Die Sitzung zu den klinischen Aspekten der Adipositas-Heterogenität fand großes Interesse.
Prof. Roy Taylor zeigte beeindruckende post-hoc Analysen der bekannten DIRECT-Studie, in der die Gewichtsreduktion durch Formula-Diäten bei vielen Teilnehmern zu einer Diabetesremission führte.
Individuelle BMI-Cut-Offs: Bereits 7 Tage nach Start einer 800 kcal-Diät konnte die Nüchtern-Glukose trotz Absetzen der antihyperglykämischen Therapie normalisiert werden. Die Erklärung hierfür sieht Prof. Taylor in der Abnahme des Leberfetts. Durch die Abnahme der hepatischen Steatose kommt es zu einer Abnahme des Fettexports aus der Leber und somit auch des Pankreasfetts, was wiederrum zu einer Verbesserung der pankreatischen Betazellfunktion und somit der Insulinantwort führt. Diese Veränderungen konnten sowohl bei Menschen mit einem BMI von 45 kg/m2 als auch 27 kg/m2 beobachtet werden.
Er führt dies darauf zurück, dass der Cut-Off für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist. Während die einen bereits bei einem BMI < 30 kg/m2 eine Hyperglykämie durch vermehrtes Leber- und Pankreasfett entwickeln, bleiben andere lange vom Diabetes verschont. In der UKPDS-Studie hatten sogar 36 % der Menschen mit Typ-2-Diabetes einen BMI < 25 kg/m2. Er schlussfolgert daraus, dass die Toleranz gegenüber des Fettüberschusses individuell unterschiedlich ist und man einen Typ-2-Diabetes entwickelt, wenn man „zu schwer für seinen Körper“ ist. Mit der ReTUNE-Studie, in der auch Menschen mit normalem BMI und T2D eine Gewichtsreduktion empfohlen wurde, wurde diese Theorie bewiesen: 70 % konnten durch eine Gewichtsreduktion eine Diabetes-Remission erreichen.
Diese Theorie wurde auch von den nächsten 2 Sprechern unterstützt. Matthias Blüher zeigte, dass metabolische Gesundheit bei übergewichtigen/adipösen Menschen nur ein transienter Zustand ist; sobald diese einen gewissen BMI erreichen und eine metabolische Folgeerkrankung entwickeln, steigt ihr kardiovaskuläres Risiko. Sobald sich eine sog. Fettgewebs-Dysfunktion entwickelt, kommt es durch Inflammation und Insulinresistenz zu den bekannten metabolischen Folgen; hier dürften unterschiedliche Adipozyten-Typen eine entscheidende Rolle spielen, wie Mikael Ryden am Ende der Sitzung eindrucksvoll zeigte.
Schlussfolgerung für die klinische Praxis: Wir müssen lernen, weniger auf den Absolut-Wert des BMI als vielmehr auf den individuellen BMI jedes Menschen zu achten, ab wann dieser zu einem Fettexzess in Leber und Pankreas und somit zu Insulinresistenz und Hyperglykämie führt.
Obesity Heterogeneity: Clinical Aspects
Chair/Moderator: M. Rohm (DE)