In einer sehr interessanten Sitzung unter dem Vorsitz von Katharina Götze und Michael Pfeilstöcker wurden aktuelle Themen besprochen.
Nicolas Bonadies gab im ersten Vortrag einen sehr guten Überblick über den Zusammenhang klonaler Hämatopoese und kardiovaskulärer Erkrankungen sowie Autoimmunerkrankungen. Klonale Hämatopoese nimmt mit dem Alter zu, hierzu gibt es mehrere Arbeiten (Jaiswal et al., Genovese et al., Zink et al.). Bei klonaler Hämatopoese findet sich im Gegensatz zum MDS oder zur AML meist nur eine Mutation, während bei den manifesten Erkrankungen mehrere Gene betroffen sind; dies wurde anhand der Krankheitsevolution ausgehend von CHIP (z. B.: DNMT3A) über MDS (z. B.: DNMT3A, RUNX1) zur sekundären AML (z. B.: DNMT3A, RUNX1, FLT3) anhand des Hinzukommens immer neuer Klone sehr gut veranschaulicht. Die klonale Evolution ist ein zufälliger Prozess, der durch verschiedene endogene und exogene Faktoren (Alter, Microenvironment im Knochenmark, Rauchen, toxische Substanzen) beeinflusst werden kann.
N. Bonadies hat weiters die Bedeutung des Inflammasoms in der Pathogenese des MDS beleuchtet. Anders gesagt, kann man klonale Hämatopoese oder MDS als proinflammatorische Erkrankungen bezeichnen. In 20–30 % der MDS-Fälle wird in unterschiedlichen Untersuchungen ein Zusammenhang mit autoimmunologischen/ autoinflammatorischen Erkrankungen gefunden.
Das höhere Risiko von Patienten mit klonaler Hämatopoese für kardiovaskuläre Erkrankungen ist seit längerem bekannt (Jaiswal et al., NEJM 2017). Somatische Mutationen und klonale Hämatopoese spielen eine wichtige Rolle im kardiovaskulären Remodeling nach Myokardinfarkt. In der CANTO-Studie wurde ein IL1ß-Antikörper (Canakinumab) bei Patienten mit Myokardinfarkt eingesetzt. Durch diese antiinflammatorische Therapie konnte eine signifikante Reduktion der kardiovaskulären Events, unabhängig vom Lipidspiegel, erreicht werden.
Felicitas Thol aus Hannover hat neue innovative Therapien beleuchtet.
APR-246, ein Reaktivator von mutiertem TP53, wurde bei Patienten mit einer TP53-Mutation und MDS/AML (< 30 % Blasten), MDS/MPN und CMML untersucht, war aktiv und generell gut tolerabel. Die ORR lag bei 88 %. In der Gesamtpopulation konnte bei 53 % eine CR erreicht werden, bei MDS-Patienten in 61 %. 5 % der Patienten mussten die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abbrechen, es war allerdings keine NW mit APR-246 assoziiert (Sallman et al., ASH 2019).
Venetoclax in Kombination mit Azacitidin brachte in der Phase-IB-Studie sehr interessante Ergebnisse, diese müssen allerdings in größeren Studien, die bereits laufen, bestätigt werden. Als empfohlene Dosis für weitere Studien wurde 400 mg Venetoclax d 1–14 eines 28-Tage-Zyklus in Kombination mit 75 mg/m2 d 1–7 eines 28-Tage-Zyklus ermittelt. Es wurde eine CR-Rate von 39 % in der Azacitidin-Monotherapie und eine CR/mCR-Rate von 77 % in der Kombination von Azacitidin und Venetoclax erzielt (Wei et al., ASH 2019).
ASTX727 (Decitabin und Cedazuridin) ist seit Juli 2020 von der FDA für die Behandlung erwachsener Patienten mit MDS (IPSS int-1, int-2, high risk) zugelassen. Es wird 1 Tablette (35 mg Decitabin und 100 mg Cedazuridin) d 1–5 alle 4 Wochen eingenommen. Eine CR-Rate von 21 % mit einer medianen Dauer von 7,5 Monaten wurde erreicht.
Die Bedeutung der TP53-Mutation und in welchem Setting die TP53-Mutation mit der schlechten Prognose vergesellschaftet ist wurde von Detlef Haase herausgearbeitet. Das Auftreten einer TP53-Mutation ist eng mit einer Deletion 5q, einem komplexen Karyotyp und einer schlechten Prognose assoziiert. Die TP53-Mutation kann sowohl früh als auch später auftreten, wobei ein frühes Erscheinen häufiger ist. Wenn eine TP53-Mutation früh im Krankheitsverlauf vorhanden ist, kann sich diese über viele Jahre „still“ verhalten und erst durch einen „second hit“ (sequence variation, copy number alteration) aktiv werden. Und nur dieser sog. „multi hit status“ ist mit Therapieresistenz und rascher Progression assoziiert.
Die Bedeutung der allogenen Stammzelltransplantation als einzige kurative Therapieoption und die oft vorhandene Schwierigkeit der richtigen Auswahl der Patienten wurde von Uwe Platzbecker präsentiert. Neben der NRM bleibt nach wie vor der Relaps die vorherrschende Herausforderung. Kann man die Ergebnisse durch optimale Vorbehandlung verbessern? Die Eisenüberladung spielt hier eine wichtige Rolle, durch eine adäquate Eisenchelation kann man die Mortalität senken. Die VIDAZALLO-Studie der deutschen MDS-Studiengruppe klärt die Frage der Bedeutung von Azacitidin und allogener SCT, wobei hier nur die Patienten mit einem optimalen Spender (10/10) transplantiert werden; die restlichen erhalten Azacitidin weiter. Kann man durch eine MRD-getriggerte Behandlung post-transplant bei Patienten mit CR das Outcome verbessern? Diese Frage wird in der SHAPE-Studie untersucht: Hier erhalten Patienten MRD getriggert nach allogener Stammzelltransplantation Azacitidin oder Azacitidin in Kombination mit Pevonedistat, einem NEDD8-Activating Enzyme-Inhibitor. Dieser Small-Molecule-Inhibitor erbrachte bei Patienten mit Higher-Risk-MDS und AML mit < 30 % Blasten ermutigende Ergebnisse in einer Phase-II-Studie in Kombination mit Azacitidin versus Azacitidin alleine (MDS: ORR 79 vs. 57 %; CR 52 vs. 27%).
Nach dem großen Fortschritt durch die Einführung von hypomethylierenden Substanzen in die Therapie des MDS scheinen einige neue Substanzen zu kommen, die eine weitere Verbesserung der Behandlung der Patienten mit MDS ermöglichen.