Die wichtigste Botschaft der Session war, dass man die neuen Substanzen in einer Vierfach-Kombination nicht nur bei Hochrisiko-Patienten, wie zum Beispiel Patienten mit einer Plasmazellleukämie oder Patienten mit ungünstiger Zytogenetik, einsetzen kann, sondern auch in einer Dreifach-Kombination bei unfitten oder gebrechlichen Patienten. Die neuen Substanzen führen zu hohen Ansprechraten bei akzeptablem Toxizitäts-Profil. Der Einsatz einer Vierfach- bzw. Dreifach-Kombination bei Patienten, die nicht für eine Transplantation geeignet sind, wird künftig einen Standard in der Myelom-Behandlung darstellen.
Am ASH wurden Daten der noch nicht abgeschlossenen GRIFFIN-Studie, einer Phase-II Studie gezeigt. Dabei erhielten die Patienten 4 Zyklen einer Induktionstherapie mit Dara-VRd versus VRd, gefolgt von einer ASCT, anschließend 2 Zyklen Konsolidierungstherapie mit Dara-VRd versus VRd und eine Erhaltungstherapie mit jeweils 32 Zyklen Dara-R versus R (mit Eskalation von 10mg auf 15mg tgl. ab dem 10. Zyklus). Durch die Zugabe von Daratumumab konnte eine deutlich höhere Rate an sCR und MRD-Negativität erzielt werden, die wichtige Surrogatmarker für PFS und OS sind. In Hinblick auf Nebenwirkungen gab es in der GRIFFIN-Studie im Arm der Vierfachkombination keine höhere Rate an Infektionen Grad 3/4 als im Vergleicharm. Zudem war auch eine Stammzellmobilisierung nach 4 Zyklen Konsolidierungstherapie mit Dara-VRd problemlos möglich. Somit ist davon auszugehen, dass künftig Dara-VRd der Standard für eine Induktionstherapie werden wird.
Des Weiteren wurden Ergebnisse der CASSIOPET-Studie, einer Begleitstudie im Rahmen der Phase-III CASSIOPEIA-Studie gezeigt. Dabei wurde bei Patienten mit neudiagnostiziertem, transplantfähigen Multiplen Myelom, die eine Induktion mit 4 Zyklen Dara-VTd versus VTd, gefolgt von einer ASCT und anschließenden Konsolidierung mit 2 Zyklen Dara-VTd versus VTd und einer Dara-Erhaltungstherapie bis zum Progress versus Observanz erhielten, eine PET-CT zum Diagnosezeitpunkt und am Tag 100 durchgeführt. Bemerkenswert ist, dass sich bei Baseline bei 20,1% der Patienten keine Speicherung in der PET-CT nachweisen ließ, was auf den niedrigen Proliferationsindex der Myelomzellen zurückzuführen sein dürfte. In der CASSIOPET-Studie konnten die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass Patienten im Studienarm mit Dara-VTd, die sowohl MRD negativ waren als auch keine Speicherung in der PET-CT aufwiesen, ein besseres PFS erzielen konnten. Somit dürfte eine negative PET-CT ein weiterer Surrogatmarker für PFS sein. Weitere Daten hierzu werden noch folgen.
Für mich persönlich stellt die PET-CT derzeit noch keinen Standard in der Routine-Diagnostik dar, da bleiben weitere Studienergebnisse abzuwarten. Einen fixen Stellenwert sehe ich derzeit nur bei Patienten mit extramedullären Manifestationen, insbesondere in der Verlaufsbeurteilung.
Die Plasmazellleukämie stellt im klinischen Alltag immer noch eine große Herausforderung dar. In der Interimsanalyse der Phase-II Studie EMN12/HOVON-129 wurden Daten von 15 transplantfähigen Patienten unter 65 Jahren, die 4 Zyklen einer Induktionstherapie mit KRd erhielten, präsentiert. In weiterer Folge war für diese Patientengruppe eine Tandem-ASCT bzw. ASCT und RIC-Allo-SCT geplant sowie eine Konsolidierung mit 2 Zyklen KRd gefolgt von einer K-Erhaltungstherapie, die nach 6 Monaten um Lenalidomid erweitert und bis zum Progress verabreicht wurde. Mehr als die Hälfte der Patienten wiesen eine Hochrisiko-Zytogenetik auf, mehr als ein Fünftel der Patienten hatte einen WHO Performance-Status von 3. Es konnte gezeigt werden, dass nach 4 Zyklen KPD 80% der Patienten eine VGPR und 33% eine CR erreichen konnten. An Nebenwirkungen ließen sich Grad 3/4-Toxizitäten bei einem Viertel der Patienten v.a. im ersten Behandlungszyklus im Sinne von Infektionen, Niereninsuffizienz und Kardiotoxizität erheben, die beherrschbar und reversibel waren. Kein einziger Patient verstarb im Rahmen der Induktionstherapie.
KPd scheint somit eine sehr effektive Therapie zur Behandlung der Plasmazellleukämie zu sein, wenn auch die Anzahl der Patienten mit 15 sehr klein ist.
Ich finde es wichtig, dass auch negative Studiendaten wie die Ergebnisse der Studie GEM-Claridex präsentiert wurden. In dieser Phase-III Studie erhielten Patienten, die nicht transplant-fähig waren, eine Standard-Therapie mit Ld und im Studienarm zusätzlich eine täglich eingenommene Antibiose mit Clarithromycin in therapeutischer Dosierung. Clarithromycin wirkt in gewisser Weise in Kombination mit einem Steroid auch immunmodulatorisch und antineoplastisch. Obwohl die Response-Rate im Studienarm etwas höher war als im Vergleichsarm, gab es keinen signifikanten Unterschied im PFS. Zudem war die Toxizität unter CRd deutlich höher, vor allem kam es gehäuft zu schweren Infektionen, was auch auf den Synergismus zwischen Clarithromycin und Steroiden zurückzuführen sein dürfte.
Des Weiteren wurde am ASH eine Interimsanalyse der HOVON-143-Studie präsentiert. In dieser Phase-II-Studie wurden unfitte und gebrechliche Patienten mit neudiagnostiziertem Myelom über 75 Jahre eingeschlossen. Sie erhielten 9 Zyklen einer Induktionstherapie mit Daratumumab/Ixazomib und low-dose Dexamethason (Dara-Id) gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Dara-Id, wobei Daratumumab alle 8 Wochen bis zum Progress verabreicht wurde. Dara-Id führte zu einer hohen Ansprechrate mit über 70% bei den sowohl unfitten als auch bei den gebrechlichen Patienten. Die Toxizitäten waren überschaubar, Neutropenien und Infektion waren dabei die häufigsten Nebenwirkungen. Die frühe Mortalitätsrate in den ersten 3 Behandlungsmonaten lag bei 7%, was für eine unfitte bzw. gebrechliche Patientenpopulation nicht besonders hoch ist. Somit stellt die Therapie mit Dara-Id nicht nur eine effektive sondern auch sichere Therapie für ältere, unfitte bzw. gebrechliche Patienten dar.
Bei der zuletzt präsentierten Studie handelte es sich um die Interims-Analyse der österreichischen Studie AGMT-MM-02. In dieser Phase-II Studie erhielten neudiagnostizierte, nicht-transplantfähige Myelom-Patienten 9 Zyklen einer Induktionstherapie mit KRD versus KTD, gefolgt von einer K-Erhaltungstherapie über 12 Zyklen versus Observanz. Präsentiert wurden kombinierte Daten aus beiden Studienarmen. Die OR-Rate war eindrucksvoll mit 95,6% bei betagten Patienten mit einem Durchschnittsalter von 75 Jahren. Es konnte gezeigt werden, dass die Therapien für Patienten mit Hochrisiko-Zytogenetik gleichermaßen effektiv waren wie für jene mit einer Standardrisiko-Zytogenetik. An Toxizitäten Grad ¾ ließen sich neben Neutropenien (12,7%) vor allem Infektionen (26,1%) und kardiale Komplikationen (7,6%) feststellen. Bemerkenswert an dieser Studie ist auch, dass QoL-Daten erhoben wurden, wobei eindeutig gezeigt werden konnte, dass es unter Therapie einerseits zu einer Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, andererseits zu einer Abnahme von Fatigue und Schmerzen kam.
Die gezeigten Daten untermauern die Sinnhaftigkeit des routinemäßigen Einsatzes von Dreifach- und Vierfach-Kombination in der Myelom-Behandlung. Durch effektive Therapien lässt sich ein gutes Behandlungsergebnis erzielen, was auch zu einer Verbesserung der Lebensqualität der Patienten führt.