Der Experte berichtet über neue Erkenntnisse in der Therapie des multiplen Myeloms mit unterschiedlichen Wirkstoffkombinationen, die wahrscheinlich einen neuen „standard of care“ für diese Krankheit einleiten werden. Auch in die Behandlung der Amyloidose kommt nach Jahren wieder Bewegung, Studienergebnisse geben Hoffnung auf eine nun bessere Versorgung dieser Patienten.
Neue Erkenntnisse zur Differenzierung des multiplen Myeloms von den Vorstufen monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) und dem schwelenden Myelom gewinnen zunehmend an Bedeutung. Abhängig von den neu entwickelten Risikoscores haben mehr als 70 % der Patienten mit schwelendem Myelom ein Fünf-Jahres-Risiko, an einem multiplen Myelom zu erkranken. Eine Phase-II-Studie untersuchte die KRd-Kombination (Carfilzomib/Lenalidomid/Dexamethason), gefolgt von einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie, als frühe Interventionsmaßnahme, um einen solchen Übergang zu verhindern. Die Studie zeigte eine Gesamtansprechrate (ORR) von 100 %, ein komplettes Ansprechen (CR) oder besser von 72 % und ein sehr gutes partielles Ansprechen (VGPR) oder besser von 94 %. Zudem war das Ansprechen anhaltend: mit einer MRD-Negativität von durchschnittlich 5,5 Jahren.
Bei der nächsten Untersuchung handelt es sich um ein Update der Phase-II-Studie GRIFFIN, die eine Kombination aus Daratumumab, Lenalidomid, Bortezomib und Dexamethason (DARA-RVd) mit RVd bei transplantationsfähigen neu diagnostizierten (NDMM) Myelompatienten vergleicht. Der primäre Endpunkt mit einem kompletten Ansprechen oder besser nach der Konsolidierung (medianes Follow-up: 22,1 Monate) wurde mit 50 vs. 20 % erreicht (Voorhees et al, Blood 2020). Nach der 12-monatigen Erhaltungstherapie (Follow-up 22,1 Monate) mit Dara-R vs. R war eine Verbesserung der MRD-Negativitätsraten (51,0 vs. 20,4 %) nachzuweisen. Die Phase-III-Studie PERSEUS ist im Laufen. Basierend auf diesen Daten wird DARA plus RVd wahrscheinlich der „standard of care“ für diese Patienten werden.
Nachfolgend wurden finale Daten der 2011 begonnenen EMN02/HO95-Studie präsentiert, die VMP (Bortezomib, Melphalan, Prednison) vs. Hochdosis-Melphalan plus autologer Stammzelltransplantation (ASCT) nach Induktion mit VCD (Bortezomib, Cyclophosphamid und Dexamethason) untersucht hat. Erste Daten wurden heuer publiziert (Cavo et al., Lancet Haematol 2020). In einer zweiten Phase wurde nun VRD vs. keine Konsolidierung verglichen; beide Arme erhielten nachfolgend eine Lenalidomid-Erhaltungstherapie. Das Ergebnis: Die Konsolidierung mit VRD gefolgt von der Lenalidomid-Erhaltungstherapie verbesserte in allen Subgruppen das Ansprechen und das PFS, verglichen mit der Erhaltungstherapie allein. Daten zum Gesamtüberleben sind noch nicht verfügbar.
In der Phase-III-Studie TOURMALINE-MM2 wiederum wurde bei 705 nichttransplantationsfähigen NDMM-Patienten orales Ixazomib, Lenalidomid und Dexamethason (IRd) vs. Placebo-Rd untersucht. Das mediane PFS war mit 35 vs. 21 Monaten deutlich unterschiedlich; allerdings war der Unterschied statistisch nicht signifikant. Wichtig ist jedoch, dass alle Subgruppen einen Nutzen aufwiesen – auch die Hochrisiko-Patienten (zytogenetisch und ISS-Stadium) zeigten ein gutes Ansprechen. Dies ist als klinisch signifikant einzustufen.
Die Phase-III-Studie ANDROMEDA verglich DARA-VCD vs. VCD allein. Nach einem Follow-up von 16 Monaten zeigte sich ein gutes Ansprechen bezüglich MOD-PFS („major organ deterioration progression-free survival“), mit einem kardialen Ansprechen von 42 vs. 22 % und einem renalen Ansprechen von 54 vs. 27 %. Da für die AL-Amyloidose bis vor wenigen Jahren lediglich eine Chemotherapie möglich war, kann dies als Revolution auf diesem Gebiet bezeichnet werden. Die Nebenwirkungen waren übersehbar, die Therapie ist als sehr vielversprechend einzustufen.
Erste Daten eines Real-Life-Registers retrospektiver Daten von rund 2.800 Patienten zeigten den Unterschied der Behandlung der AL-Amyloidose zwischen 2004 und 2010 vs. 2010 und 2018. In der Erstlinientherapie wird heute überwiegend Bortezomib verabreicht, in der Zweitlinie überwiegend IMiDs (immunmodulierende Substanzen); die autologe Transplantation ist je nach Patientenpopulation ebenfalls noch vertreten. Die Einführung von Bortezomib spiegelt sich vor allem in den besseren Ergebnissen in der 2010–2018-Patientenkohorte bis zum Stadium IIIA wider. Im Stadium IIIB ist das Outcome allerdings immer noch sehr niedrig, in dieser Gruppe besteht nach wie vor großer Therapiebedarf.