Prof.in Noemi Pavo führt durch die komplett neu verfasste ESC-Leitlinie zur Kardiomyopathie (CMP), die auch international einzigartig ist, da es bis jetzt noch keine vergleichbaren Zusammenfassungen gibt. In der Leitlinie werden strukturelle Abnormalitäten des Herzens besprochen, denen keine offensichtliche Ätiologie wie eine KHK, Hypertonie oder valvuläre Erkrankungen zu Grunde liegen.
Die Guidelines beginnen klassisch mit der Diagnostik, die vom Phänotyp der Erkrankung geleitet wird. Zu den bekannten vier Typen wird eine fünfte Klasse hinzugefügt, die nichtdilatierte linksventrikuläre Kardiomyopathie, dafür wird die Non-Compaction-CMP entfernt.
Da die Ätiologie einen relevanten Einfluss auf den Krankheitsverlauf hat, wird bei der Diagnostik auch die Ursachensuche besprochen. Hier wird ein interdisziplinäres, muliparametrisches Assessment angestrebt und Untersuchungen wie ein Familienstammbaum oder verschiedene Bildgebungen empfohlen.
Ein großer Teil der neuen Leitlinie ist der genetischen Diagnostik gewidmet. Viele CMP sind genetisch bedingt, wobei die genetische Vielfalt sehr groß ist. Je nach genetischem Befund können den Betroffenen oder den Familienangehörigen relevante Informationen bereitgestellt werden und die Therapie kann angepasst werden. Beispielsweise wird bei einer post mortem festgestellten CMP ebenfalls noch eine genetische Abklärung empfohlen, sofern es Angehörige gibt, die davon profitieren würden. Eine neue Empfehlung betrifft die genetische Untersuchung bei Kindern, wobei hier noch keine Altersgrenze angegeben wird.
Bei der Therapie steht die adäquate Herzinsuffizienztherapie im Vordergrund, es werden aber auch die Herztransplantation und verschiedene technische Hilfestellungen besprochen. Die Primärprävention des plötzlichen Herztodes wird ebenfalls angerissen, da viele CMP ein ausgeprägtes arrhythmogenes Potenzial haben.
Für die regelmäßigen Kontrollen werden erstmals Intervalle von 1–2 Jahren empfohlen, dabei soll auch das arrhythmogene Potenzial evaluiert werden. Ein Familienscreening für potenziell Betroffene ohne ausgeprägten Phänotyp wird alle 1–3 Jahre, ab 60 Jahren dann alle 3–5 Jahre empfohlen.
Insgesamt ist die Leitlinie ein nützliches und notwendiges Pionierpaper, das die Handhabung einer CMP erleichtert, jedoch mit der Geschwindigkeit der aktuellen Entwicklung nicht mithalten wird können. Im konkreten Fall wird daher noch zusätzlich Primärliteratur verwendet werden müssen, um die Einzelheiten und Details abzuklären und die optimale Patientenversorgung garantieren zu können.
Quelle: Arbelo E et al., Eur Heart J 2023; ehad194