Die US-amerikanische CONSORT-Studie (SWOG-Intergroup NCTN S101) prüfte bei Patienten mit erstdiagnostiziertem diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) im limitierten Stadium (I/II), ob PET-geleitet eine Therapie-Deeskalation auf nur vier statt der ansonsten üblichen sechs Zyklen R-CHOP zulässig sein kann. Nach drei Zyklen R-CHOP wurde ein Interim-PET (iPET3) durchgeführt, woraufhin bei Negativität, die die allermeisten Patienten erreichten, nur noch ein weiterer Kurs der Chemoimmuntherapie verabreicht wurde. Die kleine Gruppe der iPET3-positiven Patienten wurde mit einer Involved Field-Bestrahlung plus Ibritumomab Tiuxetan, einem Beta-Strahler Yttrium90-markierten CD20-Antikörper, konsolidiert und erzielte so ein mit den iPET3-negativen Patienten vergleichbares Outcome.
Aufgrund der hohen Rate iPET3-negativer Patienten stellt die Studie vor allem eine Bestätigung der „FLYER“-Daten der deutschen Studiengruppe dar, die letztjährig von Frau Dr. Viola Poeschel beim ASH präsentiert wurden. Die Phase III-Studie konnte zeigen, dass jüngere Patienten im Stadium I/II ohne Bulk und ohne Risikofaktoren mit vier Zyklen R-CHOP plus 2 Zyklen R hinreichend behandelt sind und ein 3J-PFS von 96% erzielen – eine Größenordnung, die so auch die SWOG-Studie (fast) erreichte. Die Grundbotschaft lautet daher, dass vier Zyklen statt sechs oder acht Zyklen wie bisher, der neue Standard bei jüngeren Patienten im limitierten Stadium ohne Risikofaktoren ist; die Notwendigkeit eines Interim-PET bleibt derzeit in dieser Patienten-Population noch offen.
Die Daten der Phase-I/II Studie zu Brentuximab Vedotin plus Rituximab bei immunsupprimierten Patienten mit CD 30- und/oder Epstein-Barr-Virus-positiven Lymphom sind grundsätzlich interessant, weil es mit Brentuximab einen weiteren Antikörper gibt, der prinzipiell zur chemotherapiearmen Behandlung bei Organ- bzw. Stammzell-transplantierten Patienten eingesetzt werden kann, bei denen bekanntermaßen eine hohe Letalität gegenüber einem sofortigen Einsatz konventioneller Chemotherapie zu befürchten ist.
Die Fallzahl von nur 22 Patienten ist aber sehr niedrig und problematisch ist auch, dass quasi alle typischen Histologien eingeschlossen worden sind und anders als in der europäischen PTLD-Studie, nicht unter Einsparung der initialen CHOP-Chemotherapie, sondern in der Kombination mit Brentuximab und Rituximab.
Die Ergebnisse dieser kleinen Studie an 22 Patienten sind bzgl. der Erkrankungskontrolle mit einem 90%igen Gesamtüberleben und 68%igen progressionsfreien Überleben nach einer Beobachtungszeit von 26 Monaten sehr ermutigend, doch war das Vorgehen, dass auch noch eine Erhaltungstherapie mit beiden Antikörpern vorsah, mit hoher Toxizität assoziiert. Fast die Hälfte der Patienten hatte die Therapie frühzeitig abgebrochen.
Während die europäische PTLD2-Studie – basierend auf überzeugenden Vordaten – das Ziel verfolgt, Chemotherapie erst nach einer Rituximab-Run-in-Phase einzusetzen oder bei gutem Antikörper-Ansprechen ganz auf selbige zu verzichten, bleibt hier unklar, warum bei CD20-positiven B-NHL-Histologien eine Therapieintensivierung in der vulnerablen Startphase wirklich notwendig sein soll. Brentuximab Vedotin erscheint mir gerade bei CD20-negativen Histologien wie PTLD-Hodgkin-Lymphom oder PTLD-Anaplastisch-großzelligen T-Zell-Lymphom sinnvoll, wenn CD30-Expression nachweisbar ist und sollte dann mit Rituximab kombiniert werden, wenn man sich bei positivem EBV-Status hierdurch eine Kontrolle des B-Zell-Reservoirs für die EBV-Replikation versprechen kann. Dies haben wir selbst in einer kleine Fallserie (die wir beider DGHO/OeGHO-Tagung in Berlin vor wenigen Wochen in einer oralen Präsentation vorgestellt hatten) mit vergleichbar guten Ergebnissen und sehr überschaubarer Toxizität ohne extendierte Maintenance-Phase exploriert.
Ein wichtiges Abstrakt betrifft die Vorstellung einer weiteren DLBCL-Phase III-Studie zur Erweiterung des Chemo-Immun-Therapiestandards um Lenalidomid. Nach der im Sommer in Lugano berichteten negativen ROBUST-Studie zu R-CHOP ± Lenalidomid bei Non-GCB (germinal center B-cell))-Patienten wurden hier nun Ergebnisse der SENIOR-Studie der französischen Lysa-Studiengruppe für über 80jährige Patienten und einem sog. „R-miniCHOP“-Backbone vorgetragen. Auch die SENIOR-Studie ging negativ aus, konnte also keinen Vorteil für Lenalidomid in Kombination mit Rituximab-miniCHOP für die hier nicht nach Ursprungszelle vorselektierten Patienten zeigen, und lieferte darüber hinaus mehr Toxizitätssignale. Während ein Grundsatzproblem der zahlreichen zuvor gescheiterten DLBCL-Phase-III-Studien die „Verdünnung“ der Studienpopulation durch Patienten mit zu geringem Risiko ist, die durch die Standardtherapie geheilt werden, ist dieser Aspekt bei der „Elderly“-Population unter R-miniCHOP sicher weniger ausgeprägt, doch wird auch hier ohne Lenalidomid bereits 50-60% 3-Jahres-Überleben erreicht. Es bleibt zu hoffen, dass molekulare Folgeuntersuchungen Einsichten gewähren, welche besonderen Risikokonstellationen in dieser Studie doch von Lenalidomid profitiert haben könnten.
Ganz besonders interessant war die letzte in dieser Session präsentierte Studie, nämlich eine Subgruppen-Analyse der PHOENIX-Phase III-Studie zur Rolle von Ibrutinib bei einem R-CHOP-Backbone in unbehandelten Non-GCB-DLBC-Patienten, deren negativer Ausgang auf der ASH-Tagung vor einem Jahr berichtet worden war, allerdings dort bereits recht dramatische Wirksamkeitssignale von unter 60jährigen Patienten präsentiert worden waren. Nun ging es darum, die Bedeutung der Hinzunahme von Ibrutinib bei Patienten mit Ko-Expressin von BCL2 and MYC – quasi ein „Double-Expressor-Status (DES)“ – zu explorieren, die auch hier erneut bestätigt eine besonders ungünstige Prognose aufwiesen. Tatsächlich zeigte sich, dass Ibrutinib den DES-Nachteil bzgl. EFS (ereignisfreies Überleben) und OS (Gesamtüberleben) egalisierte, und umgekehrt DES-Patienten über alle Altersklassen bzgl. EFS profitierten. Die unter 60jährigen Patienten boten ein besonders klares Bild: hier war der Vorteil sowohl hinsichtlich EFS als auch OS klar signifikant und mit einem um etwa 25% verbesserten 3J-EFS bzw. 3J-OS besonders markant.
Interessant ist eine zweite, „versteckte“ Bewertungsebene der PHOENIX-Studie: ein erheblicher Anteil, ein knappes Drittel, der Patienten stellte sich nach initialer Non-GCB-Auswahl in der Transkriptom-basierten Überprüfungsanalyse als GCB heraus; diese Patienten profitierten in der unter 60jährigen Gruppe genauso von Ibrutinib wie die ABC-Patienten. Da in einem ähnlich angelegten Design (Einstieg über Non-GCB-Status, dann Transkriptom-Analyse) einer anderen DLBCL-Studie (Abs. #761) in derartigen GCB-Patienten später auch sog „Double-Hit-Lymphome (DHL)“ gefunden wurden, wäre es spannend zu erfahren, ob auch einige der PHOENIX-DES-Patienten womöglich zu den als besonders schwierig zu behandeln geltenden DEL-Patienten zählten und dabei von der R-CHOP-Erweiterung um Ibrutinib profitierten. Diese Information war in der oralen Session zu den DES-Patienten der PHOENIX-Studie leider nicht verfügbar.
Zusammenfassend lernen wir einmal mehr, dass neue Konzepte in Bezug auf Therapiemodifikationen- bzw. -Intensivierung für Patientengruppen unter besonderen Risiken beginnen, relevante Verbesserungen des bisherigen Standards zu zeigen. Umgekehrt gilt, dass bei einer Erkrankungsentität, bei der zwei Drittel der Patienten mit dem bisherigen Standard gut behandelt sind, auch Therapie-Deeskalation eine wichtige Strategie sein muss, für die wir robuste Steuerungskriterien benötigen. Neben der Interim-PET-Bildgebung werden diese Kritieren, das hat der ASH-Kongress 2019 eindrucksvoll zeigen können, vor allem in einer immer besseren und sicher mittelfristig routine-verfügbaren Molekulardiagnostik liegen.