Prof. Maria Krauth berichtet über neue Erkenntnisse zur Pathophysiologie der Hyperinflammation bei PatientInnen mit hämatologischer Grunderkrankung und COVID-19 Infektion, die im Rahmen des diesjährigen virtuellen Kongresses der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH) vorgestellt wurden. Ein weiteres Thema waren die Risikofaktoren für einen schwereren COVID-19 Verlauf bei hämatologischen Patienten sowie Erkenntnisse zur Wirkungsweise eines beim multiplen Myelom eingesetzten CD38-Antikörpers.
Neue Erkenntnisse gibt es zur Pathophysiologie von Inflammations- und Hyperinflammationssyndromen im Rahmen einer SARS-CoV-2 Infektion: Demnach können Oberflächenexpressionsmoleküle wie ACE2 oder die Transmembranprotease TMPRSS2 den Eintritt von SARS-CoV-2 in Effektorzellen wie etwa hämatopoetische Stammzell- und Vorläuferzellen sowie endotheliale Vorläuferzellen erleichtern. Nach dem Eindringen des Virus kommt es zu einer Aktivierung des Nlrp3 Inflammasoms, dessen Inhibierung ein mögliches therapeutisches Ziel bei COVID-19 darstellen könnte. Der übersteigerte Entzündungsvorgang scheint jedoch anders abzulaufen als bei anderen bekannten Hyperinflammationssyndromen. So ergab der Vergleich zum Kawasaki-Syndrom bei Kindern wesentliche Unterschiede in Oberflächen- und Genexpressionsmustern von Immunzellen. Auch Mutationen von JAK3 könnten zu einer Immunmodulation mit konsekutiver Hyperinflammation beitragen.
CD38 wird auf verschiedenen Immunzellen exprimiert, unter anderem Plasmazellen, B- und T-Zellen. Der CD38 Antikörper Mezagitamab wird derzeit in präklinischen Studien beim Multiplen Myelom getestet. Nachgewiesen wurde, dass dieser Antikörper eine gute Wirkung bezüglich Immunmodulation und Depletion von Immunzellen mit hoher CD38 Expression zeigt. Interessanterweise scheinen nicht-depletierte Zellen über einen nicht-CD38-abhängigen Pathway aktiviert zu werden; hier könnte also eine andere Form von Immunmodulation vorliegen als bei anderen, bisher bekannten CD38-Antikörpern.
Gibt es bei Patienten mit hämatologischer Neoplasie (HN) und gleichzeitiger symptomatischer COVID-19 Erkrankung prädiktive Risikofaktoren für einen schwereren Verlauf? Nach retrospektiven Analysen von mehreren spanischen Zentren scheint die hämatologische Erkrankungsentität eine Rolle zu spielen: Die Mortalität von Patienten mit myelodysplastischem Syndrom oder akuter myeloischer Leukämie ist deutlich höher als bei anderen HN. Außerdem zeigten Patienten mit aktiver Tumorerkrankung beziehungsweise Tumorprogression eine höhere Mortalität als Patienten in kompletter Remission oder mit stabiler Erkrankung. Transplantierte Patienten hatten hingegen ein besseres Outcome, was auf eine höhere CR-Rate bei diesen Patienten zurückzuführen sein könnte. Höheres Alter, Komorbiditäten und niedriger Performance-Status wurden als Risikofaktoren bestätigt; zu den Labor-Risikowerten zählen erhöhte CRP- und LDH-Werte sowie niedrige Lymphozyten- und Thrombozytenzahlen.
Bei 39 Patienten mit HN und Verdacht auf COVID-Erkrankung (aufgrund von Klinik, Laborergebnissen, Bildgebung) wurde eine RT-PCR durchgeführt, die bei 13 Patienten negativ ausfiel. Bei acht dieser PCR-negativen Patienten wurde nachfolgend eine CRISPR Analyse durchgeführt, die bei sieben Patienten eine SARS-CoV-2 Infektion bestätigte. Die Schlussfolgerung dieser sehr hohen Rate an falsch-negativen RT-PCR Testergebnissen lautet: Bei Patienten mit hoher Vortestwahrscheinlichkeit für eine SARS-CoV-2 Infektion sollte intensiv getestet werden, wenn möglich mit unterschiedlichen Methoden.