagnostik
In der bildgebenden Diagnostik wurden in den vergangenen Jahren große Fortschritte erzielt. Vorgestellt wurde eine prospektive, Multicenter-, single-arm open-label-Phase-III-Studie, in der die Genauigkeit eines 68Ga-PSMA-PET für die Detektion von Beckenlymphknoten (N1) versus Histopathologie zum Zeitpunkt der Prostatektomie untersucht wurde.
Studie: In die Phase-III-Studie wurden Patienten mit intermediärem bis High-Risk-Prostatakarzinom (n=277) vor einer radikalen Prostatektomie mit pelviner Lymphadenektomie (PLND) eingeschlossen. Primärer Studienendpunkt waren die Sensitivität und Spezifität des 68Ga-PSMA-PET für die N1-Detektion verglichen mit PLND-Histopathologie (Referenzstandard) auf Patientenbasis.
Ergebnis: Bei 633 Patienten kam ein 68Ga-PSMA-PET für das primäre Staging zum Einsatz, bei 277 Patienten erfolgte dann eine radikale Prostatektomie und PLND. Bei 27% der 277 Patienten zeigten sich positive Lymphknoten in der endgültigen Histologie. Die Sensitivität der Bildgebung vor der Operation lag bei 40%, die Spezifität bei 95%. Als interessant zu werten ist, dass bei 87% der Patienten mit einem positiven Lymphknoten später auch ein biochemisches Rezidiv eintrat und dass von 10 Patienten mit einem positiven Lymphknoten nur 5 im kleinen Becken mittels definitiver Operation entfernt wurden. Wenn man dieses falsch-negative Staging in die Spezifität der PSMA-PET-Bildgebung mitberücksichtigt, würde die Spezifität sogar auf 97% steigen.
Gesamtüberlebensdaten der Studien ARAMIS, SPARTAN und PROSPER
Die Studien ARAMIS (Darolumatid), SPARTAN (Apalutamid) und PROSPER (Enzalutamid) haben vergleichbar die Frage untersucht, ob nichtmetastasierte, kastrationsresistente Prostatakarzinompatienten mit einem biochemischen Rezidiv, aber mit einer negativen Bildgebung (das heißt kastrationsresistente, M0-Patienten), frühzeitig mit einem Medikament zusätzlich zur LHRH-Therapie behandelt werden sollen.
Fazit der drei Studien: Das Gesamtüberleben der Patienten bei frühzeitiger Kombination konnte wesentlich verbessert werden. Die Sterblichkeit konnte in den drei Studien um rund 30% reduziert und das Gesamtüberleben um etwa 12-14 Monate verlängert werden.
Neues im neoadjuvanten Setting
Beim ASCO 2020 wurden viele Studien zu Hormontherapien vorgestellt; seien es Kombinationen, intensivierte Kombinationsregime – dies auch in neuen Settings wie beispielsweise neoadjuvant.
Abirateron und Apalutamid sind hormonell wirksame Therapeutika, die zur Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms eingesetzt werden. Eleni Efstathiou (MD Anderson Cancer Center) stellte nun eine Phase-II-Studie vor, in der Apalutamid plus LHRH neoadjuvant mit oder ohne Abirateron bei lokalisiertem Hochrisiko-Prostatakarzinom vor der radikalen Prostatektomie untersucht wurde.
Studie: 1:1 randomisiert erhielten Patienten über eine Therapiedauer von 6 Monaten entweder Apalutamid + LHRHa oder Apalutamid plus Abirateron (plus Prednison) plus LHRHa gefolgt von radikakaler Prostatektomie. Zu den Endpunkten zählten Zytoreduktion, Residualtumor, PSA-Rezidiv und Sicherheit.
Ergebnis: In beiden Gruppen war bei rund 55% der Patienten der Gleason-Score ≥9 vor der Operation. 15% wiesen unter APA+ LHRHa und 10% unter APA+AA+ LHRHa ein komplettes pathologisches Ansprechen auf. In beiden Gruppen vergleichbar, wiesen ca. 40% der Patienten ein lokalisiertes Prostatakarzinom auf. 85% erreichten ein R0-Stadium und immerhin 75% hatten keine positiven Lymphknoten.
Die intensivierte Kombination Apalutamid + Abirateron + LHRHa erzielte keine Vorteile gegenüber Apalutamid + LHRH in dieser Studie.
Eine ähnliche Multicenter-Studie aus San Diego untersuchte neoadjuvant eine intensivierte Hormontherapie im gleichen Setting. 120 Hochrisiko-Prostatakarzinom-Patienten erhielten vor Operation eine intensivierte Therapiekombination aus Abirateron plus Apalutamid plus LHRHa vs. Abirateron plus LRHR über 6 Monate. Auch in dieser Studie lag das komplette Ansprechen bei 10%. Das heißt, jeder 10. Patient hatte vor Operation keinen nachweisbaren Tumor mehr in der Prostata. Als interessant an dieser Studie ist zu erachten, dass diese Patienten auch in einem randomisierten Setting mit dieser Therapie adjuvant weiterbehandelt wurden. Auch in dieser Studie brachte die Kombination der verschiedenen hormontherapeutischen Ansätze keinen Vorteil gegenüber der Monotherapie plus LHRHa.
Was kommt in den Therapiealltag?
Von Neil Shore wurde mit der HERO-Studie eine sehr interessante Phase-III-Studie vorgestellt. Die Studie verglich den ersten oralen GnRH-Rezeptorantagonisten Relugolix mit dem GnRH-Agonisten Leuprorelin bei Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom. Der Hintergrund der Attraktivität dieser Studie liegt in der bekannten kardiovaskulären Morbidität der LHRH-Therapie.
Studie: Weltweit wurden 934 Patienten in diese Phase-III-Studie randomisiert. Die Patienten erhielten 2:1 Relugolix oral einmal täglich vs. Leuprorelin alle 3 Monate subkutan. Primärer Studienendpunkt war das Erreichen und das Beibehalten von Serum-Testosteronwerten im Kastrationsbereich von <50ng/dl über 48 Wochen. Bei einem vergleichbaren Nebenwirkungsprofil hatten unter Relugolix die Patienten ohne Flare-Up-Phänomen ein wesentlich rascheres Erreichen des Kastrationsniveaus und auch eine wesentlich bessere Rate, ein Kastrationsniveau über den gesamten Zeitraum und ein sehr niedriges Kastrationsniveau <20nl/ml Testosteron zu erreichen.
Es ist zu erwarten, dass Relugolix in Europa bald in den Therapiealltag Einzug hält.
Während das Prostatakarzinom nach wie vor der häufigste Tumor des Mannes in der westlichen Welt ist, ist die Mortalität bei Prostatakarzinompatienten heutzutage in erster Linie kardiovaskulär bedingt und nicht mehr prostataspezifisch.