Die Therapie der chronischen Hepatitis B besteht gegenwärtig in einer Langzeitbehandlung mit Nukleo(t)sid-Analoga (NA). Das Therapieziel einer sogenannten funktionellen Heilung mit Verlust des HBsAg, ist unter dieser Therapie jedoch nur selten zu erreichen. Rezente Daten einer großen internationalen Hepatitis-B-Kohorte (RETRACT-B-Studie) zeigten, dass die Beendigung der NA-Therapie mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eines HBsAg-Verlustes einhergeht. Dies trifft v.a. auf HBeAg-negative, nicht-zirrhotische Patient:innen mit vollkommener Virussuppression unter Therapie und niedrigem HBsAg-Spiegel zu. Demgegenüber steht jedoch ein Risiko für hepatische Flares und Dekompensation nach Absetzen der Therapie.
In der von Dongelmans et al. präsentierten Studie wurden nun Prädiktoren für off-treatment-Flares und Dekompensation in dem Kollektiv der RETRACT-B-Studie untersucht.
Ergebnisse: Es wurden in der Studie 1.552 Patient:innen (Alter: 52,9 Jahre, Männer: 72%, Asiaten: 88%, Entecavir-Therapie: 63%, Zirrhose: 12%) untersucht. Off-treatment-Flares mit ALT>5xULN, ALT>10xULN oder ALT>20xULN wurden in 31,7%, 15,9 % und 4,5% beobachtet. Die Intensität der Flares nahm über die Dauer der Nachbeobachtungszeit ab, vor allem die Häufigkeit von ausgeprägten Flares (ALT>20xULN) nahm ab. 3,7% (n=13) der Patient:innen zeigten eine Dekompensation, wovon 5 Patient:innen (38%) eine Zirrhose aufwiesen und die Flares durch hohe Viruslast und hohe ALT charakterisiert waren. 3 Patient:innen verstarben. Prädiktoren für Flares waren Alter, männliches Geschlecht, Verwendung von TDF, und HBsAg>100 IU/ml, sowie die Höhe der HBV-DNA-Viruslast zu Woche 12 nach Beendigung der Therapie. Insbesondere bei einer HBV-DNA >10.000 IU/ml (HR: 4,64, 95% CI: 2,43-8,87). In dem Fall wurde der Wiederbeginn der NA-Therapie empfohlen.
Als Fazit für die Praxis zeigt sich aus der Studie, dass Flares nach Beendigung der Nukleo(t)sid Therapie v.a. innerhalb der ersten 12 Monate häufig sind. Es ist daher einerseits auf eine engmaschige Kontrolle der HBV-DNA, ausreichende Aufklärung und Compliance der Patient:innen zu achten, andererseits sind prädiktive Faktoren wie oben beschrieben in die Therapieentscheidung einzubeziehen. Große Zurückhaltung ist in Patientenkollektiven mit hohem Risiko für eine klinische Dekompensation angezeigt. Bei einem frühzeitigen und starken virologischen Rebound ist der Wiederbeginn einer NA-Therapie zu empfehlen.