Diese Session hat, bereits am Anfang des Kongresses, das gesamte multiple Myelom thematisch abgedeckt und es wurden auch die wichtigsten Highlights, die im Rahmen dieses Kongresses besprochen werden, erwähnt.
Es gibt ein paar prinzipielle Konzepte, die sich innerhalb der nächsten Jahre ändern werden. Die erste Frage ist, wann wird behandelt? Wie geht man mit dem smoldering myelom um und wie trennt man zwischen low und high-risk-Patienten bzw. welche Biomarker könnten uns dabei helfen? Da das ultra-high-risk Myelom inzwischen als multiples Myelom bewertet wird, gilt es nun die high-risk-Patienten zu identifizieren, bei denen man einen Progress frühzeitig verhindern kann.
Dazu gibt es jetzt schon verschiedene Ansätze in Studien, wie das Mayo risk model, das Pethema risk model, und das heuer publizierte 2/20/20 risk model. Abhängig vom model werden als Hauptkriterien die Zahl der Leichtketten, der Grad der Knochenmarksinfiltration, die Immunoparese und der M-Gradient herangezogen. Wenn man diese mit zytogenetischen Risikofaktoren im 2/20/20 Model kombiniert, lässt sich die Übergangsrate vom smoldering zum multiplen Myelom bei 60% der Patienten verhindern. Das heisst aber auch, dass 40% der Patienten übertherapiert werden. Es gibt Kollegen in den USA, die meinen, der Begriff des smoldering Myeloms wird langfristig verschwinden, man wird nur mehr MGUS (monoklonale Gammopathien unklarer Signifikanz) und Myelome behandeln. Dafür braucht es aber zusätzliche Biomarker.
Um den Übergang, gerade bei jungen Patienten, zu verhindern, kämen eventuell Therapien mit Lenalidomid oder Lenalidomid/Dexamethsonbei in Frage. Aggressivere therapeutische Varianten bieten die GEM-Cesar oder ASCENT Studie, die Carfilzomib bzw. eine Carfilzomib und Daratumumab-hältige Induktions- und Konsolidierungstherapie mit Hochdosistherapie und nachfolgender Transplantation vorsehen. Im Moment sind das aber erst Konzepte und es ist sicher noch einiges im Gange. In wie weit sich diese flächendeckend durchsetzen werden, ist mit dem heutigen Wissen, bei diesen Patienten im Grenzbereich, fraglich.
Das wird auch davon abhängen, wie die Patienten das aufnehmen werden. Jungen Patienten, denen man sagt, dass ihr Erkrankungsrisiko bei 80 bis 90% liegt, könnte man wahrscheinlich schon überzeugen. Einen älteren Patienten wird man eher mit einer Substanz statt einer Kombination behandeln.
Was die nicht-transplantationsfähigen Patienten betrifft, wurde in der session ein bisschen auf die Geschichte der Therapien eingegangen, von Melphalan/Prednison bis zum Daratumumab. Darunter auch alle Tripletttherapien, wie VRD, ein Schema, das man auch älteren Patienten sicher weiter anbieten kann, vor allem in modifizierter VRD-lite Dosierung.
Eine weitere Frage, ist die nach der Therapiedauer – es gibt erst wenige Daten, die belegen, dass eine längere Therapie besser ist als eine kurze. Und ein grosses Thema bleibt auch die Toxizität.
Es war interessant zu sehen, dass Therapien zu nicht-transplantfähigen Patienten zuerst besprochen wurden. Vielleicht spiegelt das auch ein bisschen den Wunsch wieder, vielleicht irgendwann auf die doch recht toxischen Transplantationen verzichten zu können.
Bei transplant-fähigen Patienten wurde auf neue Daten, die im Rahmen dieses ASH Meetings vorgestellt werden, hingewiesen, insbesondere Daratumubab als front-line-Therapie im tranplant-eligible-setting, z.B. in Kombination mit VRD und KRd. Vorerst bleibt die autologe Stammzelltransplantation (ASCT) Standard of care; bei Patienten mit zytogenetischer Hochrisikokonstellation und gutem Allgemeinzustand wird die Tandem-Transplantation angewandt. Zum Thema Transplantation gab es im Anschluss an die Präsentation auch einige Diskussionen darüber, zu welchem Zeitpunkt eine Transplantation innerhalb einer Induktionstherapie stattfinden sollte. Standard of care sind vier bis sechs Zyklen. Diskutiert wurde auch über das Induktionsschema und hier war es doch überraschend zu sehen, dass VRD gleichwertig mit KRD zu sein scheint. In Bezug auf die Maintenance- Therapie ist Lenalidomid als single-Agent nach einer Transplantation zugelassen. Auch hier stellt sich die Frage nach der Therapiedauer. Es gibt Hinweise, dass eine Therapie mit Lenalidomid länger als 2 Jahre, einen Vorteil bringen könnte. Insbesondere bei zytogenetisch vorbelasteten Hochrisiko-Patienten wird bereits heute zusätzlich ein Proteasomhemmer, wie z.B. das orale Ixazomib, gegeben.
Was das relapsiert/refraktäre setting betrifft, sind die Algorithmen extrem schwierig. Wir haben zum Glück eine grosse Zahl von Medikamenten – es sind in den letzten zehn Jahren insgesamt zehn verschiedene Substanzen zugelassen worden – die in verschiedenen Kombinationen eingesetzt werden. Es gibt also sehr viele Optionen. Es sollte auf jeden Fall, insbesondere bei älteren Patienten, weil spätere Therapiemöglichkeiten aufgrund des Allgemeinzustands dieser Patientengruppe zunehmend abnehmen, mit der besten Kombination begonnen werden. Wünschenswert wäre in dieser Hinsicht die Identifizierung geeigneter Biomarker. Beispielsweise
Ist Venetoclax alleine oder in Kombination vor allem bei Patienten mit Translokation 11;14 oder Überexpression von BCL-2 aktiv; der BRAF-Inhibitor Vemurafenib nur bei einer BRAF-Mutation. Perspektivisch könnte man anhand der Identifizierung solcher und ähnlicher Biomarker wirklich eine personalisierten Therapie als neues Konzept in der Behandlung des MM andenken.
Zur Sprache kamen spannende, next generation novel agents wie Melflufen, Venetoclax, CAR-T-Zelltherapien, BiTES, CelMODs und Selinexor, das in den USA in Kombination mit Dexamethason bei pentarefraktären Patienten zugelassen ist. Auch über die Kombination Selinexor/Pomalidomid/Dexamethason wurde gesprochen, das mit guten Ansprechraten bei vielfach vortherapierten Patienten aufwarten kann; die Daten werden im Rahmen dieses ASH Meetings vorgestellt. Die Nebenwirkungen, die im Rahmen der STORM Studie aufgetreten sind, sind sicherlich auch der Vielzahl an Vorbehandlungen und dem bereits ausgangs vermindertem Allgemeinzustand geschuldet. Ein Anteil der STOMP- Studie, die das Triplett Selinexor/Bortezomib/Dexamethason in früheren Linien eingesetzt hat, zeigt eine bessere Toleranz. Ähnlich wie Selinexor, zeigt das BCMA-Antikörper-Konjugat Belantamab mafodotin ein hohes Ansprechen bei schwerst vorbehandelten Patienten. Damit werden in naher Zukunft wohl neben den Naked Antibodies auch ADCs zur Verfügung stehen.
Eine wichtige konzeptionelle Neuerung in der Diagnostik, die durch das längere Gesamt- und progressionsfreie Überleben unserer Patienten eine grosse Rolle spielen wird, ist die Bestimmung der MRD (minimal residual disease) – Negativität. Sie wird bereits jetzt in mehreren Studien als primary endpoint verwendet, und könnte in Zukunft bestimmen, wieviele Zyklen einer Therapie gegeben werden. Wie die Bestimmung der MRD Negativität in Österreich flächendeckend, mittels NGS oder next-generation-FACS funktionieren könnte, bleibt abzuwarten.
Zusammenfassend hat sich die Prognose unserer Myelom-Patienten in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich verbessert. Wir leben in einer wissenschaftlich sehr spannenden Zeit. Durch die anhaltende Identifizierung neuer Therapeutika insbesondere Immuntherapeutika und verfeinerter diagnostischer Verfahren, wird sich das Überleben unserer Patienten ohne Zweifel auch weiter verbessern. Eine Heilung unserer Patienten ist aus meiner Sicht im Bereich des Möglichen.